Australien:In Melbourne hat sich eine besonders eigenwillige Café-Szene entwickelt

Australien: Das Café "Auction Rooms" ist ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen; viele hier mögen den Kaffee schwarz und ohne Milch.

Das Café "Auction Rooms" ist ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen; viele hier mögen den Kaffee schwarz und ohne Milch.

(Foto: Auction Rooms)

Cold Drip, Flat White, Batch Brew: Die Bewohner der australischen Metropole trinken ihren Kaffee anders. Das musste selbst Starbucks einsehen.

Von Anne Kathrin Koophamel

Wenn David Kim eine Tasse Kaffee brüht, rutscht seine Brille manchmal auf seiner Nase weit nach vorne. Doch der Barista aus Melbourne schenkt solchen Kleinigkeiten keine Beachtung. Für ihn, der im "Australian Brewers Cup" den dritten Platz belegte, ist Kaffee eine Kunst. Eine, die seine volle Aufmerksamkeit braucht.

"Kaffee ist nicht gleich Kaffee, es kommt auf so vieles an", sagt Kim, dessen Café "Auction Rooms" im Norden Melbournes für Koffeinfans aus aller Welt eine Pilgerstätte geworden ist. Hier gurgeln die Maschinen vor sich hin. Es läuft und tröpfelt, mal schnell, mal in Zeitlupe, mal ist der Kaffee durchsichtig hell, mal kräftig schwarz. "I'll have the batch", hört man immer wieder an der Theke in breitem Aussie-Slang: eine Tasse Filterkaffee, gebrüht mit der Kaffeebohne, die diesen Tag im Angebot ist. Die Melbourner vertrauen darauf, dass ihre Baristas nur das Beste in die Tasse füllen. Viele mögen ihren Kaffee hier gern schwarz und nicht zu bitter - Milch ist nicht so wichtig.

"Die Australier trinken viel mehr Kaffee als andere Nationen, die ich kenne", sagt David Kim. "Kaffee gilt hier nicht als ungesund, sondern eine Tasse von hoher Qualität passt zu dem gesunden Leben, das viele Australier führen." Viel fetter Milchschaum stört dabei nur. Ein Grund, warum "Batch Brew", der klassische Filterkaffee, zurzeit so beliebt ist.

Diese Brüh-Technik hat allerdings wenig mit der Filtermaschine von früher gemein: Die Qualität des Pulvers ist besser, das Aroma ausbalanciert, der Kaffee schmeckt nie zu bitter. Wie schnell das Wasser durch den Filter rinnt, reguliert Kim je nach Pulversorte. "Es geht um das Verhältnis von Kaffee und Wasser. Entscheidend ist, wie schwer das Pulver ist, nicht, wie viel man nimmt. Nur wer das beherrscht, brüht exzellenten Kaffee", sagt Kim.

Sein Filterkaffee im "Auction Rooms" kostet zwischen 4 und 8,5 australische Dollar, umgerechnet also zwischen 2,70 und 5,80 Euro. Die Schlange ist besonders am Wochenende lang, manchmal reicht sie vom Tresen bis vor die Tür des Cafés. "Kaffee gehört für uns Städter zum täglichen Leben", sagt Kim. "Es ist ein Ritual, unsere Art, das Leben zu genießen. Darum geht es, Freunde zu treffen, den Moment zu leben - nicht nur darum, morgens wach zu werden."

In Melbourne ist Kaffee längst zu einem Aushängeschild der Stadt geworden. Selbst Raststätten und Bars an sehr touristischen Plätzen servieren guten Kaffee. Ob Cold Drip, Aero-pressed, Flat White, Batch Brew: Wer auf eine Tafel in einem Coffeeshop schaut, dem kann schwindlig werden von all den Zubereitungsarten, Filtermöglichkeiten und Milchschaum-Variationen. Längst gibt es Stadtführungen, die sich nur um Kaffee und Cafés drehen. Die Kaffeemesse Melbournes ist eine der wichtigsten der Branche.

Die Einheimischen ignorierten Starbucks

"Wir definieren uns geradezu über unsere Kaffeekultur", sagt Andrew Pricop, der als Barista im Café "Two birds one stone" arbeitet und jeden Tag unzählige Tassen für die Anwohner des Stadtteils South Yarra brüht. "Kaffee ist in dieser Stadt viel mehr als ein kurzfristiger Trend. In anderen Ländern wird er mit Arbeit und Stress verbunden. Bei uns mit Freizeit und Erholung." Das hat zur Folge, dass in den letzten Jahren immer mehr kleine Cafés entstanden sind, zudem haben sich zahlreiche Kaffeeröstereien in und um Melbourne angesiedelt. Die Bohnen werden vor Ort geröstet und entwickeln ein sanftes, blumig-fruchtiges Aroma, das die Australier für sich reklamieren und schlicht "Melbourne-Coffee" nennen.

Die meisten Mischungen bestehen zu 100 Prozent aus Arabica-Bohnen und werden von Rösterei zu Rösterei mit unterschiedlichen Hitzegraden und Behandlungsprozessen verarbeitet. "Kaffee ist ein bisschen wie Wein: Er steckt voller Möglichkeiten", sagt Trevor Simmons von der Rösterei Industry Beans. Eine dieser Möglichkeiten nennt sich "Cold Drip". Im heißen australischen Sommer wird der kalte Kaffee gern getrunken.

Er hat nichts mit deutschem Eiskaffee zu tun. Beim Cold Drip wird das Pulver mit kaltem Wasser gelöst und zieht zwischen zehn und 24 Stunden im Kühlschrank nach. Dann erst wird der Kaffee durch einen Filter abgeseiht und kühl serviert. Dadurch, dass keine Hitze an das Pulver kommt, ist der Kaffee leicht süß und mild. Er schmeckt ein wenig nach Zitrusfrucht. Ungewohnt, aber gut. Eiscreme, Sirup oder Milch zerstören den feinen Geschmack und beschweren aus Sicht der Baristas an heißen Tagen unnötig.

Den richtigen Trend zu setzen, das sei eine Kunst, sagt Andrew Pricop: "Kaffee ist ein aufstrebender Wirtschaftszweig, jedes Café versucht, eine Nische zu finden, damit die Verkaufschancen größer sind. Inzwischen haben einige Röstereien Lieferprobleme, weil die Nachfrage zu schnell wächst, besonders in der Innenstadt." Die Kaffeewirtschaft Australiens rechnet nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Ibis Word damit, dass 2017 landesweit etwa 8,2 Milliarden australische Dollar, rund 5,6 Milliarden Euro, umgesetzt werden.

Wer nicht genügend hochwertige Bohnen bekomme, müsse mit dem, was er hat, kreativ umgehen, sagt Pricop. "Cold Drip" wird oft noch mit Wasser verdünnt. Zudem ist "Flat White" seit Jahren in Melbourne der Renner. Laut einer Umfrage der Kaffeeindustrie bestellen 57 Prozent diesen doppelten Espresso mit einem gleichen Anteil Milch und einer sehr feinen Schaumhaube. Weniger stark als ein Espresso Macchiato, aber stärker als ein Milchkaffee, ist er ein gutes Getränk für ein gemütliches Gespräch - weil er nicht schnell heruntergestürzt wird.

Der Unternehmer Peter Baskerville, der in seinem Leben Hunderttausende Tassen Kaffee zubereitet und unzählige Cafés eröffnet hat, setzt sich stark für die Start-up-Szene der Stadt ein. "Keiner erwartet, dass es gerade in Down Under so eine reiche Kaffeekultur gibt." Mit den Einwanderern aus Europa sei nach dem Zweiten Weltkrieg auch die italienische Espresso-Maschine nach Australien gekommen. In den Fünfzigerjahren eröffnete die "Pellegrini's Espresso Bar" als erstes Restaurant mit echten italienischen Kaffeespezialitäten. Von Melbourne aus verbreitete sich das Genuss-Kaffeetrinken in ganz Australien.

Wie anspruchsvoll und eigen die Melbourner in Sachen Kaffee bis heute sind, musste Starbucks erfahren: Von ursprünglich 22 Läden in Melbourne gibt es noch sieben, alle im Central Business District, das ein Viertel vor allem für Touristen, weniger für Einheimische ist. Man habe die "sehr eigene und anspruchsvolle Kaffeekultur" falsch eingeschätzt, ließ Starbucks 2008 mitteilen, als landesweit rund zwei Drittel der Filialen schließen mussten, weil die Kunden ausblieben.

"Starbucks konnte mit den lokalen Anbietern nicht mithalten. Es ist eben nicht Amerika", sagte damals der australische Management-Professor Nick Wailes. "Unsere Kaffeekultur ist fantastisch und vielfältig." So rollt die Welle nun in die andere Richtung: Seit knapp drei Jahren mischt die australische Bluestone Lane Coffee Company New York auf, mit dem Slogan "Kaffee wie in Melbourne".

Reiseinformationen

Übernachtung: Prince Hotel, Boutique-Hotel in St. Kilda, DZ ab ca. 90 Euro, www.theprince.com.au; The Cullen, Kunsthotel im Trendviertel Prahran, DZ ab ca. 150 Euro, www.artserieshotels.com.au

Kaffee trinken: Two Birds on Stone Café, geöffnet von 7 bis 15.30 Uhr, am Wochenende ab 8 Uhr, www.twobirdsonestonecafe.com.au; Auction Rooms Café, täglich 7 bis 17 Uhr, am Wochenende ab 7.30 Uhr geöffnet, www.auctionroomscafe.com.au; Rösterei Seven Seeds, 114 Berkeley St., Carlton, donnerstags Kaffee-Kurs auf Spendenbasis, 7 bis 17 Uhr geöffnet, sonntags ab 8 Uhr, www.sevenseeds.com.au

Kaffee-Stadtrundgang: "Café Culture Walk" bei Hidden Secret Tours, montags bis freitags, 66 Euro, www.hiddensecretstours.com

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