Ausstellung zu Souvenirs:Kitsch in Kugeln

Rovereto - "Andata e Ricordo" - Ansichtskarten Bilder Briefe Souvenirs Ausstellung

Die Ausstellung in Rovereto zeigt Reiseandenken wie Ansichtskarten, Briefe und gerahmte Bilder.

(Foto: Mart)

Die einen schreiben Postkarten, den anderen reicht ein Fläschchen Wein: Mehr oder weniger schöne Andenken gehören schon seit dem 19. Jahrhundert zu einer Reise. Eine Ausstellung in Rovereto widmet sich den seltsamen Dingen, die Urlauber mit nach Hause bringen.

Von Henning Klüver

Reisen und Erinnerungen daran gehen Hand in Hand wie zwei gute Freundinnen. Um die Erinnerungen wach zu halten, gibt es Souvenirs, Andenken, Mitbringsel. Das kann eine aufgeklaubte Strandmuschel sein oder ein besonderes Kleidungsstück, landestypischer Schmuck oder traditionelles Kunsthandwerk.

Manch einer begnügt sich bereits mit einer Flasche lokalen Weins. Dazwischen hat sich eine ganze Industrie breitgemacht mit mehr oder weniger gelungenen Erinnerungsstücken.

Seitdem es kommerzielle Souvenirs gibt - in der Neuzeit etwa seit der Grand Tour durch Italien und Südeuropa im 18. Jahrhundert - spinnen sich auch Theorienetze um das Kulturphänomen. Von gesammelten Proben unserer Träume und unserer Neugier ist da die Rede. Von Objekten, die uns mit der Rückkehr versöhnen. Von materiellen Erzählungen zwischen Beobachtung und Voyeurismus.

Da wird viel Kluges gedacht - und bleibt doch oft versponnen angesichts der einfachsten Beschreibung, nach der ein Souvenir ein "gegenständlicher Ausdruck eines besuchten Ortes" sei, wie es der Italiener Duccio Canestrini in seinem Buch über "Reisetrophäen" schreibt.

Deshalb ist es angenehm, wenn eine Ausstellung in Rovereto sich nicht weiter um Theorien kümmert - oder sie in den kleinen, leider nur auf Italienisch erhältlichen Katalog verbannt. Im Mart, dem von Mario Botta errichteten Museum für die Kunst der Moderne und der Gegenwart von Rovereto und Trento, geht es um die Auseinandersetzungen von Künstlern mit dem Reisen und den Reiseandenken.

Der Spannungsbogen reicht von den Futuristen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute. Aber es gibt unter den rund 60 Exponaten auch kleine Sammlungen von Werbeplakaten, Postkarten, Drucken aller Art, von Fotos und von Briefen. Briefe an Urlaubsbekanntschaften, frei nach dem Motto: "Ich schicke dir, wie versprochen, ein Foto von mir", wie auch eine Installation der Mailänder Künstlerin Meri Gorni betitelt ist. "Andata e ritorno" heißt "hin und zurück". Der Ausstellungstitel "Andata e ricordo - Souvenir de Voyage" spielt hübsch mit diesem Begriffspaar, indem er ritorno (Rückreise) durch ricordo (Erinnerung) ersetzt.

Aber wie erinnern? Am Anfang des vergangenen Jahrhunderts etwa mit stereoskopischen Halbbildern, die räumliche Tiefe vortäuschen und den Eiffelturm aus seinem Umfeld herausragen lassen. Auch mit Postkarten, auf die der Reisende sein eigenes Konterfei drucken lassen konnte. Oder mit einem Seifenhalter in der Form des Kolosseums.

Vom Kitsch zur Kunst

Das 19. Jahrhundert aber ist in der Souvenir-Geschichte das Zeitalter der Schneekugeln. Schüttelt man die kleinen Behälter aus Glas, die mit Wasser und weißen Partikeln gefüllt sind, schneit es. Zum ersten Mal wurde so etwas auf der Weltausstellung 1878 in Paris gezeigt, darin war ein Mann mit Regenschirm zu sehen. Ein Wiener Tüftler meldete im Jahr 1900 ein Patent darauf an, gründete eine Fabrik und wurde ein reicher Mann. Sein erstes Motiv in der Halbkugel war die Basilika von Mariazell in Miniatur. In der Ausstellung ist eine ganze Sammlung von Schneekugeln im Rahmen einer Installation zu sehen: Es schneit in Pisa wie in New Mexico, in Nizza wie in San Francisco.

Rovereto - "Andata e Ricordo" - Koffer Kartons Souvenirs Ausstellung

Verschnürte Kartons und Koffer stehen für das Thema Gastarbeiter.

(Foto: Mart)

Vom sympathischen Kitsch zur Kunst: Der japanische Künstler Hiroyuki Masuyama hat in Aufnahmen historischer Drucke aus dem 16. Jahrhundert, zum Beispiel vom Forum Romanum, das Straßenleben von heute eingeblendet, was aber nur auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Die Reise nach Rom wird eine Reise in historische Schichtungen und zurück in unseren Alltag. Anders geht der Lyriker und Maler Emilio Isgrò vor, der mit seinen "Auslöschungen" bekannt geworden ist. Er zeigt eine große Wandkarte Norditaliens, auf der alle Schriftzüge mit Filzstift übermalt sind.

Und nicht jede Reise ist eine Vergnügungsreise. Das Thema Gastarbeiter verdeutlicht ein Ensemble von verschnürten Kartons und Koffern unter dem Titel "Ankunft in Köln". Es ist dieses Hin und Her zwischen Kunstinstallationen und Gegenständen aus dem touristischen Alltag, das diese Ausstellung so anregend macht. Manchmal ergreift den Besucher sogar ein Schwindel, wie in jenem Video, für das die Kamera in wilden Schwenks über Gebäude von Florenz kreiste.

Das Video "Karussell. Stendhal" von Sara Rossi ist zwei Minuten lang. Aber in Dauerprojektion geschaltet, weiß man nicht, wo Anfang oder Ende ist - und bald kreisen die Gedanken im eigenen Kopf. Die Arbeit spielt auf das sogenannte Stendhal-Syndrom an, eine Reizüberflutung durch Kunstwerke, die der französische Schriftsteller Stendhal bei einem Besuch von Florenz beschrieben hat.

Rovereto - "Andata e Ricordo" - Teller Figuren Souvenirs Ausstellung

Aus dem Wohnzimmer ins Museum: ein Teller aus Florenz und folkloristische Figuren als Reise-Trophäen.

(Foto: Mart)

Damit man sich an diese Ausstellung, an das Mart und überhaupt an Rovereto und das Trentino erinnert, hat das Museum Studenten einer Design-Klasse der Freien Universität Bozen beauftragt, Prototypen für ein Mart-Souvenir zu entwerfen. Diese reichen von einem Mobile mit Buchstaben, die den Ortsnamen Rovereto bilden, über personalisierte Smartphonehüllen mit Gemälden der Museumssammlung bis zu Schokoladetafeln, in die Straßenzüge einzelner Viertel des Ortes eingraviert sind - eine Erinnerung, die auf der Zunge vergehen darf.

Von der Vitrine mit diesen Prototypen ist der Weg nicht weit in den Museumsshop mit seinen Büchern, Katalogen und Kunstpostkarten. Aber auch mit seinen Souvenirs: Halstücher aus Seide mit Mustern des Futuristen Fortunato Depero aus Rovereto, Designer-Geschirr oder Totenköpfe als Radiergummis. Die werden besonders von Kindern und Jugendlichen gekauft, heißt es an der Kasse.

Die Ausstellung "Andata e ricordo - Souvenir de voyage" läuft noch bis 8. September im Mart, Museo di Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto, Corso Bettini 43, 38068 Rovereto (TN). Katalog 8 Euro. Info: www.mart.trento.it

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