Ausbau des Flughafen Frankfurt:Nachtseite eines guten Tages

Der Flughafen Frankfurt darf weiter wachsen, so entschied der Verwaltungsgerichtshof - doch jederzeit dürfen die Flieger nicht abheben.

Jens Flottau

Der Flughafenbetreiber Fraport gab sich staatstragend: Die Entscheidung, den Ausbau des Frankfurter Flughafens zuzulassen, sei "ein guter Tag für die deutsche Luftverkehrswirtschaft und die Zukunft der Region im europäischen Standortwettbewerb". So verbreitete es die Pressestelle und man könnte fast den Eindruck gewinnen, als hätten die Fraport-Manager die Mitteilung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes nicht bis zum Ende gelesen.

Ausbau des Flughafen Frankfurt: Ein Passagierflugzeug landet am Flughafen Frankfurt. Mit mehr als 50 Millionen Fluggästen jährlich arbeitet er derzeit noch am Rande seiner Kapazität.

Ein Passagierflugzeug landet am Flughafen Frankfurt. Mit mehr als 50 Millionen Fluggästen jährlich arbeitet er derzeit noch am Rande seiner Kapazität.

(Foto: Foto: ddp)

Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) bezeichnete das Urteil gleichzeitig als "verheerendes Signal".

Wenn sich das Bundesverwaltungsgericht in einem wahrscheinlich gewordenen Revisionsverfahren wegen des Nachtflugverbots der Meinung der Kasseler Kollegen anschließt, hätte dies gravierende wirtschaftliche Folgen für den Flughafen, vor allem aber für Lufthansa Cargo und die Ferienfluggesellschaft Condor.

Die Richter sahen "kaum einen Spielraum für die Zulassung planmäßiger Flüge" zwischen 23 und fünf Uhr. Das Gericht verkenne nicht, dass "erhebliche wirtschaftliche Interessen" für die nächtlichen Frachtflüge sprächen, dem stehe aber eine erhebliche Lärmbelastung der Anwohner gegenüber.

Zwar ist der Bau der vierten Bahn in Frankfurt die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Lufthansa auf ihrer wichtigsten Basis weiter wachsen kann, schließlich steigt die Kapazität damit von derzeit rund 80 Starts und Landungen pro Stunde auf mehr als 120.

Jedoch wäre ein nächtliches Flugverbot vor allem für die Konzerntochter Lufthansa Cargo bitter: Etwa ein Drittel ihrer bis zu 30 Flüge pro Tag findet derzeit nachts statt. Weil die Fracht in Frankfurt auch oft von den Passagiermaschinen in die reinen Cargo-Jets umgeladen wird, kommt für die Airline eigentlich auch ein Umzug auf einen anderen Flughafen nicht in Frage. Weil dort Nachtflüge uneingeschränkt möglich sind, wäre ein Ausweichen nach Leipzig möglich.

Auch die Condor ist darauf angewiesen, früh morgens starten und spät abends landen zu können. Nur so kann sie ihre Maschinen jeweils zweimal pro Tag auf die Kanarischen Inseln schicken. Die Ferienfluggesellschaft will einem Sprecher zufolge "alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen", um doch noch wie bisher in Frankfurt so weiterfliegen zu dürfen wie bisher.

Im Planfeststellungsbeschluss war noch von 17 Flügen die Rede, obwohl die hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) einst ein absolutes Nachtflugverbot für den Fall in Aussicht gestellt hatte, dass der Flughafen ausgebaut wird - das Kernergebnis einer sogenannten Mediation, die noch unter dem SPD-Ministerpräsidenten Hans Eichel begonnen worden war.

Pikanterweise muss Koch nun entscheiden, ob er gegen die vom Gericht angemahnte strengere Auslegung des Verbots in Revision geht und damit die Interessen der Fluggesellschaften schützt.

Der BDF klagt, die restriktiven Vorgaben des Gerichts, unter denen das hessische Wirtschaftsministerium sich nun erneut mit dem Fall befassen müsse, bedeute "einen faktischen Produktionsstopp in der Nacht". Logistikunternehmen würden abwandern und mehr Fracht auf die Straße verlagert, wodurch wesentlich mehr Menschen von Lärm betroffen seien als durch Flüge.

Auch die Lufthansa gibt sich empört: "Wenn ein Regionalflughafen wie Kassel-Calden vier Nachtflüge bekommt und ein internationaler Großflughafen wie Frankfurt keinen, ist mit Händen greifbar, dass das nicht gerecht ist", so Lufthansa-Anwalt Markets Deutsch. "Das wird sowohl für den Exportweltmeister Deutschland als auch für Lufthansa Cargo massive negative Auswirkungen haben. Europas größter Luftfracht-Flughafen katapultiert sich damit ins Abseits."

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) forderte die hessische Landesregierung auf, gegen das Urteil zu klagen, schließlich ständen Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. "Niemand käme auf die Idee, die mit öffentlichem Gelde finanzierten Autobahnen oder Schienentrassen nur tagsüber zu nutzen", so ADV-Geschäftsführer Ralph Beisel.

Bei Flughäfen hielten die Richter, so Beisel, diese Einschränkung aber für verkraftbar. "Dies ist ein fataler Fehlschluss."

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