Roboter im Tourismus:"Guten Tag"

Intelligente Roboter können im Hotel schon jetzt Essen servieren, Drinks mixen oder Müll wegräumen. Nun begrüßen sie auch noch die Gäste.

Von Thomas Kirchner

In Gent, der alten Handelsmetropole im Herzen Flanderns, spürt man überall die Lust an der Innovation. Das gilt auch für das örtliche Marriott-Hotel. Es hat weder Spa noch Designsuiten, nur soliden Vier-Sterne-Standard und eine gute innerstädtische Lage am Ufer der Leie. Aber es hat, typisch Gent, etwas Neues gewagt: Im Juni 2015 stellte es den ersten humanoiden, also menschenähnlichen Roboter im Hotelbetrieb ein.

Mario heißt der kleine Kerl, er ist 57 Zentimeter hoch, knapp sechs Kilo schwer und 15 000 Euro wert - schließlich ist er ausgestattet mit zwei Kameras und jeder Menge Sensoren. Mario arbeitet einerseits an der Rezeption. Da wünscht er den Gästen in 19 Sprachen "Guten Tag", schüttelt Hände, klatscht, übergibt die Zimmerkarte, scherzt mit Kindern und kann sogar auf der Empfangskonsole tanzen, am liebsten zu Michael Jacksons "Thriller". Sein zweiter Einsatzort sind Konferenzen: Mario hält Powerpoint-Präsentationen oder verteilt Tablets, indem er einen Bon übergibt - selbst halten kann er das iPad nicht, dazu fehlt ihm die Kraft.

Damit wären wir bei den Einschränkungen. Mario ist nicht nur klein wie ein Baby, er kann auch nur genau das, was ihm sein Ziehvater beigebracht hat. Der heißt Thomas Cramers, ist zuständig für die Konferenzbetreuung, gelernter Hotelfachmann und nun auch Mario-Beauftragter. Er hat den Roboter in den vergangenen Monaten mit Sätzen gefüttert und mit Bewegungskombinationen, die für den Einsatz im Servicebereich infrage kommen. Entsprechend unfähig ist Mario, auf eigene Faust eine Unterhaltung zu führen, die auch nur minimal von seinen Vorgaben abweicht. In einigen Jahren, schätzen Experten, werden Roboter das können, aber jetzt eben noch nicht: Wenn Mario am Empfang mit Kindern "spricht", diktiert ihm ein Mitarbeiter die Antworten mittels Computertastatur. "Da müssen wir ein bisschen schummeln", sagt Cramers. Mario kommt auch nur zum Einsatz, wenn es eher ruhig ist am Empfang. Sonst würde der Roboter den Betrieb stören, sagt Cramers. "Neulich brüllte ein nervöser Gast, wir sollten dieses Ding sofort wegnehmen."

Man fragt sich, worin der Mehrwert besteht, wenn es kein Mensch mehr ist, der den Vortrag hält, sondern ein Roboter, der schon mit der Frage nach der nächsten Toilette überfordert wäre, den Konferenzveranstalter aber 500 Euro Miete kostet. "Es ist der Spaßfaktor", sagt Hotelmanager Roger Langhout, "die Leute finden Mario neu und witzig, und auf diese Weise bleibt der Vortragsinhalt besser im Gedächtnis." Auch Langhout kam durch einen Vortrag mit der Robotik in Berührung und dachte sofort: So etwas brauchen wir auch.

Mario wird schon bald mehr können: Gesichter erkennen, Roomservice organisieren, Taxi bestellen, Kinder betreuen. Cramers bringt ihm ständig Neues bei, dabei hilft die belgische Robotikfirma QBMT. Sie hat auch Marios Schwester Zora entwickelt, die im Kranken- und Pflegedienst arbeitet. Müssen die Menschen also bald um ihre Jobs fürchten, weil sie gegen niemals kranke und immer gut gelaunte Maschinen alt aussehen? Langhout zumindest hat seinen Mitarbeitern versichert, sie müssten sich da keine Sorgen machen. Denn Gastfreundschaft, die hätten nur Menschen im Programm.

Tatsächlich haben die humanoiden Roboter einen Sprung gemacht. Bis zum Denken ist es noch weit, aber ihre Bewegungen sind so geschickt geworden, und ihre Rechenleistung wächst so rapide, dass sie immer öfter dort eingesetzt werden können, wo bislang nur Menschen arbeiteten. Es gibt schon Roboter, die im Service eingesetzt werden - sie können Müll wegräumen oder Drinks mixen. Eine britische Studie sagt voraus, dass Roboter bald ein Drittel der Jobs übernehmen werden, gerade bei standardisierten Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Mario war nur ein paar Tage Pionier. Kurz danach eröffnete im technikbegeisterten Japan ein Hotel, in dem Roboter den ganzen Service leisten. Vom Kellnern bis zum Verstauen des Gepäcks: alles automatisiert.

Auf der ITB in Berlin hat Toshiba nun den nächsten Schritt präsentiert: eine Empfangsdame. Die feingliedrige Japanerin hört auf den Namen Chihira-Kanae. Sie sieht tatsächlich einem Menschen ähnlich, spricht Deutsch, Englisch, Japanisch und Chinesisch. Nur dümmer als ein Mensch ist sie. Aber vielleicht sind sie da ja 2020 schon weiter, wenn in Tokio die Olympischen Spiele stattfinden. Roboterdamen sollen dann in ganz vielen Hotels die Gäste empfangen.

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