Arena in Verona:Billige Plätze sind besser

In der Arena von Verona in Italien ist Atmosphäre alles, die Oper eher Nebensache - wenn auch eine sehr unterhaltsame.

Margit Kohl

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In der Arena von Verona in Italien ist Atmosphäre alles, die Oper eher Nebensache - wenn auch eine sehr unterhaltsame. Eine Reportage von Margit Kohl. Giacomo Puccini oder Giuseppe Verdi? Turandot oder Aida? Das ist nicht wirklich das Thema, wenn es um die Premiere in der Arena von Verona geht. Die alles entscheidende Frage lautet vielmehr jedes Jahr aufs Neue: Wird es regnen? Erst im vergangenen Jahr ...

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... war die Premiere gleich nach dem ersten Akt ins Wasser gefallen. Auch für den diesjährigen Eröffnungsabend waren die Wetterprognosen mehr als durchwachsen. Doch der Regen, der bislang so ausdauernd das Frühjahr vermieste, hatte sich dann doch verzogen. Dem 87-jährigen Film- und Opernregisseur Franco Zeffirelli ist nun zum ersten Mal die ganze Spielsaison gewidmet. Aida, Madame Butterfly, Carmen und den Troubadour wird es geben, und den Auftakt machte eine Neuauflage von Turandot. Die Uraufführung der Oper fand 1926 in der Mailänder Scala statt, dirigiert von Arturo Toscanini. Der hatte in der Arena nie eine Aufführung leiten wollen, weil er der festen Überzeugung war, dass man im Freien zwar Boccia spielen, aber keine gute Musik machen könne.

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Die großen Feuilletons rümpfen meist ohnehin die Nase und widmen kaum einer Arena-Aufführung noch eine ausführliche Besprechung. Die Popularisierung klassischer Musik gilt schließlich nicht als Hochkultur, schon gar nicht, wenn verstärkt Bustouristen herangekarrt werden müssen, um 15.000 Plätze halbwegs rentabel zu füllen. Die Veroneser sehen das natürlich anders, schließlich trat im vergangenen Jahr Plácido Domingo auf. Der singt heuer zwar nicht, dirigiert aber, weshalb nicht nur Missgünstige inzwischen fragen, ob er das denn wirklich genauso gut kann. Für Interpreten ist die Arena nicht ohne gesangliche Herausforderung. Ihre Stimmen werden hier aufs perfideste auf die Probe gestellt. Die Trichterform des römischen Amphitheaters bewirkt, dass sie tausendfach ...

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... zurückgeworfen werden und das Hörerlebnis auf jedem Platz ein anderes ist. Bisweilen gelten bei Einheimischen die preisgünstigen oberen Ränge auf den nicht nummerierten Steinstufen als die akustisch besten. Auch wenn sich dort das oft bis weit nach Mitternacht dauernde Spektakel für Menschen ohne Ausdauer nicht ohne Sitzkissen überstehen lässt. Das Volk in Räuberzivil sitzt oben, die Premierengäste in Abendrobe sitzen unten. Die wilden Zeiten, in denen es Brauch war, dass ...

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... schon mal die Sitzkissen auf die Bühne flogen, wenn der Tenor seinen Einsatz verpasste, sind zwar längst vorbei, doch sobald es dunkel wird, beginnen auf den oberen Rängen Kerzen zu flackern. Natürlich wissen die meisten Zuschauer inzwischen auch ohne Textbuch, worum es in den Aufführungen geht: Liebe, Eifersucht und Tod. Jedoch ist es zu Beginn des ersten Aktes Tradition geblieben, an eben jene Zeit zu erinnern, als es 1913 bei der Einweihung der Arena als Opernbühne noch keine Elektrizität gab. Verona feierte gleichzeitig Verdis 100.Geburtstag, und die Zuschauer brachten zum Lesen der Libretti Kerzen mit. Heute ist deren warmes Licht schnell erloschen, und man sieht alsbald nur noch den kühlen Schein der Handys in der Dunkelheit. Nicht bei jedem Zuhörer, der zur späten Stunde ...

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... der Aufführung mit geschlossenen Augen folgt, ist dies ein Zeichen für intensiven Operngenuss. So auch nicht bei jenem grauhaarigen Herren mit auffallend gelber Krawatte, der seine Einkaufstaschen neben dem Sitz abgestellt hat. Mal schlummert der Mann ein wenig, mal dirigiert er sanft mit gespreizten Fingern, mal ballt er die Faust zum Forte, um alsbald wieder in den Minutenschlaf zu versinken. Zum "Nessun dorma" (italienisch für "Keiner schlafe") ist auch er rechtzeitig aufgewacht, um das Finale mit der Handykamera mitzuschneiden, was eigentlich streng verboten ist. Doch in Bella Italia gibt es schließlich keine Regel ohne Ausnahme. Arena-Besucher finden sich ohnehin ...

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... schnell in einem kollektiven, mitreißenden Geschehen wieder, das mit den traditionellen Regeln der Oper nur wenig zu tun hat. Die Atmosphäre ist alles, die Oper eher Nebensache - wenn auch eine sehr unterhaltsame. Noch im vergangenen Jahr schleppten die Zuschauer ihr Abendessen in Picknickkörben und Kühltaschen mit ins Theater. In diesem Jahr hat man diese wunderbare Tradition untersagt. Zu viel Müll, heißt es. Vermutlich müssen aber auch die lizenzierten Verkäufer in der Arena ihr Auskommen finden. Bei fast ausverkauften Aufführungen braucht der Getränkemann indes das stimmliche Organ eines Stadionsprechers, um sich mit seinen Cola-Fanta-Birra-Rufen zwischen den Reihen bemerkbar zu machen. Im Eifer des Gefechts gibt er auf zehn Euro für ein Süßgetränk nur einen zurück. Scusi, kann schon mal vorkommen, Signora. Gewiss. Leben und leben lassen. Ums Überleben geht es inzwischen...

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... nicht nur in manchem Bühnenstück, sondern auch im richtigen Leben. Um gegen die geplanten Subventionskürzungen der Regierung Berlusconi im Kulturbereich zu protestieren und sich solidarisch mit den übrigen italienischen Kultureinrichtungen zu zeigen, ist auch für die Arena an diesem Wochenende eine Streikaktion nicht ausgeschlossen. Dass Aufführungen ausfallen, hält eine Sprecherin der Arena allerdings für unwahrscheinlich. Wenn das Wetter schon mal mitspiele, wolle man das den vielen eigens angereisten Touristen nicht antun. Irgendetwas werde man sich schon einfallen lassen. Vielleicht träten die Sänger ja aus Protest ohne Kostüme auf, wer weiß. Die Sprecherin ließ allerdings offen, ob damit nun gemeint sei, dass sie nur in Freizeitkleidung oder gleich ganz nackt singen wollen. Informationen: Die 88.Opernfestspiele finden in der Arena von Verona vom 18.Juni bis zum 29.August statt. Eintrittskarten: 21 bis 198 Euro, Telefon: 0039/0458005151, www.arena.it

© SZ vom 24.6.2010 / Margit Kohl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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