Area 47 in Österreich:Krass konzentriert

Adrenalin statt altbackener Wanderwege: Ein Freizeitgelände in Tirol soll den Spaßbetrieb in den Bergen bis in den Sommer hinein verlängern.

Dominik Prantl

Den ersten Kick gibt es gleich morgens um 9.30 Uhr, direkt nach dem Frühstück. Flying Fox, die Seilrutsche; so etwas wie Bungee Jumping für Arme. Oder für Feiglinge. Von unterhalb der Straßenbrücke saust der Wagemutige an einem Stahlseil von 300 Metern Länge quer über das Gelände der Area 47. Kosten: 22 Euro. Um 9.31 Uhr ist alles vorbei, am Rand der Liegewiese wird ausgependelt. Was nun? Cliff Diving? Slacklining? Oder Cannonball?

Rekordjagd im Ötztal - Der neue Outdoorpark Area 47

Nichts für schwache Nerven: Zur Area 47 gehört auch ein Kletterpark, der unter einer Straßenbrücke hängt.

(Foto: dpa/tmn)

Um hier an einem Tag alle Aktivitäten durchzuziehen, müsste man schon im Flying-Fox-Rhythmus weitermachen. Die Area 47 ist ein 6,6 Hektar großes Gelände, direkt am Eingang des Ötzals, genau dort, wo die Ötztaler Ache den ohnehin schon kräftigen Inn zusätzlich nährt. Begrenzt von den beiden Gebirgsflüssen, der Bundesstraßenbrücke im Süden und dem Wald im Westen soll der Freizeitpark von diesem Sommer an der "ultimate outdoor playground" - der ultimative Spielplatz - sein, wie die Macher versprechen. Noch stehen die Bagger einsatzbereit hinter den Holzlodges, noch sind die erdbraunen Narben des Eingriffs zu sehen.

Doch ist die Verwandlung von der brachen Wiese zum Abenteuerspielplatz mit Übernachtungsmöglichkeiten so gut wie vollzogen. Schon springen Menschen barfuß von Plattformen oder mit Skiern und Snowboards über Rampen in den 7000 Quadratmeter großen, künstlich angelegten Badesee; andere lassen sich aus einem Rohr mittels Wasserdruck wie Kanonenkugeln in den See katapultieren oder balancieren auf einem Seil darüber hinweg.

Allerdings heißt das Menschenkatapult Cannonball, das Turmspringen Cliff Diving und das Seiltanzen Slacklining. Die 26 spartanisch eingerichteten Holztipis waren an dem einzigen sonnigen Mai-Wochenende bereits ausgebucht. Unterhalb der gewaltigen Brücke baumelt die Holz- und Kettenkonstruktion des Hochseilgartens wie das Windspiel eines Titanen vor der Kulisse der Ötztaler Alpen.

Entstanden ist hier eine als Weltneuheit gepriesene, künstliche Ferienlandschaft, die an das "Replika-Territorium" von André Heller erinnert. Der Wiener Künstler orakelte bereits vor 20 Jahren von einer "Musterkollektion von kaleidoskophaft wechselnden Eindrücken", einem Nebeneinander von McDonald's und Gault Millau, Atlantik-Brandung und provenzalischen Lavendelfeldern in einem reinen Touristenland. Ganz so weit geht die Area 47 nicht.

Drei spaßige A's

Sie ist mehr McDonald's und Atlantik-Brandung als Gault Millau und Lavendelfeld. In ihr werden all jene Aktivitäten gebündelt angeboten, die im Gebirge außen herum als trendy und jugendlich gelten. Die Gegend der nahen Umgebung lässt sich nicht nur zu Fuß oder auf dem Fahrrad, sondern auch im Schlauchboot auf Flüssen und per Gleitschirmflug oder Fallschirmsprung in der Luft erkunden. Der anspruchsvolle Hochseilgarten ist eher eine Frage der Selbstüberwindung als der Teamarbeit.

Das Gelände ist damit auch eine Basis für die Bemühungen, dem im Sommer noch immer als altbacken gebrandmarkten Alpentourismus den Charakter des spaßorientierten Pistenbetriebs zu verleihen. Action, Adventure und Adrenalin lauten denn auch die entsprechenden Vokabeln. Am Wochenende wird eine Reggae-Nacht stattfinden. Im Sommer folgen Konzerte und Sportveranstaltungen im bis zu 8000 Zuschauer fassenden Area Dome, begleitet vom ständigen Rauschen der Flüsse.

Hans Neuner sitzt auf der Veranda des Lakeside-Restaurants und platzt fast vor Stolz. Acht Jahre ist es nun her, dass Neuner die Idee einer solchen Freizeitanlage hatte. Er trägt noch immer ein verschmitztes jungenhaftes Lachen, trotz der mittlerweile grauen Locken und der "unzähligen Canossagänge", die er nach eigener Aussage hinter sich hat. Dabei sei es überhaupt kein Problem gewesen, die Investoren und Sponsoren für das 13,4-Millionen-Euro-Projekt zu finden. Allein die Europäische Union steuerte eine Million Euro an Fördergeldern bei. Es klingt beinahe so, als hätten die Geldgeber für den Rest geradezu Schlange gestanden, um mitverdienen zu dürfen. Nur die Politik habe Neuners Traum doch immer wieder verzögert. Zu guter Letzt wurde eine seltene Ameisenspezies auf dem Gelände gefunden. Natürlich musste aber auch die kleine Ameisenlobby irgendwann kapitulieren.

An der Area 47 Betriebs GmbH ist Neuner als Initiator mit 50 Prozent beteiligt. Die andere Hälfte halten die Bergbahnen Sölden, die seit jeher Erfahrung im Geschäft mit Touristen haben. Neuners Risiko war größer.

Teurer Kick

Den alten Gastronomie-Betrieb "Crazy Eddy" mit angegliedertem Sport- und Veranstaltungszentrum hat er aufgegeben. Und ob er auch in den nächsten Jahren die Wintersaison wie bisher zumeist auf seiner Hütte in Chile verbringen kann, wird sich noch zeigen. Der mit dem Spatenstich im vergangenen August eingeleitete Auftakt ist noch nicht beendet. Prominenz, Funsportprofis und Medien waren zwar schon da. Kunstflieger Hannes Arch manövrierte seine Propellermaschine durch die Luft, Klippenspringer Orlando Duque weihte den Sprungturm mit einem Satz aus 27 Metern Höhe ein, der Fernsehsender Pro Sieben testete die Adrenalinausschüttung auf der höllensteilen Rutsche.

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(Foto: oh)

Doch dem Eröffnungsspektakel muss nun der Alltag folgen mit 200.000 Besuchern pro Jahr, die langfristig die Investition einspielen sollen. Die Eintrittskarte zum Badesee kostet 18 Euro, einmal Hochseilgarten 43 Euro, Rafting ab 45 und die Höhlentour 74 Euro.

Ob der Kunde diese Preise zahlt? Laut Experten zumindest besteht schon seit langem der Bedarf an einem derartigen Freizeitgelände. Im Grunde ist die Area 47 ein längst überfälliges Projekt, das nur einer Entwicklung folgt. Der Hamburger Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski zum Beispiel, der Szenarien zeichnet wie Architekten Baupläne, hat vor knapp zehn Jahren die Sportwelt des Jahres 2010 schraffiert: "Zwischen Individualisierung und Inszenierung", lautete der Titel. Es reicht oft nicht mehr, dem Kunden nur Wanderwege zu bieten.

Der Wanderer ist heute zugleich Mountainbiker, Kajakfahrer und Hobbykletterer, möchte abends Badelandschaften und Kneipenkultur. Nicht nur Opaschowski spricht von der konsumfreudigen "Multioptionsgesellschaft".

Der Mensch, der diese Multioptionsgesellschaft in die Area 47 locken soll, ist Chris Schnöller, der Marketingleiter. Schnöller kommt wie Neuner aus dem Wildwassersport und ist selbst ein Freizeitsportler der Erlebnisgeneration. Einer wie Schnöller weiß, dass Mitglieder der Multioptionsgesellschaft nicht mit Turnvater-Jahn-Begriffen wie Erlebnispark, Mehrzweckhalle und Brückenkneipe zu ködern sind. Eine Kreativagentur des Sportartikelherstellers Adidas sei auf den Namen Area 47 gekommen, "weil wir auf dem 47. Breitengrad liegen", sagt Schnöller.

Schon der Arbeitstitel "Adventure Dome" hatte wenig tirolerisches Lokalkolorit versprüht. Für das River Haus, eine Art Western-Saloon mit Kleinkunstbühne, wurde wiederum absichtlich ein englisch-deutscher Mix verwendet. Das erhöhe die Aufmerksamkeit. Schnöller ist ein guter Gastgeber. Alte Menschen gibt es bei ihm nicht. Nur Junggebliebene.

Er fragt: "Also, was willst du machen? Vielleicht den Megaswing? Oder Rafting?"

Nur die Entscheidung muss man selber treffen: Also, was nun?

Ach, sich einfach auf ein Strandtuch legen und die Berge ansehen, ist gar nicht einmal so schlecht.

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