Anders Reisen:Urlaub im Entwicklungsland

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Der umweltbewusste Tourist steckt in einem Dilemma: Einerseits unterstützt er durch seinen Aufenthalt die Einheimischen im Drittweltland, andererseits belastet die weite Anreise Klima und Natur. Wie Ökotourismus trotzdem Sinn macht.

Hans Gasser

Von München bis Durban in Südafrika sind es 6440 Kilogramm. Soviel Kohlendioxid speit ein Flugzeug pro Passagier für den Hin- und Rückflug aus. Der Durchschnittsinder, so lässt uns der Enmmissionsrechner auf der Internetseite www.atmosfair.de wissen, erzeugt demgegenüber nur 900 Kilogramm klimaschädliches CO2 während eines ganzen Jahres! Und das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen sollte ohnehin nicht mehr als 3000 Kilogramm betragen.

Safari-Touren wie hier im Serengeti-Nationalpark halten viele für die beste Form des Ökotourismus (Foto: Foto: AP)

Was also tun? Auf den Ökourlaub an der unberührten Wild Coast südlich von Durban verzichten? Die Einheimischen mit ihren Pferden, den liebevoll hergerichteten Lehmhütten und den vielen zu versorgenden Kindern einfach im Stich lassen? Der umweltbewusste Reisende steckt in einem Dilemma.

"Der Flugverkehr ist das größte Problem, doch das will keiner hören," sagt Wolfgang Strasdas. Wenn man die Leute zur Relevanz von ökologischen Aspekten für ihre Reiseentscheidung befrage, so würden Gewässersauberkeit, Müllbeseitigung oder intakte Naturschutzgebiete eine große Rolle spielen. "Bei der Vermeidung von Flugverkehr jedoch beißt man auf Granit", so Strasdas, der an der FH Eberswalde Professor für nachhaltige Tourismusentwicklung ist.

Nach einigen vielversprechenden Vorstößen größerer Tourismuskonzerne mit Nachhaltigkeitsberichten und Umweltmanagment sei in jüngster Zeit wieder vieles davon eingeschlafen. In Zeiten umfassender Sparsamkeit interessiert die Thematik die Urlaubskunden schlichtweg nicht.

Kleine, spezialisierte Veranstalter

Der Ökotourismus bleibt also ein absoluter Nischenmarkt, eine Lücke für kleine, spezialisierte Veranstalter. Aber die Lücke wird erstaunlicherweise größer. So verzeichnen beispielsweise die meisten der 125 durchwegs kleinen, im "Forum anders Reisen e.V." zusammengeschlossenen Veranstalter jährliche Zuwächse von zehn bis 15 Prozent, sagt Roland Streicher, der erste Vorsitzende des Vereins.

Das Forum hat einen Kriterienkatalog entwickelt, der unter anderem Flüge unter 700 Kilometer Reiseweg verbietet, sich zu fairer Bezahlung von Beschäftigten im Reiseland, zum Schutz der Natur und zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe verpflichtet. Immerhin rund 70 000 Menschen reisen jährlich allein mit den 125 Verbandsmitgliedern auf diese Weise, 100 Millionen Euro werden dabei umgesetzt. In diesem Herbst brachte man erstmals einen gemeinschaftlichen Katalog mit 120 nachhaltigen Reisen heraus.

Dabei stellt Streicher in seinem eigenen Unternehmen den Begriff Ökoreise gar nicht so sehr in den Vordergrund. Schließlich können auch die umweltbewussten Veranstalter die starke Nachfrage nach immer kürzeren, weiteren, und somit ökologisch verwerflichen Flugreisen nicht ignorieren.

Andererseits ist der Begriff Ökotourismus weder definiert noch geschützt und wird häufig missbraucht. In den USA und in Großbritannien bedeutet Ecotourism jede Reise, die die Natur zum Ziel hat. Auch die World Tourism Organisation (WTO) führt eine solch weit gefasste Definition.

Wirtschaftliche Perspektive für Einheimische

Der Ökotourismus kommt aus der Naturschutzbewegung, erklärt Tourismusprofessor Strasdas, es sei zunächst immer darum gegangen, vor allem in Entwicklungsländern Gebiete unter Schutz zu stellen. Weil aber Nationalparks oder Tierreservate nicht ewig bezuschusst werden könnten, habe man im Touristen neben dem Devisenbringer auch den Erfüllunggehilfen erkannt.

Den Einheimischen musste zudem eine wirtschaftliche Perspektive gegeben werden, damit sie die Einrichtung eines Schutzgebietes überhaupt akzeptierten und von Wilderer auf Parkwächter umsattelten. In Ostafrika habe dies geklappt. "Der Safaritourismus ist die beste Möglichkeit, die am wenigsten Schaden anrichtet und den Leuten auch noch gutes Geld bringt", so Strasdas.

Diese Meinung wird allerdings nicht von allen geteilt. Viele Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass auch beim Ökotourismus die Einheimischen oft übergangen würden. Man mache sie zu Parkwächtern, Fremdenführern oder Köchinnen. Dabei würden ihnen mit Verweis auf den Naturschutz weitergehende, technologische Entwicklungschancen vorenthalten. Der Kritiker und Buchautor Jim Butcher schreibt von einer "Zementierung der Unterentwicklung in Ländern, in denen Entwicklung weit wichtiger wäre als Naturerhaltung".

In den vergangenen Jahren ist deshalb auch der Mensch wieder mehr in den Focus gerückt. Sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch unter den verantwortungsbewussten Reiseveranstaltern gelten die Armutsbekämpfung, die Ausbildung und die beruflichen Aufstiegschancen der Menschen an Ort und Stelle als wichtiges Thema.

Die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), Deutschlands größte Entwicklungshilfeorganisation, betreut 50 Projekte, die eine touristische Komponente haben, allerdings hat sie dafür nur zehn Millionen Euro zur Verfügung. Die wirtschaftliche Entwicklung steht dabei im Vordergrund, flankiert vom Naturschutz. Zwar fördert man auch kleine, kommunale Projekte, doch Martin Tampe, GTZ-Experte für nachhaltigen Tourismus, verwahrt sich gegen die Verteufelung des "bösen Massentourismus".

Sichere Arbeitsplätze mit Aufstiegschancen

So stehe eine Studie vor der Veröffentlichung, die die ökonomischen Abstrahleffekte von All-inclusive-Anlagen in Mittelamerika zum Inhalt habe. Es zeige sich, dass gute Anlagen den Einheimischen relativ gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze mit Aufstiegsmöglichkeiten böten. Durch Ausflüge der Gäste und regionale Produktionsketten profitiere auch das Umland - allerdings gebe es hier noch Entwicklungsbedarf.

Die am weitesten reichenden Effekte sind zu erzielen, wenn es gelänge, große Unternehmen dazu zu bewegen, bestimmte ökologische Mindeststandards einzuhalten. Ob eine Ökoreise diesen Namen auch verdient hat, ist aber wegen der vielen ineinander greifenden Dienstleistungen schwer zu kontrollieren.

Strasdas arbeitet mit seinen Mitarbeitern zurzeit an einem Bewertungssystem mit möglichst wenig Kriterien. Es soll dem umweltbewussten Touristen eine gewisse Sicherheit bieten. Und falls dem das Gewissen keine Ruhe lässt, kann er für den Flug von München nach Durban freiwillig 113 Euro an Atmosfair zahlen. Der Betrag wird in Umweltschutzprojekte investiert, die die 6440 Kilogramm CO2 wieder einsparen.

© SZ vom 1.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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