Amsterdam:Reichtum auf dem Rad bewundern

Wohlhabende Kaufleute ließen den Grachtengürtel in Amsterdam bauen - selbst das Arbeiterviertel sieht hier prächtig aus. Tipps für die Rundfahrt mit dem Rad.

Von Katja Schnitzler

16 Bilder

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

1 / 16

Natürlich können Touristen Amsterdam zu Fuß erkunden. Doch wer nicht eine Woche bleiben will, muss in die Trambahnen steigen, um genug von der schönen Altstadt sehen zu können. Sonst bleibt zu viel Zeit für die Wege zwischen Amstel bis Jordaan, von Oude Kerk bis zum Museumsplatz auf der Strecke. Da drängt sich ein anderes Fortbewegungsmittel auf, gerade in Amsterdam: das Hollandrad. Damit lässt sich die Stadt genussvoll erfahren, sobald man verstanden hat, wie die ungeschriebenen Regeln der Amsterdamer sind (die Reportage "Wer bremst, verliert" finden Sie hier).

Ein Wochenende reicht dann bereits für ausgiebige Erkundungen: Am ersten der beiden Tage in Amsterdam liegen fast alle Ziele im Grachtengürtel zwischen Singel-, Heren-, Keizers- und Prinsengracht. Diese Kanäle sind Unesco-Welterbe: Reiche Bürger hatten sich aus der Enge des Zentrums verabschiedet und prachtvolle Häuser ringsum errichten lassen. Weil die Steuer nach Grundstücksbreite erhoben wurde, bauten die geschäftstüchtigen Kaufleute schmale, dafür aber umso tiefere Anwesen. Wer in der Stadt welchen Stand hatte, lässt sich daran ablesen, dass die Herengracht näher als Keizers- und Prinsengracht (im Bild) am Zentrum liegt. In der Herengracht lebten einst die reichsten der Reichen, heute residieren hier Bankhäuser.

Die Tipps für einen weiteren Tag im Zentrum und rund um den Museumplein finden Sie hier.

-

Quelle: Katja Schnitzler

2 / 16

Der Geldadel hatte sogar eine eigene Kirche: die Westerkerk (Westkirche), während die nahe Noorderkerk (Nordkirche) zeitgleich für das Viertel Jordaan gebaut wurde, in dem Arbeiter und Handwerker angesiedelt waren. Beide Kirchen wurden vom berühmten Baumeister Amsterdams entworfen, Hendrick de Keyser. So dunkel das Backsteinäußere wirkt, so licht ist es im Inneren: Klare, hohe Bogenfenster lassen den Sonnenschein ungehindert in das weiße Kirchenschiff fallen.

Erhebend ist der Anblick über die Stadt - vorausgesetzt man erhascht einen der sechs Plätze für die Turmbesteigung, für die man sich am Kircheneingang in eine Liste eintragen lässt. Jede halbe Stunde erklimmt eine Führerin mit der Kleingruppe den Turm etwa bis zur Mitte - im Bild ist die Balustrade sichtbar. Viele sind froh, nicht noch mehr sehr schmale Stufen hochklettern zu müssen. Hinab geht es da nur rückwärts. "Es kommt immer wieder vor, dass sich Gäste nicht weitertrauen oder nur sehr langsam", berichtet die junge Führerin. Dennoch lohnt sich die Turmbesteigung - auch wegen der Geschichten über Glocken und Glöckner.

-

Quelle: Katja Schnitzler

3 / 16

Die drei gewaltigen Glocken sind mit einem leichten Zug an dünnen Stahlseilen in Schwingung zu versetzen - eine ständige Verlockung für die Besucher, die sich Stockwerk um Stockwerk an den Seilen vorbeidrücken müssen. "Bitte auf keinen Fall daran ziehen", hatte die Führerin gebeten. Immerhin: Ein Glockengeläut außer der Reihe würde heutzutage nur für Verwunderung und nicht für Angst und Schrecken sorgen. Früher hielt stets ein Turmwächter Ausschau nach Flut, Feuer oder angreifenden Horden und läutete im Notfall Alarm. Irgendwann hatten die Kirchenherren ein Einsehen und ließen in den hölzernen Glockenstuhl einen Durchlass in Kopfform sägen - zu oft hatte sich der Glöckner bei seinem Spurt zum Glockenseil offenbar den Schädel gestoßen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

4 / 16

Vom Turm aus, dessen Aussichtsbalkon fast alle Besucher dank Warnungen der Führerin kopfschmerzfrei ohne Anstoßen erreichen, kann man auf und auch hinter die hohen Grachtenhäuser blicken: Dort sind oft kleine Gärten versteckt. Wer keinen Garten sein eigen nennt, stellt Blumenkübel neben Liegestühle auf das Hausboot. Oder bepflanzt das Erdreich links und rechts von den Bäumen - allerdings wird beim Kampf um Stellplätze für die vielen, vielen Fahrräder ("fiets") wenig Rücksicht auf blühende Pflänzchen genommen. Räder haben in Amsterdam offenbar nicht nur auf der Straße Vorrang.

Rechts unten im Bild ist der Anbau am Anne-Frank-Haus neben der Westerkerk zu sehen: Um die lange Warteschlange zu umgehen, ist es empfehlenswert, sich online ein Ticket für eine festgelegte Einlasszeit zu besorgen - von 9 bis 15.30 Uhr werden sogar nur Besucher mit Online-Karte eingelassen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

5 / 16

In der Altstadt von Amsterdam sehen sich Besucher nicht satt an der Vielfalt der Giebel und Fassaden, die meist leicht nach vorne geneigt sind: Nur so konnten Möbel und andere sperrige Lasten per Haken und Winde emporgezogen werden, ohne die Fronten zu beschädigen. Das Treppenhaus ist für den Transport meist zu schmal. In Amsterdam ist ein Großteil der alten Pracht erhalten. Die Stadt ergab sich im Zweiten Weltkrieg bereits vier Tage nach dem Überfall der Nationalsozialisten den Besatzern - so sind kaum Bombenschäden zu beklagen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

6 / 16

Das Viertel Jordaan, welches einst für Handwerker und Arbeiter errichtet wurde, würde woanders als Prachtviertel gelten. Trotz der Nähe zur Westerkerk sind hier kaum Touristen unterwegs, jedenfalls nicht ohne Rad - wer alle Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen muss, überlegt sich jeden zusätzlichen Spaziergang gut. Dabei ist Jordaan selbst sehenswert mit seinen kleinen Läden, Galerien und den vielen bepflanzten, rosenumrankten Hauseingängen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

7 / 16

Mit dem Rad fährt man in wenigen Minuten zurück zur Keizersgracht und dort entlang schwungvoll über Brücken bis zur Hausnummer 451 an der Kreuzung zur Leidsestraat: Beim Café und Restaurant Morlang ist es Zeit für eine kleine Stärkung am Mittag - bei schönem Wetter direkt an der Gracht. Hier können Besucher entscheiden, welches Grachtenhaus sie nun (zuerst) von innen sehen wollen: Das "Tassenmuseum Hendrikje" in der Herengracht 573, das nichts mit Geschirr zu tun hat, sondern ein Taschenmuseum in einem Grachtenhaus ist. Hier hatte einst der Bürgermeister Amsterdams residiert. Neben 5000 Taschen (unter anderem von Madonna und Margaret Thatcher) sind auch noble Zimmer aus dem 17. Jahrhundert sowie ein Grachtengarten zu sehen - und ja, es gibt auch Handtaschen im Museumsshop zu kaufen.

Die andere Wahl ist das Museum van Loon - das Grachtenhaus einer wohlhabenden Bürgerfamilie in der Keizersgracht 672.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

8 / 16

Die Familie van Loon hatte das noble Grachtenhaus im Goldenen Zeitalter 1884 übernommen. Willem van Loon war 1602 Gründungsmitglied der Niederländischen Ostindien-Kompanie - ein wahre Gelddruckmaschine. So war es finanziell durchaus im Bereich des Möglichen, das reich ausgestattete Grachtenhaus als Hochzeitsgeschenk in der Familie weiterzureichen. Heute sind die original erhaltenen Möbel, Bilder und Skulpturen um wechselnde Kunstwerke aus dem Fotografiemuseum FOAM ergänzt, das direkt gegenüber auf der anderen Seite der Keizersgracht liegt. Die Schönheit liegt bei diesem Haus aber nicht nur im Detail, vom Porzellan über die reich gedeckte Tafel bis hin zur bestens ausgestatteten Küche mit Kupfertöpfen im Souterrain.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

9 / 16

Im Museum van Loon ist auch noch das Ensemble erhalten, zu dem das Grachtenhaus, der Garten und das Kutscherhaus dahinter gehört. Wer sich beim Anblick des Bildes nun fragt: Welches Kutscherhaus? Die prachtvolle Fassade im rückwärtigen Teil des Gartens ziert tatsächlich das Gebäude, in dem Pferde, Kutscher und deren Familien untergebracht waren. Die Fahrzeuge verließen die Stallung hinten hinaus zur Kerkstraat. Heute sind darin neben Kutschen und Schlitten auch das kleine Museumscafé untergebracht, vor der Treppe sind ebenfalls Tische aufgestellt - so lässt sich die Ruhe und Schönheit des Gartens genießen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

10 / 16

Nach dieser kleinen Pause geht es weiter zu den berühmtesten Brücken in Amsterdam: die Blauwbrug und die Magere Brug über der Amstel. Allerdings entfaltet die Magere Brug erst beleuchtet nach der Dämmerung ihren Charme: Tagsüber ist die kleinere Walter Süskindbrug (im Bild) gleich neben der Blauwbrug weitaus reizvoller.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

11 / 16

Vom Brücken-Trio aus ist man selbst zu Fuß schnell in der Staatstraat - einfach links am Opernhaus vorbei, die erste Brücke ist schon Teil dieser schmalen Einkaufsstraße mit kleinen Läden, die es in sich haben: vor allem bei "Puccini Bomboni" (Staalstraat 17, aber auch in der Singel 184). Hier werden Pralinen in Petit-Four-Größe verkauft, von denen zwei bis drei so satt machen wie eine Sachertorte - und sogar noch besser schmecken. Der Favorit der Verkäuferin ist die Praline mit Cranberry, eine ebenso gute Wahl ist die mit Pistazienmarzipan.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

12 / 16

Ein ebenfalls exklusives, aber etwas teureres Vergnügen findet man ein paar Türen weiter im Laden des Designer-Kollektivs "Droog Design" (Staalstraat 7). Hier hängen Kleider im unteren Hundert-Euro-Bereich, im Nebenraum stehen auf den ersten Blick unauffällige Gegenstände wie diese hellgraue Stuhl-Tisch-Kombination. Das "Bitte-nicht-berühren"-Schildchen neben dem Preisschild macht neugierig - wer aber keine 20.000 Euro in der Reisekasse übrig hat, nimmt dann doch lieber Design-to-go für wenige Euro mit, etwa einen Stempel.

Hinter dem Shop ist ein kleiner Garten, im ersten Stock ein Café, in dem sogar im Aquarium mit Neonfischen eine eigene kleine Design-Tischgruppe versenkt ist - und auch das Hotel ist Konzept pur: Hier ist nur ein einziges Zimmer zu haben.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

13 / 16

Nach diesen kleineren und größeren Einkaufserfolgen ist es Zeit für eine Pause vor der abendlichen Grachtenfahrt: im "Café de Jaren" (Nieuwe Doelenstraat 20-22) mit Blick auf die Amstel. Hier hat man die Wahl zwischen dem Café im Erdgeschoss samt Bar, von 17.30 Uhr an ist zudem das Restaurant im ersten Stock geöffnet. Bei warmen Wetter sollte man aber auf jeden Fall die kleine Terrasse fast auf Wasserhöhe vorziehen: Auf der Amstel sind dann neben kleineren und größeren Ausflugsschiffen auch die Amsterdamer selbst in ihren privaten Booten unterwegs, die sie mit Sitzkissen und Bier- oder Weinflaschen feierabendtauglich gemacht haben. Rings um einen sitzen auf der Terrasse die Einheimischen, die nach der Arbeit lieber am statt auf dem Wasser verweilen.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

14 / 16

Mit dem Rad oder der Straßenbahn geht es anschließend zur Centraal Station, wo bis spät abends noch Boote zur Grachtenfahrt ablegen: Diese sind kaum besetzt, dabei ist die Stimmung in der Abenddämmerung besonders schön. Und mit dem Untergehen der Sonne knipsen die Grachtenanwohner ihre Lichter in den Steinhäusern und Hausbooten an und geben so den Blick frei auf eine oft exklusive Einrichtung - in dem Viertel der reichen Kaufleute leben noch immer die Wohlhabenden der Stadt.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Katja Schnitzler

15 / 16

Im Dunkeln zeigt sich der Grachtengürtel fast von seiner schönsten Seite, so dass nur die Müdesten nach der Rundfahrt ins Hotel wollen. Alle anderen radeln oder spazieren nochmal zur Westerkerk, hinter der die Leliegracht die Prinsen-, Keizers- und Herengracht verbindet - sie ist schmal, aber besonders schön.

Amsterdam Niederlande Städtereise Städtereisen Fahrrad Rad Grachten

Quelle: Jessy Asmus für SZ.de

16 / 16

Auf den ersten Blick überschaubar, aber bequemer mit dem Rad zu bewältigen: ein Tag im Grachtengürtel von Amsterdam.

Hier finden Sie die Tipps für einen weiteren Tag - und die Reportage "Radfahren in Amsterdam - Wer bremst, verliert".

© SZ.de/ihe/ghe
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: