Alpen: Osttirol:Berge günstig abzugeben

In Kartitsch wundert man sich: Die österreichische Bundesimmobiliengesellschaft will zwei Berge oberhalb des kleinen Dorfs in Osttirol verkaufen.

Daniela Dau

Beschaulich liegt das Bergsteigerdorf Kartitsch in den Osttiroler Alpen, umgeben von imposanten Bergen. Auf ihrer Internetseite wirbt die Gemeinde mit saftigen Wiesengründen, steilen Felsen und den vielen Wander- und Klettermöglichkeiten - ganz so, als ob die ganze Natur ringsherum wie selbstverständlich zu ihr gehören würde.

Das Bergmassiv der Großen Kinigat in den Karnischen Alpen

Eins der Verkaufsobjekte: Der Große Kinigat

(Foto: Felsigel / CC-BY-3.0)

Doch das war ein Irrtum, wie die Gemeindeoberen jüngst feststellen mussten. Zwei der bekanntesten Gipfel, zu denen die 840 Einwohner von Kartitsch aufschauen, könnten bald in fremde Hände übergehen: Sie stehen zum Verkauf.

121.000 Euro sollen der Große Kinigat und der Roßkopf in die Kassen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), eine Dientsleisterin der Republik Österreich, spülen - das macht angesichts einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratmetern gerade mal etwas mehr als zehn Cent für den Quadratmeter. Diesen Wert hat nach Angaben der BIG ein unabhängiges Vergleichsgutachten ergeben. Von einem "der schönsten Aussichtspunkte der Karnischen Alpen und damit ein gern bestiegener Berggipfel" ist seither auf der Internetseit der BIG die Rede. Kartitschs Bürgermeister Außerlechner betrachtet die Szenerie etwas nüchterner: "Das ist Ödland, nur zu Fuß nach eineinhalb Stunden Marsch erreichbar. Felswände und Schotterfelder sind alles, was es dort gibt", sagte er sueddeutsche.de am Telefon.

Genehmigung für einen Klettersteig

Dass die BIG Eigentümerin der zwei Berge ist, erfuhren Außerlechner und sein Vize Leonhard Draschl erst vor zwei Jahren, als sie die Genehmigung für den Bau eines Klettersteigs einholen wollten. "Wir sind davon ausgegangen, dass das sozusagen unsere Berge sind", sagte Draschl der in Österreich erscheinenden Kleine Zeitung. Ohne ihr Wissen hatte die Republik Österreich die Gipfel im Jahr 2001 mit etwa 5000 anderen Liegenschaften an die Immobiliengesellschaft weitergegeben. Der Große Kinigat (2689 Meter) und der Roßkopf (2600 Meter) sind die einzigen Berge auf dem Gebiet von Kartitsch im Besitz der BIG, alle anderen gehören Bauern und der Agrargemeinschaft.

Die Genehmigung für die Klettersteige bekam die Gemeinde. Ob sie die dazu benötigten Berge, die an der Grenze Österreichs zu Italien liegen, kaufen wird, ist unklar. "Wir sind zwar gefragt worden und haben unser öffentliches Interesse angemeldet, aber der Preis ist zu hoch", sagte Ortschef Außerlechner, "wir können allenfalls einen symbolischen Betrag von ein paar tausend Euro aufbringen."

Konzentration aufs Kerngeschäft

Das bewertet Stephan Weninger, der Verkaufsleiter der BIG naturgemäß anders. "Der Preis passt", zitiert ihn die Kleine Zeitung, bis jetzt hätten sich bereits 20 Interessenten gemeldet. Warum die Immobiliengesellschaft die Berge überhaupt loswerden will, begründet BIG-Sprecher Ernst Eichinger auf Anfrag von sueddeutsche.de so: "Wir wollen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren, die Bewirtschaftung und Vermietung von Schulen, Universitäts- und Amtsgebäuden." Die Berge seien Liegenschaften wie alle anderen auch, verursachten aber wenigstens keine Kosten und keinen Aufwand. "Im Gegensatz zu anderen Immobilien stehen die Berge halt einfach da", so Eichinger. Allerdings bringen sie der BIG aber auch keinen Gewinn. Die Angebotsfrist zum Verkauf läuft noch bis zum 8. Juli.

Keine Nutzungsänderung möglich

Diesem Datum sieht Ortschef Außerlechner gelassen entgegen, denn eins sei sicher: Großartig etwas ändern werde sich nichts. "Egal, wem die Berge künftig gehören: Der neue Eigentümer muss die bisherige Nutzung als Wander-, Sport- und Freizeitgelände weiter dulden." Diese Nutzung sei aufgrund langjähriger Ausübung nach österreichischem Recht ersessen. "Einzäunen und abschotten geht also nicht." Auch das auf dem Großen Kinigat gemeinsam mit der italienischen Nachbargemeinde Comelico Superiore errichtete Europakreuz, ein Symbol des Friedens zur Erinnerung an das Grauen des Ersten Weltkriegs, dürfe nicht entfernt werden, die alljährlich dort stattfindende Kinigat-Bergmesse könne weiter abgehalten werden.

Wirtschaftlich lohnen dürfte sich der Einkauf für den potentiellen neuen Eigentümer aufgrund der fehlenden Erschließungsmöglichkeiten also nicht. Selbst BIG-Sprecher Eichinger glaubt, dass ein "erhebliches Maß an unternehmerischer Phantasie" nötig wäre, damit sich mit den Bergen Geld verdienen lässt. Und ob allein das schöne Gefühl, einen eigenen Gipfel zu besitzen, 121.000 Euro wert sind?

Bleibt also noch der Klettersteig, der die ganze Aufregung ausgelöst hat. Auch da läuft aus Kartitscher Sicht alles bestens. "In Kürze beginnen die Bauarbeiten und noch in diesem Sommer wollen wir eröffnen", sagte Bürgermeister Außerlechner sueddeutsche.de. Warum die BIG überhaupt den Verkauf von Großem Kinigat und Roßkopf erwägt, ist ihm schleierhaft. "Berge verkauft man doch nicht so einfach, das sind Güter der Allgemeinheit."

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