All inclusive in der Luxusklasse: Dezente Kostenkontrolle, elegant verpackt:Wer ist, wer wär' nicht gerne Millionär

Sie sind schwer zu erkennen, und doch gibt es sie: Die wirklich Reichen an Bord sind zurückhaltend, freigebig - und doch sparsam

Ric Osuna, so um die 30, trägt Boxershorts und riesige Turnschuhe mit Sohlen, die mindestens fünf Zentimeter Höhengewinn bringen. Stets an seiner Seite Chie, die bessere Hälfte und ebenso im Casual-Look. Auffällig nur ihr Modeschmuck, meistens in der Größe XXL. Nein, die beiden aus Las Vegas sehen nicht gerade so aus, wie man sich Millionäre vorstellt. Aber sie geben ein Blatt für Wohlhabende heraus mit dem Titel Millionaire Magazine. Wir treffen Ric und Chie, dienstlich unterwegs an Bord der Megajacht Silver Whisper. Sie wollen während einer zehntägigen Kreuzfahrt rund um England herausfinden, ob sie dieses Schiff ihren Lesern empfehlen können.

An Bord des Luxusliners

Wer ist, nicht wer wird Millionär?, heißt das heitere Ratespiel an Bord von Luxuslinern. Im Bild: Dinner an Deck der Silver Whisper

(Foto: Foto: Tönnishoff)

Sie haben gut gewählt. Immerhin zählen die überwiegend von Amerikanern bevorzugten Silversea-Schwestern Cloud, Wind, Shadow und Whisper zu den wenigen, maximal 15 wirklichen Luxuslinern in der großen Flotte der etwa 300 Ferienschiffe. In den Kreuzfahrtführern schwimmt Silversea Cruises stets in der Spitzengruppe. Die beiden Erstgenannten (17000 Tonnen) bieten Platz für jeweils 296 Gäste und die jüngeren Schwestern Shadow und Whisper (28250 Tonnen) für jeweils 388. Um ihr Wohl kümmern sich 210 respektive 295 Dienstleister. Die Mehrzahl der Suiten verfügt über eigene Terrassen. Das wissen auch unsere Millionaire-Freunde, die sonst in der Luxusliga nur Cruiser von Crystal und Seabourn kennen. Bei Namen wie Europa, Deutschland oder Hanseatic aber stutzen sie: Nie gehört. Die Alte Welt ist offenbar nicht ihre Welt. Und der Törn von Kopenhagen nach Tilbury ist für sie eine neue Erfahrung.

Pflegeprodukte von Bulgari

Auch unsere Millionär-Experten wagen nicht zu schätzen, wie viele ihrer (potenziellen) Leser auf der Passagierliste mit 203 Namen stehen. Und erkennen kann man die Wohlhabenden nicht wirklich. Abgesehen von wenigen neureichen Ausnahmen - "Mein Haus, mein Garten, mein Auto!" -, versteht es ja insbesondere diese Klientel, betont unauffällig aufzutreten. Sollten gewisse Vorurteile zutreffen, gehört auch Sparsamkeit zu ihren ausgeprägten Tugenden.

Dass da etwas dran sein kann, erfahren wir von einer der für die 194 Suiten (Kabinen gibt es nicht) zuständigen Stewardessen. Immer wenn sie morgens die Unterkünfte ihrer Gäste herrichtet, verschwinden von ihrem Wagen im Flur diverse Flaschen mit Duschgel, Haar-Conditioner und Body-Lotion. Dazu muss man wissen, dass Silversea die exklusiven Pflegeprodukte von Bulgari verteilt.

Unter den Reisenden gibt es selbstverständlich auch welche, die geben können. Ein freundliches Ehepaar aus Bal Harbour/Florida bringt uns von einem Landgang als Geschenk ein Riesenkissen mit einer Abbildung des berühmten Luxusliners Normandie mit, weil es "so nett mit uns geplaudert und dabei unsere Begeisterung für berühmte Schiffe registriert hat". Nie zuvor haben wir auf anderen Schiffsreisen von so vielen Mitreisenden Einladungen bekommen, mit ihnen gemeinsam zu speisen. Und stets ordern unsere neuen Bekannten eine gute Flasche Wein - weil die nun einmal zu einem mehrgängigen Gourmet-Menü gehört. Dass der edle Tropfen bei Silversea zum Nulltarif ausgeschenkt wird, wissen natürlich unsere Tischnachbarn. Da die meisten von ihnen schon mehrmals mit Silversea in See gestochen sind, bemerken sie auch, dass - anders als in früheren Zeiten - nicht mehr die Weinkarte gereicht wird und nur zwei, drei Weiße und Rote angeboten werden. Kein Thema, versichert Jens Gorka, der für die Silver Whisper zuständige Food&Beverage-Controller aus Freiburg im Schwarzwald, und betont, dass unverändert unter 25 hochwertigen "complimentary"-Weinen gewählt werden könne. Die jetzige Regelung solle nur schnellen Service begünstigen. Kostenfrei auch der Champagner. Dass die früher in der Werbung stets gerühmte Hausmarke Moet&Chandon kürzlich durch Philipponnat ersetzt wurde, hat nach den Worten von Gorka nur einen Grund: "Wir wollten ein Produkt, das nicht in jedem Supermarkt zu haben ist."

Fest steht: Unter den Silversea-Reisenden sind nur wenige, die ausschließlich Eiswasser zum Menü wünschen - sonst ein Erkennungszeichen für Amerikaner. Sicher gibt es im Durchschnitt auch mehr Raucher als anderswo an Bord, sind doch die Zigaretten kostenfrei. Ja, das von Silversea "erfundene" All-inclusive-Konzept gilt im Prinzip noch heute. Zwar sind die Schiffe dieser italienischen Reederei, die bei ihrem Start 1994 mit Kampfpreisen um etwa 30 Prozent unter denen von Crystal, Cunard, Seabourn, Hapag-Lloyd, Royal Viking & Co. ihre Konkurrenz schockte, schon lange keine Schnäppchen mehr. Mit Katalogpreisen von durchschnittlich 450 Euro pro Reisetag/Gast kreuzen die Silversea-Liner nun auf gängigen Kursen in der Oberliga. Und wie bei der Konkurrenz merkt man nun auch bei Silversea, dass Sparkommissare in der Luxusklasse kein Tabu mehr sind. Ein früher bei jeder Kreuzfahrt kostenfrei angebotener Ausflug (Silversea Experience) ist zumindest bei unserem Törn gestrichen. Die Stewardessen aus Skandinavien, zuständig für Ordnung in den Gäste-Suiten, wurden überwiegend durch junge Frauen aus Fernost ersetzt - vermutlich, weil sich das mehr "rechnet". Und im Restaurant registrieren wir neben Luxusschiff-erfahrenen Dienstleistern vermehrt Angelernte.

Aber auch viele Gäste scheinen mehr zu rechnen. Auf Ausflügen bekommen Reiseleiter und Busfahrer nur noch selten ein Trinkgeld (vielleicht, weil es auf den Silversea-Schiffen abgeschafft ist?). Und dass der Edeljuwelier Bulgari auf unserer Reise seine Filiale an Bord der Silver Whisper aufgibt, kann nur einen Grund haben: Die Zahl der Knauser muss angestiegen sein. Nein, Ric und Chie, die Experten für Millionäre, können das nicht bestätigen. Sie haben gerade in fröhlicher Runde eine Flasche Philipponnat geköpft und genießen die Seereise. Wir sind ganz sicher, dass die Silver Whisper den Lesern ihres Magazins als ein Cruiser in Bestform empfohlen wird. Zu Recht.

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