Ägypten-Reise nach der Wahl:"Nur wenn Blut fließt, bleiben Touristen weg"

In Ägypten regiert jetzt Mohammed Mursi, ein Islamist. Trotzdem hoffen die Einheimischen, dass wieder mehr Urlauber kommen, obwohl plötzlich von Bikini- und Alkoholverboten die Rede ist.

Karin El-Minawi

Ayman Adawy sitzt in einem Kaffeehaus in Khan Khalili, Kairos riesigem Souvenir-Basar, trinkt Tee und blättert entspannt in der Zeitung. Adawy ist kein Kunde, er ist Kellner. Um ihn herum ist es ruhig, die meisten Läden sind geschlossen. Auch zur Mittagszeit herrscht auf dem größten Markt Afrikas gähnende Leere. Adawys Café hat gerade drei Gäste: Ägypter, die sich über die Zukunft des Landes unterhalten.

Tourism in Egypt

Tourismus ist wichtig, damit Ägyptens Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Doch die Besucher kommen nur zögerlich wieder.

(Foto: dpa)

Mit der Wahl des neuen Präsidenten Mohammed Mursi, eines ehemaligen Angehörigen der islamistischen Muslimbrüder, soll Stabilität einkehren, aber die Islamisten reden von Bikini- und Alkoholverboten und Stränden, an denen die Gäste nach Geschlechtern getrennt baden sollen. Gift für eine ohnehin gebeutelte Branche. "Normalerweise gibt es um diese Uhrzeit kaum einen leeren Tisch, doch seit der Revolution ist alles anders", sagt Adawy.

Durch den Umbruch vor 17 Monaten hat das Café 70 Prozent seiner Kundschaft verloren: Die Urlauber kommen nicht mehr nach Ägypten. Für Adawy ist es schwierig, seine sechsköpfige Familie zu ernähren. Er hofft, dass mit dem neuen Präsidenten der Tourismus wieder einen Aufschwung erlebt.

Und so wie er hoffen viele: Jeder sechste Ägypter lebt vom Tourismus. Die Branche ist eine der Säulen der ägyptischen Wirtschaft. Nach den Zahlen der ägyptischen Tourismusföderation kamen vor der Revolution fast 15 Millionen Gäste nach Ägypten, sie brachten dem Haushalt 12,5 Milliarden Dollar, also knapp zwölf Prozent des Bruttosozialprodukts. Ein Fünftel der Deviseneinnahmen stammt aus dem Tourismus. Aber im vergangenen Jahr sank die Zahl der Urlauber um mehr als ein Drittel: Nur neun Millionen Urlauber haben das Land am Nil besucht.

"Wir sind auch schockiert"

Wagdi al-Kerdany, Vize-Direktor der Ägyptischen Tourismusföderation, gibt sich dennoch zuversichtlich. Zwar hat auch er Bedenken, weil in Mursi nun ein Islamist das höchste Staatsamt innehat. "Seit seinem Sieg sind viele Stornierungen eingegangen. Kein Wunder. Wenn man hört, was die Islamisten mit dem Tourismus vorhaben, sind auch wir schockiert", sagt Kerdany.

Doch in jüngster Zeit haben sich die Muslimbrüder von vielen abschreckenden Vorschlägen zumindest öffentlich distanziert. Jüngst betonte Präsidentensprecher Yasser Ali al-Afdal, der Tourismus sei eines der wichtigsten Anliegen des neuen Staatschefs, das Wachstum der Tourismusbranche könne nur durch Stabilität und eine für Touristen angenehme Atmosphäre erreicht werden. Innerhalb der ersten 100 Tage wolle Mursi die Wirtschaft ankurbeln. Der Tourismus spiele dabei eine große Rolle.

Kerdany glaubt ihm: "Um die Wirtschaft auf Vordermann zu bringen, braucht er eine Industrie, die in kürzester Zeit die Steuerkassen füllt. Das kann nur der Tourismus. Und Mursi weiß das", sagt Kerdany. Schon bald werde die Branche aus ihrem Koma erwachen. "Sterben wird der Tourismus nie", sagt Kerdany.

Das Tourismusministerium versucht, mit teuren Werbekampagnen und Niedrigpreisen Touristen anzulocken. Und seit Beginn des Jahres sind die Zahlen im Vergleich zu 2011 bereits um knapp 30 Prozent gestiegen. Noch aber macht Ehab Kamel, Manager des Hotels Kanabesch in der Naama Bucht in Scharm el-Scheich auf der Sinai-Halbinsel, nur Verluste. Derzeit sind nur 20 Prozent seiner 120 Betten belegt. Doch es geht bergauf: Für Juli und August sind 70 Prozent der Zimmer reserviert.

Ein neuer Präsident bedeute Stabilität, sagt er, und das sei wichtig für den Tourismus. Kamel meint: "Die Touristen bleiben nur aus, wenn Blut fließt. Da Mursi gewonnen hat, können wir uns auf ruhigere Zeiten freuen und auf eine boomende Saison."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: