Muttekopfhütte Tirol:Yoga auf der Alm

Muttekopfhütte Tirol Österreich

Jodelkurse und eine Terrasse "für die Yogamädels": Bei seiner Innovationsfreude stützt sich Andreas Riml auf gesunden Menschenverstand.

(Foto: Muttekopfhütte)

Allein auf die Bergsteiger und Wanderer will sich der Wirt der Muttekopfhütte nicht mehr verlassen - und lässt sich einiges Ausgefallenes einfallen, um Gäste anzulocken. Manchmal wundert er sich allerdings über die Geister, die er rief.

Von Dominik Prantl

Dieser Beitrag ist erschienen am 27. Juni 2013. Wir haben die Übernachtungspreise aktualisiert. Darüber hinaus ist der Text unverändert.

Es ist sieben Uhr morgens, und die Reste der nächtlichen Gewitterwolken hängen als weiße Fetzen in den Felsen. Andreas Riml sitzt trotz der empfindlichen Kühle im T-Shirt auf der Terrasse seiner Hütte, vor ihm ein Haferl Kaffee und die Weite des Alptals, das sich nach Imst hinab öffnet. Seit 14 Jahren ist Riml der Wirt der Muttekopfhütte, aber dieses Morgenkaffee-Panorama-Ritual lässt er sich als Chef genauso wenig nehmen wie die Zubereitung des Frühstücks. Er sagt: "Da wird mir immer wieder bewusst: Ich gehöre zu den Glücklichen."

Wenn man Riml so dasitzen sieht, fällt einem die Sache mit dem Apfel und dem Stamm ein - und was der Wirt am Vorabend über seinen erwachsenen Sohn erzählt hat: "Der hat die Ruhe weg." Rimls Ruhe verwirrt ein bisschen. Auf seinem Posten hatte man sich ob des Hüttenprofils eher einen dynamischen Künstler vorgestellt oder zumindest einen drahtigen Kletterer. Riml aber war selbständiger Tischler gewesen, ehe er mit knapp 40 Jahren merkte: "Am besten hat es mir während der Zeit gefallen, als ich auf einer Alm gearbeitet habe."

Er bewarb sich für die Muttekopfhütte, wie 15 andere auch. "Und dann hatte ich etwas Glück." Noch ein bisschen mehr Glück hatte wohl die Sektion Imst-Oberland des Österreichischen Alpenvereins, die den Wirt suchte. Sie wählte einen Tischler mit Almerfahrung, aufgewachsen im Gast- und Landwirtschaftsbetrieb der Eltern. Und bekam einen Strategen.

Früher hätte man die Umgebung der Hütte so genommen, wie sie ist. Und womöglich hätte das den Bergfreunden genauso genügt wie einst Fußballfans ihre Stehplätze in Stadien, die noch Kampfbahn hießen statt Arena.

Denn die Umgebung ist, um es kurz zu fassen, phantastisch. Die Hütte liegt an dem Lechtaler Höhenweg und dem E5-Fernwanderweg. Gleich ums Eck gibt es klassische alpine Touren, die durch die Felsen führen, und Klettergärten, in denen Routen mit vielsagenden Namen wie "Schnipp, Schnapp" oder "Fips for Kids" die mit Haken verkleideten Wände erschließen. Am anderen Ende der Schwierigkeitsskala stehen "Power come back", "Schleudersitz" oder "Ballerfrau". Auch zwei Klettersteige wurden angelegt, der Imster Klettersteig als Armkraft-Prüfung schon 1989 und nur für Könner. Die Kletterer, Wanderer und Bergabenteurer kommen angesichts dieses Angebots beinahe zwangsläufig, vorzugsweise während der Saison und am Wochenende. Ob sie über Nacht oder gar mehrere Nächte bleiben, ist wieder eine andere Frage.

Genauso wenig, wie sich ein gutes Hotel mit dem Strand davor und dem Freizeitangebot im Hinterland begnügt, wollte Riml nicht nur auf den Reiz der Berge vertrauen. Sein Credo: "Die Hütten müssen sich etwas einfallen lassen." Sein Trumpf: Von der Bergstation des Lifts ist es nur eine halbe Stunde zur Hütte. Sein Problem: Man konnte das Gebäude auch bei der Generalsanierung 2004 nicht vergrößern, weil der kleine Felsriegel dahinter als Lawinenbremse fungiert. Genauso wenig konnte er die Zahl der Zimmer oder Betten erhöhen. Es sollte zudem eine Berghütte für Wanderer und Kletterer bleiben und keine Sterne-Unterkunft für russische Milliardäre oder sinnsuchende Manager werden. Außerdem ist eine radikale Erhöhung der Preise alleine wegen der Auflagen des Alpenvereins nicht möglich.

Als einzige Stellschraube blieb die Auslastung. Weil Ferien und Wochenenden ohnehin ausgebucht sind, konzentriert er sich auf die Wochentage in Vor- und Nachsaison. "Schon auf der Alm habe ich gewisse Kurse angeboten, um die Saison zu verlängern", sagt Riml.

Hütte, was ist das?

Nun gibt es also Yoga- und Kletterkurse, Kurse für Jodlerinnen und Jodler oder die Möglichkeit, Hochzeiten hier zu feiern. Im Angebot stehen ferner "Interaktive Familienwanderungen", "Krippen-Hintergrund-Malen" und "Keramische Wagnisse", deren Ergebnisse man auch als Kunstbanause nur zu gerne einmal sehen würde. Das Nepalfest findet heuer schon zum fünften Mal statt und ergänzt kulinarisch weniger Internationales wie das Schlachtschüsselessen. Gut speisen kann man auf der Muttekopfhütte bei zwei ausgebildeten Köchen sowieso, wobei die Halbpension mit Abendmenü für Alpenvereins-Mitglieder im Matratzenlager schier lächerliche 35 Euro kostet. Wenn man so will, schaffte Riml damit eine Hütte der Mitte, in der jeder eine Heimat finden soll.

Bei seiner Innovationsfreude stützt sich Riml weniger auf ausgefeilte Marktforschung als auf gesunden Menschenverstand: "Was man selbst gerne macht, machen auch die meisten anderen gerne." Außerdem stellte er fest, dass gerade die räumliche Begrenztheit einen Standortvorteil bedeutet. "Hier können die Leute nicht davonspringen. Viele Teilnehmer finden aber gerade die Gespräche außerhalb der offiziellen Kurszeiten besonders gut." Riml weiß aber auch, dass seine Hütte als Inselbetrieb nicht funktionieren würde. Er sucht die Kooperation mit den Bergbahnen und den Tourismusverbänden, mit Kletterhallen und Veranstaltern; und er sagt: "Die Hütte hat heute die Rolle des Gasthauses übernommen." Der Platz, wo Leute zusammenkommen sollen.

Weil er es bei all dem schaffte, nicht beliebig zu wirken, sitzen beim Abendessen alte Bergführer neben feiernden Jungbauern aus der Region und botanisch interessierten Familienmüttern. Sie werden von einem Nepalesen bedient, während Riml im Hintergrund bei einer Flasche Rotwein vom Neusiedler See über seinen jüngsten Coup sinniert. "Vor kurzem habe ich eine Terrasse für die Yogamädels gebaut."

Manchmal wundert er sich über die Geister, die er rief. "Ich muss Leute aufklären, die zu mir kommen und keine Ahnung haben, was eine Hütte ist." Rheinländer, die zu einer privaten Feier in Tracht auflaufen, als gehe es um eine Modenschau, und sich dann über die Mehrbettzimmer wundern. Kerle, die den Rollkoffer ihrer Liebsten über den nahezu horizontal verlaufenden, aber steinigen Drischlsteig von der Bergstation rüberschleppen durften. Hobbyalpinisten, die sich auf dem gleichen Felsen-Wanderweg mit Karabinern in die Seilsicherung einklinken und auf der Hütte meinen: "So schwer ist dieser Imster Klettersteig doch gar nicht." Der Imster Klettersteig verläuft durch die Steilwand des Maldonkopfes und ist mit dem Drischlsteig ungefähr so einfach zu verwechseln wie ein Murmeltier mit einer Almkuh.

Riml aber urteilt nicht. Er amüsiert sich vielleicht, resümiert und analysiert. Demnächst will er auch ein paar Tage im Winter öffnen, probehalber. "Bei den Lawinenkursen gibt's noch Potenzial." Besonders für diese Zeit hätte er dann noch einen Wunsch: "Die kleine Sauna", sagt er, "steht schon flugbereit bei mir im Garten."

Grafik Muttekopfhütte Tirol Österreich
(Foto: SZ Grafik)

Informationen

Anreise: Von München nach Garmisch und über den Fernpass nach Imst. An der Talstation Hoch-Imst parken; in zweieinhalb Stunden über die Latschenhütte zur Muttekopfhütte laufen oder mit der Bahn bis zur Bergstation fahren und von dort in 20 Minuten rüberqueren.

Unterkunft: Muttekopfhütte, Familie Riml, Tel.: 0043/664/1236928, www.muttekopf.at; Übernachtung ab 16 Euro, HP ab 43 Euro. Übernachtung für AV-Mitglieder ab 8 Euro, HP ab 35 Euro. Geöffnet bis 13. Oktober.

Touren: Neben Wandergipfeln sowie Sport- und Alpinkletterrouten aller Schwierigkeitsgrade gibt es den kurzen Wasserfall-Klettersteig und den sehr schwierigen Imster-Klettersteig (D).

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