Kreuzfahrt-Simulator für die Crew:"Kapitän, Feuer im Maschinenraum!"

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Im Maritimen Trainingszentrum nahe Amsterdam üben Offiziere von Kreuzfahrtschiffen, wie sie sich in gefährlichen Situationen richtig verhalten. So sollen Havarien wie die der "Costa Concordia" vermieden werden. Manchen Teilnehmern ist die Simulation fast schon zu realistisch.

Das Meer ist bleigrau, die Wolken hängen tief. In der Ferne ist der Hafen von Amsterdam zu erkennen. Langsam nähert sich das Kreuzfahrtschiff Costa Due der Küste. "Speed is okay", meldet der Erste Offizier auf der Brücke des Kreuzfahrtschiffes. "Wind seventeen knots." Geschwindigkeit in Ordnung, Windstärke 5, Kapitän Giuseppe Russo nickt zufrieden. Der Kapitän ist echt, das Schiff nicht.

Am 13. Januar 2012 havarierte die Costa Concordia vor der Insel Giglio. (Foto: Reuters)

Russo steht im Schiffs-Simulator des Maritimen Trainingszentrums (CSMART) in Almere bei Amsterdam. Dort werden Krisensituationen an Bord geübt - vom Manöver "Mann über Bord" bis hin zum Brand im Maschinenraum. Nach dem Unglück der Costa Concordia Anfang des Jahres vor der italienischen Insel Giglio mit 32 Toten fragten sich viele, wie es überhaupt zu einem solchen Unfall kommen konnte. Das hilflose Agieren von Francesco Schettino, des Kapitäns des Havaristen, nahm den Gästen von Kreuzfahrtschiffen das Vertrauen. Muss ein Offizier nicht besser reagieren? Doch, sollte er.

"Aber Menschen machen Fehler", sagt Gabriele Petruzzelli, einer von zehn festen Trainern aus vier Nationen bei CSMART. Und daher werde in Almere auch geübt, auf der Brücke als Team zu funktionieren, um Fehlentscheidungen Einzelner schnell korrigieren zu können. Auf der Brücke der Costa Due steht Kapitän Russo hinter seinen Offizieren. Diese fixieren auf einmal besorgt die Anzeigetafeln. "Wir haben Probleme mit dem Seitenruder." Eine Entscheidung muss getroffen werden, und das schnell. Das Anlegen im Hafen ist ohne diese Lenkhilfe nicht möglich. Schiffe haben lange Bremswege - und die Kaimauer kommt näher.

Russo bespricht sich kurz mit dem Ersten und Zweiten Offizier und gibt dann das Zeichen zum Abdrehen über Backbord. Rechtzeitig, der Trainer ist zufrieden. "Gute Zusammenarbeit", lobt er. Russo lächelt unsicher, die Situation ist für ihn nicht einfach.

Ein Kapitän war über Jahrhunderte unangefochten der erste Mann an Bord. "Auch heute noch hat der Kapitän oft das letzte Wort bei kritischen Manövern." Die Crew als reine Befehlsempfänger ist nicht nur langweilig für die Mannschaft. So sammelt auch keiner Führungserfahrung, was bei Unglücken gefährlich werden kann. Daher ist das Ziel, Schiffscrews in wechselseitiger Verantwortung arbeiten zu lassen.

Die Checkliste von Kapitän Russo ist auch neu. "In einer Gefahrensituation muss jeder Punkt abgearbeitet werden", sagt Trainer Petruzzelli. "Bislang gab der Kapitän aus seiner Erfahrung heraus spontan die Befehle." Und da kann in der Hektik schon mal etwas aus dem Blick geraten.

Zudem ist bei Notfällen Geschwindigkeit wichtig: "Wenn ein Feuer im Maschinenraum in Sekunden gelöscht werden kann - was möglich ist - haben wir nur ein paar tausend Euro Schaden", sagt der Trainer für den Maschinenraum, Paul Fairbrother. "Aber nach ein paar Minuten können es auch schon ein paar Millionen sein." Dafür trainiere er vor allem die Angst vor dem roten Alarmknopf weg. "Die Leute haben Hemmungen, da draufzudrücken - manche nähern sich ihm in Zeitlupentempo."

Bei CSMART werden seit 2009 Kapitäne und Offiziere des weltweit größten Kreuzfahrt-Unternehmens geschult, der britisch-amerikanischen Carnival Corporation & PLC mit Hauptsitz in Miami/Florida. Für den Großkonzern fahren weltweit rund 100 Schiffe von knapp einem Dutzend Reedereien wie Cunard Line, Aida Cruises und Princess Cruises. Dieses Jahr werden es rund 2000 Mann sein, die in dem grauen Bürogebäude in Almere vor den beiden Simulatoren in Kinoleinwandgröße und sechs kleineren Simulatoren Unglücke und das neue Miteinander üben. Die Kurse dauern meistens fünf Tage.

Strukturiertes Vorgehen im Alarmfall, Checklisten, psychologisches Training - und trotzdem passiert einem Kapitän ein Desaster wie Francesco Schettino? "Kapitän Schettino war leider noch nicht bei uns", wiegelt Petruzzelli ab. Auf der Costa Due unterhält sich die Crew von Kapitän Russo mit dem Lotsenkapitän Kranendonk.

Der geleitet normalerweise im Hafen von Amsterdam Schiffe an die Pier, bei CSMART bildet er regelmäßig aus. Gerade hat er mit seinen Kollegen am zweiten Simulator die Ausfahrt aus dem sehr engen Hafen von Port Everglades in Florida geübt. Und eine Fahrt im Sturm. "Vor dem Simulator reagiert man wie im richtigen Leben", ist seine Erfahrung. "Wir hatten sogar Kollegen hier, die seekrank wurden."

© Hilke Segbers/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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