Historischer Wettlauf am Zwölferkofel:Die Letzten werden die Ersten sein

Lesezeit: 2 min

Der Zwölferkofel ist einer der bekanntesten Gipfel der Sextener Dolomiten. Wer hier eine Erstbegehung vorweisen konnte, zählte zu den besten Bergsteigern seiner Zeit. Am 30. Juli 1932 wurde es ein Wettrennen. Zwei Brüder griffen gar zu unsauberen Tricks.

Stefan Herbke

Der Erste auf dem Gipfel sein, das war einst das Ziel passionierter Kletterer. Anfang der 1930er Jahre war dieser Traum schon lange ausgeträumt, zumindest in den Dolomiten. Hier konnte es nur noch darum gehen, als Erster bisher noch nicht gewagten Routen zu bewältigen. Am Zwölferkofel in den Sextener Dolomiten fanden wagemutige Kletterer in Kniebundhosen genug Möglichkeiten, sich zu beweisen. Doch für den Ruhm griffen manche zu unsauberen Tricks.

Listig zum Erfolg: Bergsteiger-Brüder Toni und Franz Schranzhofer, hinter ihnen die Nordkante des Zwölfers. (Foto: TVB Hochpustertal)

Lange galt der imposante Koloss aus gelblich-schwarzem Fels als unbezwingbar. Erst 1874 erreichte das bekannte Sextener Bergsteiger-Duo Michel und Johann Innerkofler erstmals den Gipfel. Dafür wählten die Brüder ihren Weg durch die sogenannte Eisrinne zwischen dem Mittleren und dem Hohen Zwölfer. In den folgenden Jahren wurden Routen durch die Ostwand, die Nordostwand und schließlich die Nordschlucht erkundet - doch eine Variante blieb lange unangetastet: die markante Nordkante, die sich in eleganter Linie oberhalb der durch Risse und Kamine gegliederten Nordwand bis auf den 3094 Meter hohen Gifpel zieht.

Wie schwierig der Weg über die Nordkante war, wussten auch die Brüder Franz und Toni Schranzhofer, die in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Kletterern ihrer Zeit zählten. Im September 1931 wagten die beiden ebenfalls aus Sexten stammenden Bergsteiger einen ersten Anlauf - ohne Erfolg. Nach einem Biwak mussten sie abbrechen und wieder absteigen.

Nur den Ersten gebührt die Ehre, das hatten die Schranzhofers bitter erfahren. 1928 gelang Toni Schranzhofer mit seiner Seilschaft zwar an der benachbarten Einserkofel-Nordwand die zweite Begehung, doch in Erinnerung blieben die Erstbegeher Steger/Wiesinger, die 1928 erstmals den Nordpfeiler durchstiegen. Ein Erfolg, der am Stolz der Sextener nagte, schließlich sollten die wichtigsten Erstbegehungen in den Sextener Dolomiten von den lokalen Bergsteigergrößen getätigt werden - und nun hatten dies ausgerechnet der Bayreuther Hans Steger und die Bozenerin Paula Wiesinger vor ihnen geschafft.

Das Bergsteiger-Paar hatte zu dieser Zeit schon viele anspruchsvolle Routen in den Wänden der Dolomiten erschlossen. Ende Juli 1932 tauchten sie am Fuß des Zwölferkofels auf, um die Nordkante in Angriff zu nehmen. Die Kunde von ihrer Anwesenheit verbreitete sich schnell im Sextental - und zwang die Schranzhofer-Brüder zum Handeln. Dieses Mal wollten sie sich den Ruhm nicht nehmen lassen.

Zeitvorsprung dank einer List

Für die Gäste, mit denen sie gerade unterwegs waren, wurden kurzerhand Ersatzführer organisiert und alles nötige Material nach einem nächtlichen Abstieg in Sexten geholt. Beim Anstieg zum Fuß der Zwölfer-Nordwand vergaßen die Brüder nicht, den Wirt der Zsigmondy-Hütte zu bitten, die erfolgreiche und sieggewohnte Seilschaft Steger/Wiesinger ruhig ein Stündchen später zu wecken.

Damit waren die Pläne von Steger und dessen Seilpartnerin durchkreuzt. Als die beiden morgens die Wand erreichten, hatten die Schranzhofers schon mehrere Seillängen Vorsprung. Und den konnten sie halten, auch weil sie alle Haken wieder herausschlugen, um die Verfolger auf Distanz zu halten.

Erst vier Stunden nach den Schranzhofers erreichte die Seilschaft Steger/Wiesinger am 30. Juli 1932 den Gipfel - der Wettlauf um die Erstbegehung der Nordkante des Zwölfers und damit eine der schwierigsten Klettereien der Sextener Dolomiten war entschieden.

Veranstaltungstipp

Die Erstbesteigung der Zwölfer-Nordkante ist Thema der 2. Bergwoche Michl Innerkofler (noch bis zum 4. August 2012). Die Bergwoche fand erstmals im Sommer 2011 zu Ehren des Sextener Bergsteigers Michl Innerkofler (1848 - 1888) statt. Neben einem Bergsteigerfest in Sexten mit Bergfeuer am Zwölferkofel, einem Diavortrag zum Wettlauf am Jubiläumstag der Erstbesteigung (30.7.2012) und einem Filmabend (1.8.2012), werden die ganze Woche über ausgewählte Wanderungen und Klettertouren rund um den Zwölferkofel angeboten.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bergsteigerin Paula Wiesinger
:Eine Frau klettert allen davon

Paula Wiesinger gehörte Anfang der 1930er Jahre zu den besten Bergsteigerinnen Europas - und machte auch auf Skiern eine meisterliche Figur.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: