Fliegen mit Kindern:Wir sollen draußen bleiben

In Australien behauptet eine Rentnerin, durch Kinderschreie an Bord taub geworden zu sein, in den USA fordern Passagiere Flüge nur für Erwachsene - davon wollen Airlines aber nichts wissen.

Daniela Dau

Fluggäste haben es nicht immer leicht: Von hinten bohren sich fremde Knie in den Sitz, der Nachbar dünstet Mund- und Körpergeruch aus, beginnt schon vor dem Start zu schnarchen und springt sofort nach der Landung auf, um seinen Rollkoffer aus dem Gepäckfach zu zerren. Und noch einen Feind hat eine wachsende Zahl von Passagieren während des Fluges ausgemacht: schreiende, strampelnde, unkontrollierbare Kinder. Vor allem, wenn es nicht die eigenen sind.

In Zeiten, in denen strengere Sicherheitsvorkehrungen, ausgebuchte Flüge und engere Kabinenaufteilung an den Nerven zerren, kann ein brüllendes Kleinkind der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Geschüttelt und in den Sitz geworfen

Die australische Fluggesellschaft Qantas sah sich kürzlich mit der Klage einer US-Touristin konfrontiert: Sie sei auf einem australischen Inlandsflug durch das schrille Schreien eines dreijährigen Jungen angeblich taub geworden. Die 67-Jährige hatte mit blutenden Ohren das Flugzeug verlassen müssen. Bevor die Ursache für den Verlust ihres Hörvermögens vor Gericht geklärt werden konnte, einigte sich die Airline mit der Geschädigten auf eine vertrauliche Vereinbarung. Auf einem Inlandsflug in den USA soll eine 42-Jährige kürzlich einen kleinen Jungen aus seinem Sitz hochgehoben, geschüttelt und wieder zurückgeworfen haben: Der Dreijährige habe von hinten gegen ihren Sitz getreten und seine Füße auf das Kopfteil gelegt.

Die US-Airline AirTran verwies Anfang 2010 eine Familie noch vor dem Start aus einem Flugzeug mit Ziel Fort Myers, Florida: Die dreijährige Tochter hatte ihre Eltern geschlagen und sich geweigert, sich auf ihren Sitz zu setzen. Und im Oktober musste eine Mutter einen Inlandsflug der Southwest Airlines verlassen: Ihr zweijähriger Sohn hatte auf dem Weg zur Startbahn fortlaufend "Los, Flugzeug, los!" und "Ich will Papa!" geschrien. Da entschloss sich die Crew, zurück ans Gate zu rollen.

Eine Umfrage der Billigflug-Suchmaschine Skyscanner hat ergeben, dass 59 Prozent der kinderlosen Befragten Familien mit Babys und Kleinkindern in einem eigens für sie bestimmten Bereich platziert sehen wollen. 17 Prozent sprachen sich sogar für kinderfreie Flüge aus.

Klagen im Internet

Der Widerstand gegen das gemeinsame Flugerlebnis mit anderer Leute Kindern artikuliert sich längst nicht mehr nur in Blogs oder speziellen Klage-Foren. Der US-Amerikaner Ian Burford hat bei Facebook eine Gruppe mit dem Namen "Airlines Should Have Kid-Free Flights" (Fluggesellschaften sollten kinderfreie Flüge anbieten) eröffnet. "Ich würde gerne einen Aufpreis für einen kinderfreien Flug bezahlen", erklärte der Vielflieger aus Boston in der New York Times. "Bis dahin wäre mir schon geholfen, wenn ich bei der Flugbuchung sagen könnte: 'Ich möchte nicht neben einem Einjährigen sitzen'." Bisher beschränkt sich die Gefolgschaft in seiner Gruppe zwar auf ein paar hundert Mitglieder.

Erziehungsberechtigte sind gefordert

Doch eins ist vielen, die dort posten, wichtig: Ihr Ärger richtet sich nicht nur gegen die übererregten Kinder, sondern gegen Eltern, die nichts dagegen unternehmen. "Mir scheint, Eltern ist es heutzutage wichtiger, dass sich ihre Kinder grenzenlos verwirklichen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen", schreibt dort ein User. "Kinder wissen es besser, wenn sie besser erzogen wurden", meint ein anderer.

Abgelenkt von den Eltern

Auch die Lufthansa sieht die Verantwortung mehr bei den Erziehungsberechtigten denn bei der Airline. "Eltern sollten sich selbst auf den Flug mit dem Kind vorbereiten", empfiehlt Lufthansa-Sprecher Jan Bärwalde, "und für Ablenkung sorgen. Das kann der zuvor reservierte Platz am Fenster sein, das eigens ausgewählte Kindermenü, das Lieblingsbuch, ein Kuscheltier oder ein Hörspiel." Bei Langstreckenflügen sei es günstig, Nachtflüge zu buchen: "Dann kann das Kind einen Gutteil der Flugzeit verschlafen." Darüber hinaus sollten Flugbegleiter, so Konflikte auftauchen, diese "situativ entschärfen, am besten über das Gespräch".

Über generelle Regelungen oder auch nur gesonderte Familienbereiche im Flugzeug werde derzeit bei der Lufthansa nicht nachgedacht. Genausowenig wie bei Austrian Airlines. "Das ist für uns überhaupt kein Thema", sagte Sprecherin Ursula Berger zu ORF.at. Abgetrennte Familienbereiche oder gar kinderfreie Flüge seien eine "Diskriminierung".

Kein Interesse bei den Fluggesellschaften

Vor allem aber wären solche Regelungen eine enorme wirtschaftliche Belastung für die Airlines. "Ich glaube nicht, dass das kommen wird" polterte David Castelveter, Sprecher des Verbandes der größen US-Fluggesellschaften Air Transport Association in der New York Times. Manche Reiseziele würden nur ein- oder zweimal pro Tag angeflogen: Solle dann einer davon für Familien reserviert werden? Ob Eltern wirklich begeistert seien, wenn ihre Flüge beispielsweise nur noch in den frühen Morgenstunden stattfänden? Und was wäre, wenn statt der zwölf ausgewiesenen Familienreihen pro Flugzeug nur sieben belegt werden könnten? "Wir müssen uns bemühen, profitabel zu sein. Keine Fluggesellschaft wird einem Kunden verbieten wollen, ihr Flugzeug zu besteigen."

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