Zyperns EU-Ratspräsidentschaft:Krisenstaat übernimmt Kommando

Lesezeit: 1 min

In der Krise übernimmt zum ersten Mal ein Krisenland selbst die Führung in der Europäischen Union: Die Ratspräsidentschaft geht zum 1. Juli auf Zypern über. Erst vor Tagen bat die Regierung in Nikosia um Finanzhilfen.

In der europäischen Schuldenkrise übernimmt nun zum ersten Mal ein Krisenstaat die politische Führung in der EU: Zypern hat turnusgemäß die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union angetreten. Erst vor wenigen Tagen war das südeuropäische Land als fünfter Euro-Staat unter den Rettungsschirm geschlüpft.

Die zyprische Außenministerin Erato Kozakou Marcoullis hisst die Flagge Europas: Zum ersten Mal übernimmt das südeuropäische Land den EU-Ratsvorsitz. (Foto: dpa)

Politisch ist Zyperns Führungsrolle nicht nur wegen der Schuldenkrise brisant: Seit Jahrzehnten liegt Nikosia im Streit mit Ankara. Den im Jahr 1974 von der Türkei besetzten Norden erkennt nur Ankara an, zum Süden pflegt die Türkei keine Beziehungen. Alle Versuche zur Wiedervereinigung scheiterten bisher. Die türkische Regierung, die sich seit Jahren um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union bemüht, kündigte bereits an, die zypriotsche Ratspräsidentschaft nicht anzuerkennen.

Neben Griechenland, Spanien, Portugal und Irland kann nun auch Zypern auf Finanzhilfen für seine Banken hoffen - allerdings hält sich die Summe, um die der Inselstaat gebeten hat, in einem vergleichsweise überschaubaren Rahmen: Vier Milliarden Euro, so die Schätzung, könnten reichen, um Zypern zu stabilisieren.

In die Krise geriet Zypern wegen seiner engen Bindung an Griechenland. Griechisch ist Landessprache, auch in der Wirtschaft. Ein Fünftel des Handels läuft mit dem großen Nachbarstaat, ein Viertel der Auslandsinvestitionen kommen von dort. Jeder dritte Euro auf einer zypriotischen Bank gehört einem Griechen.

Besonders die Cyprus Popular Bank, das zweitgrößte Geldhaus des Landes, leidet unter dem Schuldenerlass für Griechenland. Banken und Versicherungen hatten Athen die Hälfte der Schulden erlassen. Die Zentralbank Zyperns schätzt, dass das Land bis Ende Juni mindestens 1,8 Milliarden Euro auftreiben muss, um die Cyprus Popular Bank zu rekapitalisieren. Für die kleine Volkswirtschaft ist das eine enorme Summe, die etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Das Geld wird nun voraussichtlich aus den Rettungsfonds kommen.

Als Ratspräsident der EU löst Zypern Dänemark ab. 2013 rotiert dann abermals ein Krisenstaat an die Spitze der Union: Am 1. Januar übernimmt Irland.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: