Zwangsinternierung in Kanada:Premier entschuldigt sich bei Ureinwohnern

Kanadas Premierminister Harper hat sich offiziell bei den indianischen Ureinwohnern seines Landes entschuldigt. Jahrzehntelang waren ihre Kinder in Umerziehungsinternate geschickt worden, wo sie zum Teil schwer misshandelt wurden.

In einer als historisch bezeichneten Rede hat sich der kanadische Premierminister Stephen Harper bei den indianischen Ureinwohnern des Landes für jahrzehntelange Misshandlungen entschuldigt. Es sei falsch gewesen, die Kinder der Ureinwohner aus ihren Familien und Gemeinschaften zu reißen, um sie in speziellen Internaten ihrer Kultur, Sprache und Traditionen zu berauben, sagte Harper am Mittwoch vor dem Parlament in Ottawa.

Mit diesem Programm habe man versucht,"den Indianer im Kind zu töten". Die zwangsweise Unterbringung der Kinder in den Heimen habe auch Misshandlungen ermöglicht. Er sprach von einem"traurigen Kapitel" in der Geschichte des Landes und bat die Opfer um Verzeihung. "Heute sehen wir, dass die Politik der Assimilierung falsch war, großes Leid verursachte und keinen Platz in unserem Land hat", sagte Harper in Anwesenheit von Indianern, die das Umerziehungsprogramm noch miterlebt haben.

Die Auswirkungen seien absolut negativ gewesen und hätten der Kultur, dem Erbe und der Sprache der Ureinwohner nachhaltigen Schaden zugefügt."Im Namen der kanadischen Regierung und aller Kanadier stehe ich vor Euch (..), um mich für die Rolle der kanadischen Regierung in dem Indianer-Internats-System zu entschuldigen", sagte Harper.

"Nicht nur, dass sie diese Misshandlung als Kinder erlitten haben. Als sie dann selbst Eltern wurden, waren sie machtlos, ihre Kinder davor zu bewahren, dieselben Erfahrungen durchzumachen. Und dafür entschuldigen wir uns", sagte Harper. Heute sehe man, dass man durch die zwangsweise Trennung von den Eltern auch die Fähigkeit vieler Internatskinder, selbst einmal die Elternrolle zu übernehmen, beeinträchtigt habe. Damit habe man auch nachfolgenden Generationen geschadet."Viel zu oft" hätten die Internate auch "zu Missbrauch und Verwahrlosung geführt", sagte Harper. Auch dafür entschuldigte er sich.

Auch Stephane Dion, Chef der heute oppositionellen Liberalen Partei, die im vergangenen Jahrhundert aber mehr als 70 Jahre die kanadische Regierung führte, räumte im Parlament die"Rolle und Mitverantwortung seiner Partei an dieser Tragödie" ein."Es tut mir sehr leid", sagte er.

Phil Fontaine, Chef der Versammlung der ersten Nationen, in der sich die kanadischen Ureinwohner organisiert haben, und selbst Opfer der Umerziehung, trat in vollem indianischen Kopfschmuck vor die Abgeordneten:"Tapfere Überlebende, die ihre leidvollen Geschichten erzählt haben, haben der weißen Vormacht ihre Autorität und Legitimation entrissen", sagte er. "Manchmal schneiden die Erinnerungen an die Internate wie gnadenlose Messer in unsere Seelen. Dieser Tag wird uns helfen, den Schmerz hinter uns zu lassen."

Von 1870 bis in die 1970er Jahre hinein waren in Kanada Kinder der Ureinwohner in zumeist kirchlich geführten Heimen zwangsassimiliert worden. Vielfach kam es zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch. Von den rund 150.000 Kindern, die diese staatlich geförderten Schulen durchlaufen haben, leben heute noch rund 80.000. 2006 hatte die Regierung in Ottawa bereits Entschädigungszahlungen an die Opfer für die dabei erlittenen physischen, psychischen und sexuellen Misshandlungen in Höhe von knapp zwei Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro) bewilligt.

Im Februar hatte sich die australische Regierung für ähnliche Misshandlungen, die dort an den Kindern der Aborigines begangen wurden, offiziell entschuldigt. Anders als Kanada lehnt Australien Entschädigungszahlungen aber ab.

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