Zwangsarbeit:Deutschlands Vermögen in Italien in Gefahr

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Sollte Deutschland ausländische Nazi-Opfer nicht entschädigen, droht den deutschen Kulturinstituten in Italien die Pfändung, entschied ein Gericht in Rom. Das deutsch-italienische Verhältnis ist schwer belastet.

Stefan Ulrich und Robert Probst

Eine Reihe von Urteilen des obersten Zivilgerichts in Rom belasten das deutsch-italienische Verhältnis schwer. Die Richter entschieden, griechische Nazi-Opfer dürften Vermögen der Bundesrepublik in Italien vollstrecken. Außerdem drohen der Bundesregierung nun Klagen von mehr als 100.000 ehemaligen italienischen Zwangsarbeitern.

Die Villa Vigoni, in Loveno di Menaggio nahe des Comer Sees, ist Sitz eines deutsch-italienischen Kulturinstituts. (Foto: Foto: AP)

Die Überlebenden eines Massakers im griechischen Dorf Distomo, das die SS 1944 verübt hatte, forderten seit Jahren vergeblich Schadensersatz von der Bundesregierung.

Der Hamburger Rechtsanwalt Martin Klingner, der die NS-Opfer vertritt, spricht von einer "epochalen Entscheidung" des Kassationsgerichtshofs. Seine Mandanten hätten auch in Griechenland versucht, Schadensersatz gegen Deutschland durchzusetzen und von dortigen Gerichten recht bekommen, sagte Klingner am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung.

Zunächst wird die "Villa Vigoni" versteigert

Allerdings habe die griechische Regierung die Vollstreckung verhindert. Daraufhin habe man versucht, das Urteil in Italien zu vollstrecken, was nach europäischen Rechtsgrundsätzen innerhalb der EU möglich ist. Das Urteil in Rom bringe jetzt den "juristischen Durchbruch".

Falls Deutschland nicht bezahle, könne zunächst das deutsche Kulturinstitut "Villa Vigoni" am Comer See versteigert werden, gegen die bereits eine Zwangshypothek eingetragen sei. Andere Opferanwälte hatten auch Goethe-Institute in Italien als mögliche Objekte genannt.

In einer Reihe weiterer Urteile bestimmten die obersten italienischen Zivilrichter zudem, Italiener, die während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert worden waren, dürften die Bundesrepublik vor italienischen Gerichten auf Entschädigung verklagen. Der Kassationsgerichtshof wies dabei ausdrücklich den Einwand Deutschlands zurück, es genieße Staatenimmunität.

Nach diesem völkerrechtlichen Grundsatz können Staaten, wenn sie hoheitlich handeln, nicht von Bürgern anderer Staaten belangt werden. Die Richter argumentieren nun, dies gelte nicht bei schweren Verletzungen des Völkerrechts wie Kriegsverbrechen. Zudem wendeten sie die Rechtsauffassung auch noch rückwirkend auf mehr als 60 Jahre alte Vorgänge an.

Überraschte Bundesregierung

Die Bundesregierung wurde offenbar von dem Muster-Urteil überrascht und wollte sich am Donnerstag noch nicht näher dazu äußern. Unter Völkerrechtlern, die der Regierung nahestehen, wird jedoch erwartet, dass Deutschland Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagen wird. Das sei die letzte Möglichkeit, da der Rechtsweg in Italien ausgeschöpft sei.

Eine solche Klage wird jedoch als ungewöhnlich und sehr belastend für das bilaterale Verhältnis bewertet. "Das wirkt, als ob da der Zweite Weltkrieg ein Stück weit noch einmal ausgefochten wird", hieß es in deutschen Völkerrechtskreisen. Berlin rechnet sich aber gute Chancen aus, in Den Haag recht zu bekommen.

Manfred Gentz, Mitglied des Kuratoriums der Zwangsarbeiterstiftung, sagte, die Entscheidung in Rom sei "nicht verbindlich". Die Stiftung könne auch nicht Ansprechpartner für Forderungen sein, doch hätten die Urteile auch eine "moralische Ebene." Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, betonte, die Bundesregierung solle nun "umdenken" und "schnellstens Geld für die Entschädigung bereitstellen."

© SZ vom 06.06.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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