Zuwanderungsstreit:Koalition macht der Union Zugeständnisse

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Die rot-grüne Koalition hat sich auf eine Änderung des Zuwanderungsgesetzes geeinigt. Die Senkung des Nachzugsalters für Kinder auf zwölf Jahre soll den Unionsländern die Zustimmung ermöglichen.

Philip Grassmann

(SZ vom 26.2.2002) - Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, ihre Partei habe Kompromissbereitschaft gezeigt, in dem man auf die Union zugegangen sei. Nun liege der Ball im Feld von CDU und CSU. Bei einem Treffen der Grünen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder waren zuvor letzte Streitpunkte ausgeräumt worden. Am Sonntagabend hatte der Kanzler auch Vertreter der PDS-Regierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern empfangen.

Die rot-grüne Koalition ist nun bereit, das Nachzugsalter für ausländische Kinder von 14 auf zwölf Jahre zu senken. Allerdings soll es eine Ausnahmeregelung geben, nach der Kinder auch zu einem späteren Zeitpunkt zu ihren Eltern nach Deutschland ziehen können, "wenn es das Wohl des Kindes erfordern sollte". Die Union hat ein Nachzugsalter von zehn Jahren verlangt.

Die umstrittenen Bestimmungen für die Opfer von nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung bleiben unverändert. Hinzugefügt wird aber eine Klausel, die klar stellt, dass das Gesetz nicht über die Genfer Konvention hinausgeht. Dies entspricht den Wünschen der Union, die aber außerdem noch gefordert hat, beide Begriffe aus dem Gesetzentwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) zu streichen.

Zudem soll sich die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte an der Situation auf dem nationalen Arbeitsmarkt orientieren und nicht, wie ursprünglich geplant, an den regionalen Arbeitsämtern. Der veränderte Entwurf sieht weiter eine Härtefallregelung vor, wie sie einige Bundesländer gefordert hatten.

"Historischer Kompromiss"

Die rot-grüne Koalition kommt mit ihren Änderungsvorschlägen vor allem den Forderungen Brandenburgs entgegen. Für eine Mehrheit im Bundesrat braucht sie die Zustimmung der dortigen SPD/CDU-Koalition. Ob Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) das Angebot akzeptieren wird, war am Montag noch ungewiss. Es gab jedoch intensive Gespräche zwischen Berlin und Potsdam.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) begrüßte das neue Angebot der rot-grünen Koalition. Die Bewegung in der Zuwanderungsdebatte bestärke ihn darin, dass ein historischer Kompromiss möglich sei, wenn "ideologische Scheuklappen und Wunschvorstellungen" zurückgedrängt würden.

Die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth, sagte, die Union müsse sich entscheiden, ob sie am Gesetz mitwirken oder weiter "in ideologischen Schützengräben" verharren wolle. Es liege nun ein Angebot für all jene vor, "die politikfähig sind". Man habe sich in der Koalition zudem darauf geeinigt, im Falle eines Scheiterns im Bundesrat auf ein Vermittlungsverfahren zu verzichten.

Die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, sagte: "Die Substanz des Gesetzes mit seiner humanitären und modernen Ausrichtung bleibt gewahrt." Sie appellierte an die Bundesländer, dem Blockadekurs des Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU) nicht zu folgen. Dieser hatte zuvor erneut betont, dass ein Konsens mit der Union nur erreicht werden könne, wenn die im 16-Punkte-Katalog niedergelegten Forderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erfüllt würden. Sollte dies nicht der Fall sein, werde die Union das Zuwanderungsgesetz ablehnen.

Schröder hatte am Sonntagabend Vertreter der SPD/PDS-Koalition von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Kanzleramt empfangen. Die PDS hat damit gedroht, dem Zuwanderungsgesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen, wenn ihre Forderungen nicht berücksichtigt würden. Bei dem Treffen gab es nach Angaben von Teilnehmern noch keine konkreten Ergebnisse. Der Schweriner Vizeministerpräsident Helmut Holter (PDS) sagte der Süddeutschen Zeitung, seine Partei werde nicht dogmatisch sein und auf allen zehn Änderungswünschen beharren.

Der Kanzler habe seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, die PDS-Forderungen zu berücksichtigen. Holter betonte jedoch, einen Alleingang wie bei der Rentenreform werde es nicht noch einmal geben. Im Sommer 2000 hatte Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) gegen den Willen der PDS der Reform zugestimmt. Nach PDS-Angaben ist noch für diese Woche ein weiteres Treffen Schröders mit der PDS-Vorsitzenden Gabi Zimmer vorgesehen.

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