Zuwanderung:EU-Grenzschützer zählen dreimal mehr Flüchtlinge

EU-Grenzüberwachungssystem ´Eurosur"

Ein Wärmebild eines Grenzüberwachungssystems: Grund für die Zunahme der illegalen Zuwanderung sind Konflikte wie in Syrien und die schlechten Lebensbedingungen in vielen afrikanischen Ländern (Symbolbild)

(Foto: dpa)

42 000 Flüchtlinge wurden in den Anfangsmonaten 2014 an den EU-Außengrenzen aufgegriffen - dreimal so viele wie im Vorjahr. Das teilt die Grenzschutzbehörde Frontex mit. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk hat schlechte Nachrichten.

Die illegale Zuwanderung nach Europa nimmt dramatisch zu. In den ersten vier Monaten des Jahres wurden an den Außengrenzen der EU etwa 42 000 Flüchtlinge aufgegriffen - das waren mehr als dreimal so viele wie im gleichen Zeitraum 2013.

"Wir gehen davon aus, dass im Sommer sehr hohe Zahlen erreicht werden", warnte der stellvertretende Direktor der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, Gil Arias-Fernandez, in Brüssel und nannte den Zuwachs "drastisch". Grund dafür seien Konflikte wie in Syrien und die schlechten Lebensbedingungen in vielen afrikanischen Ländern. Zudem seien die Kontrollen verstärkt worden. Die meisten der illegal angekommenden Flüchtlinge gelangen mit Booten über das Mittelmeer nach Europa.

In Nordafrika, vor allem Libyen, warteten nach Augenzeugenberichten Tausende auf eine Gelegenheit zur Flucht. "Da sich die Sicherheitslage in Libyen verschlechtert, wartet eine wachsende Zahl an Flüchtlingen auf die Gelegenheit, das Land zu verlassen. Das Ziel ihrer Wahl ist die EU", sagte Arias-Fernandez. Nur im Jahr des Arabischen Frühlings 2011 sei die Flüchtlingszahl bislang höher gewesen.

Viele Menschen wollen in Europa ein besseres Leben beginnen

In den Sommermonaten ist das Wetter besser, so dass sich traditionell in dieser Zeit mehr Flüchtlingsboote über das Mittelmeer nach Europa aufmachen. Sie landen zumeist in Italien oder auch Malta. Dieser Weg ist immer noch die wichtigste Strecke für die illegale Migration. Dort wurden laut Frontex von Januar bis April rund 25 000 illegale Flüchtlinge entdeckt - das ist bereits mehr als Hälfte der 40 000 Aufgegriffenen, die im Gesamtjahr 2013 gezählt wurden. Die meisten stammten aus Syrien und Schwarzafrika.

Viele Menschen wollten in den Industrieländern Europas ein besseres Leben beginnen. Arias-Fernandez forderte, Europa müsse mehr für die wirtschaftliche Entwicklung in den Herkunftsländern tun: "Grenzschutz ist nicht die Lösung." Die Zahlen stiegen aber auch deswegen, weil Europa die Kontrollen verstärkt habe - wie etwa das im Dezember 2013 gestartete Kommunikationssystem Eurosur. Damit tauschen Polizei und Küstenwache Informationen über die Bewegung von Booten EU-weit aus.

Die EU-Innenminister wollen Anfang Juni bei ihrem Treffen über den Flüchtlingsandrang beraten, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström habe die Staaten angefragt, "was sie konkret tun wollen, um die Mittelmeerstaaten zu unterstützen". Der Druck auf diese Länder nehme zu. Während es sich früher vor allem um Wirtschaftsflüchtlinge gehandelt habe, gehe es jetzt um Menschen, die vor Konflikten wie in Syrien flüchteten.

Dramatischer Anstieg der Binnenflucht

Außerdem vermeldeten das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Norwegische Flüchtlingsrat in Genf einen traurigen Rekord: 33,3 Millionen Menschen waren Ende 2013 Flüchtlinge im eigenen Land, sogenannte Binnenflüchtlinge.

Vor allem bewaffnete Konflikte haben so viele Kinder, Frauen und Männer wie wahrscheinlich nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg zur Flucht innerhalb ihrer eigenen Staaten getrieben. Allein gegenüber 2012 ist die Zahl um 4,5 Millionen Menschen gestiegen.

Die Zahlen wurden vom Zentrum zur Beobachtung von Binnenflucht (IDMC) in Genf zusammengetragen. "Diese Rekordzahl von Menschen, die zur Flucht innerhalb ihrer eigenen Länder gezwungen sind, bestätigt einen verstörenden Aufwärtstrend der Binnenflucht", sagte Jan Egeland, der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats, zu dem das IDMC gehört.

Der Bürgerkrieg verschärft den beunruhigenden Trend

Der beunruhigende Trend setze sich besonders stark durch den Bürgerkrieg in Syrien fort. Dort würde etwa alle 60 Sekunden eine Familie die Flucht ergreifen, täglich mache der Krieg 9600 Syrer zu Vertriebenen im eigenen Land. Weit mehr als 6,5 Millionen Syrer sind derzeit Binnenflüchtlinge. Zudem flohen mehr als 2,5 Millionen in andere Staaten.

Der dramatische Anstieg der Binnenflucht sowie die Tatsache, dass diese Menschen im Durchschnitt 17 Jahre ihres Lebens als Vertriebene lebten, seien ein Zeichen, dass "irgendetwas fürchterlich schief läuft mit der Art und Weise, wie wir auf dieses Problem reagieren und damit umgehen", sagte Egeland.

Die meisten der weltweiten Binnenflüchtlinge - 63,3 Prozent - wurden durch Konflikte innerhalb von fünf Staaten aus ihren Wohnorten vertrieben: Syrien, Kolumbien, Nigeria, Demokratische Republik Kongo und Sudan.

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