Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm:Mit Psychologie aus der Krise

Die Euro-Krise zu lösen, ist vor allem deshalb nicht banal, weil sie ungeachtet der vielen Zahlen nicht auf Mathematik beruht, sondern auf Psychologie. Ob etwa Italien auf Dauer kreditwürdig bleibt, ist keine rechnerische Frage. Entscheidend ist allein, ob die Gläubiger dem Land dies zutrauen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, die Effizienz des EFSF zu erhöhen - obgleich die nun diskutierten "Hebel"-Modelle durchaus Gefahren bergen.

Claus Hulverscheidt

War das nun all die Aufregung wert? Nach viel Getöse hat der Bundestag am Mittwoch eine Entschließung zur Euro-Rettung gebilligt, die in weiten Teilen so allgemein abgefasst ist, dass sie auch vor zwei Wochen hätte verabschiedet werden können. Wäre das passiert, hätte der jüngste Brüsseler Gipfel nicht in zwei Etappen stattfinden müssen, und das Gemurre, das weltweit über das Krisenmanagement der Europäer im Allgemeinen und der Deutschen im Besonderen anhob, wäre vermieden worden.

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Die schwarz-gelbe Koalition hat bei der Abstimmung über den EFSF-Krisenfonds knapp die Kanzlermehrheit erreicht.

(Foto: AFP)

Zumindest ist es dem Bundestag dank der seltsamen Abfolge von Parlamentssitzungen und Gipfeltreffen gelungen, auf eine ungeheuer wichtige, das Land für Jahrzehnte bindende Entscheidung vorab Einfluss zu nehmen. Das ist gut, weil es die Abgeordneten in die Pflicht nimmt und zugleich ihren Frust darüber mildert, dass sie monatelang kaum mehr tun konnten, als schwer verständliche Gipfelbeschlüsse einfach abzunicken. Für Angela Merkel war es durchaus ein Wagnis, sich einem Bundestagsvotum zu stellen. Ihre Risikobereitschaft wurde aber belohnt: Am Ende scharte sie neben der Koalition auch SPD und Grüne hinter sich und konnte gestärkt nach Brüssel reisen.

Es bleibt die weitaus wichtigere Frage, ob Bundestag und Bundesregierung eigentlich inhaltlich richtigliegen. Man kann daran Zweifel haben, denn mit der Ausdehnung des Hilfsfonds EFSF auf Beträge jenseits der Billionen-Grenze wird eine Strategie auf die Spitze getrieben, die die Krise bisher nicht lösen konnte - ganz so, als würde ein Brandbekämpfer immer mehr Gegenfeuer legen, ohne zu bemerken, dass der Wind längst gedreht hat. Und ja, Merkel musste sich seit Ausbruch der Marktturbulenzen vor zwei Jahren mehrfach korrigieren, weil sie rote Linien falsch gezogen, Dinge voreilig ausgeschlossen und den weiteren Verlauf der Krise falsch vorhergesagt hatte.

Das unterscheidet sie von manch überzeugten Gegnern in Politik, Wissenschaft und Medien, die ihren Kurs der Euro-Stützung von Beginn an und mit teilweise respektablen Argumenten abgelehnt haben. Es unterscheidet sie aber auch von Schlaumeiern im Parlament, in den Universitäten und den Zeitungsredaktionen, die davon leben, dass sie stets mit dem Wissen von heute die Beschlüsse von gestern bewerten. Das hat den Vorteil, dass man an einem Tag dies und am anderen Tag jenes erzählen kann - und immer recht hat. Solche Leute sind gefährlich und werden nur noch von denjenigen Scharlatanen übertroffen, die behaupten, sie hätten ein Patentrezept und es reiche doch völlig aus, die Griechen aus der Währungsunion zu werfen.

Diese Krise zu lösen, ist nicht banal, da sie ungeachtet der vielen Zahlen nicht auf Mathematik beruht, sondern auf Psychologie. Ob etwa Italien seine Schuldenlast tragen kann und auf Dauer kreditwürdig bleiben wird, ist keine rechnerische Frage. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die Gläubiger dem Land dies zutrauen und ob sie erwarten, dass die Euro-Partner Rom notfalls zu Hilfe eilen werden.

Welche weiteren Reformen nötig sind

Bei allen begründeten Zweifeln ist es vor diesem Hintergrund richtig, die Effizienz des EFSF zu erhöhen. Wenn das Geld nicht einfach verliehen, sondern so ausgegeben wird, dass mit jedem Euro, den der Fonds einsetzt, zwei oder drei zusätzliche Euro anderer Geldgeber mobilisiert werden, steigt nicht nur das bereitstehende Hilfsvolumen beträchtlich. Vielmehr wird damit auch verhindert, dass sich die Banken auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte aus der Finanzierung einzelner Staaten komplett zurückziehen.

Alle der diskutierten "Hebel"-Modelle bergen selbstverständlich Gefahren, etwa die, dass Staatsbürgschaften rascher fällig werden. Auch sind die Finanzprodukte, mit denen die Vervielfachung der Hilfsgelder bewerkstelligt werden soll, just die, die 2007 den Ausbruch der Finanzkrise begünstigt hatten. Andererseits ist das Risiko für den Steuerzahler noch viel höher, wenn die Krise einfach weitergeht. Und ein Finanzprodukt ist nicht allein deshalb untauglich, weil es von den Banken pervertiert wurde.

Von zentraler Bedeutung ist, dass Bundesregierung und Bundestag gemeinsam alle Versuche abgeblockt haben, die Krise dadurch zu lösen, dass man die Europäische Zentralbank (EZB) zwingt, zur Tilgung von Staatsschulden die Notenpresse anzuwerfen. Wäre es dazu gekommen, wäre Europas Weg in die Schulden- und Inflationsunion unumkehrbar geworden. Das heißt nicht, dass die EZB an der weiteren Krisenbekämpfung nicht mehr mitwirken darf, im Gegenteil: Sie sollte den Banken weiter Kredite für das Tagesgeschäft zur Verfügung stellen und notfalls auch bestimmte Staatsanleihen am Markt aufkaufen können - aber aus der zweiten Verteidigungslinie heraus.

Ergänzt werden muss der Ausbau des EFSF zudem durch eine Vielzahl weiterer Reformen: härtere Sanktionen gegen Schuldensünder, einen EU-Fonds zur Rettung und nötigenfalls Abwicklung großer Banken, eine engere politische Abstimmung der Euro-Länder und die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Zudem bedarf es scharfer Banken-Regeln. Dazu gehört, reine Zockerpapiere sowie ungedeckte Leerverkäufe von Aktien, Anleihen und Kreditausfallversicherungen schlichtweg zu verbieten. Gelingt all das, besteht die Chance, die Krise zu bewältigen. Die Chance - mehr nicht.

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