Zusatzerwerb von Polizisten:Freund und Nebenjobber

"Eine gefährliche Entwicklung": Die Realeinkommen von Polizisten sinken seit Jahren teilweise drastisch. Die Folge: Viele Beamte verdienen sich etwas dazu, in München jeder Sechste - mindestens.

Peter Blechschmidt

Der freundliche Herr, der heute die Verbrauchsröhrchen an der Heizung abliest, könnte dem Mieter schon morgen als Knöllchen verteilender Verkehrspolizist begegnen. Die junge Sportlerin, die heute Kindern beim Bodenturnen hilft, könnte morgen im Auftrag des Staatsanwalts zur Wohnungsdurchsuchung vor der Tür stehen.

Zusatzerwerb von Polizisten: Sein Realeinkommen ist in den letzten Jahren gesunken: ein bayerischer Polizist, hier bei einer Verkehrskontrolle

Sein Realeinkommen ist in den letzten Jahren gesunken: ein bayerischer Polizist, hier bei einer Verkehrskontrolle

(Foto: Foto: ddp)

Und der Polizeibeamte, der heute einen Geiselnehmer in einer Bank überwältigt, hat womöglich im Frühjahr 2006 Angehörige der libyschen Geheimpolizei ausgebildet.

Die Aktivitäten einer deutschen Privatfirma, die mit Hilfe von ehemaligen und aktiven Polizisten Sicherheitskräfte in Libyen trainiert hat, haben nicht nur die Frage aufgeworfen, wie viel Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich mit einem wenig rechtsstaatlichen System politisch und moralisch geboten ist. Sie haben auch ein Schlaglicht geworfen auf ein innerdeutsches Problem, das bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist: die Nebentätigkeiten von Polizeibeamten.

"Immer mehr Polizisten beantragen die Genehmigung für einen Zweitjob", bestätigt Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Für ihn ist dies die unvermeidliche Folge einer rigorosen Sparpolitik im öffentlichen Dienst.

Je nach Bundesland seien die Realeinkommen der Polizisten seit dem Jahr 2000 um 10 bis 20 Prozent gesunken, sagt Freiberg. Das Ergebnis: In München etwa gehen 1000 von insgesamt 6000 Polizisten einer genehmigten Nebentätigkeit nach; in Köln sind es 450 von circa 4800, in Hamburg 1012 von 9921 und in Berlin 990 von 21.950.

Nicht mal Taxi fahren

Doch das sind nur die offiziellen Zahlen. Ein hoher Beamter der Münchner Polizei schätzt, dass noch einmal 1000 Kollegen ohne amtliche Erlaubnis einen Zweitjob haben. In anderen Regionen dürfte es nicht viel anders sein. Damit verstoßen die Beamten zwar gegen Dienst- und Disziplinarrecht, doch das nehmen sie in Kauf.

Das Leben in München ist teuer, und in Ländern wie Libyen lockt das große Geld. "Gerade im arabischen Raum ist der Bedarf an polizeilichem Know-how hoch", weiß Gewerkschafter Freiberg. Und den können Ehemalige oder amtlich abgestellte Entwicklungshelfer allein nicht decken.

"Jeder Polizist weiß, dass er nicht mal Brötchen verkaufen darf ohne Genehmigung", sagt der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Was geht und was nicht, ist klar geregelt: In Bayern etwa wird nichts genehmigt, was "den Beamten in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann", so das Innenministerium. Das heißt: Ein Beamter darf im Nebenjob nicht Detektiv spielen, Geldtransporter fahren oder den Türsteher in einer Diskothek geben.

In München darf er nicht einmal Taxi fahren. Als Droschkenkutscher ist er permanent in Versuchung, das Tempolimit zu überschreiten. Und wenn er dann in eine Radarkontrolle gerät, könnte er den Kollegen in Uniform in einen Gewissenskonflikt bringen. Mancher Polizist, so der Münchner Insider, fährt dennoch Taxi.

Bei Polizeibeamten, so denkt der Bürger, müsste das Unrechtsbewusstsein besonders ausgeprägt sein. "Polizist ist nicht irgendein Job, sondern ein Beruf, der hohes Ethos verlangt", versichert GdP-Chef Freiberg. "Wer aber auf einen Zweitjob angewiesen ist, muss auch seine Kräfte auf zwei Schultern verteilen. Wenn die Identifizierung mit dem Beruf verloren geht, dann ist das eine gefährliche Entwicklung."

Für Freiberg gibt es daraus nur eine Schlussfolgerung: der Staat müsse weg von "Bezahlung nach Kassenlage".

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