Polen und die EU:Polens Regierungschefin stellt sich dem EU-Parlament

European Parliament in Strasbourg

Polens Regierungschefin Beata Szydło bei ihrer ersten Rede vor dem Europa-Parlament.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Beata Szydło beschwört bei ihrem Auftritt europäische Werte und zitiert Papst Johannes Paul II. Kritischen Fragen weicht sie aber aus.

Von Alexander Mühlauer, Straßburg

Immerhin eines hat sie an diesem Abend getroffen: den richtigen Ton. Beata Szydło steht am Rednerpult des Europa-Parlaments, sie spricht ruhig und sachlich über das, was ihre Regierung in Polen vorhat. Sie ist nach Straßburg gekommen, um zu erklären und ja, auch das: aufzuklären. Am Ende der Debatte wird sie sich auf Papst Johannes Paul II. berufen, einen großen Europäer. Aber bevor sie das tut, hört sie den anderen zu.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union, dass sich ein Mitgliedsland einer Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit unterziehen muss. Es geht an diesem Dienstagabend um nicht weniger als die Grundsätze der Gemeinschaft. Diese Werte werden im Plenum immer wieder beschworen: Freiheit und Gleichheit. Pluralismus. Und Rechtsstaatlichkeit.

Es liegt dann an Frans Timmermans, dem Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, für alle noch einmal zu erklären, warum die Brüsseler Behörde ein Rechtsstaatsverfahren gegen Warschau eingeleitet hat und warum eine "systemische Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit" gegeben sei. Eine Woche ist es nun her, dass Brüssel Warschau unter Druck gesetzt hat. Die seit November amtierende national-konservative Regierung hatte mit einer umstrittenen Justizreform und einem neuen Mediengesetz international Kritik auf sich gezogen. "Wir sind am Anfang des Verfahrens", sagt Timmermans. Der Kommission komme es darauf an, in konstruktiver und offener Weise zu sprechen.

Sie will ihr Programm nicht ändern: "Wir tun das in Einklang mit dem Recht"

Das sieht auch Szydło nicht anders. Behauptet sie jedenfalls. Sie hoffe auf eine gute Sachdebatte, sagt die Premierministerin. Zunächst versucht sie es mit einer Umarmung Europas: "Es liegt mir sehr viel daran, dass Sie davon überzeugt sind, dass Polen zum einheitlichen Europa gehört." Sie habe den Eindruck, dass die Öffentlichkeit die polnische Nation auf ungerechtfertigte Weise beurteile - sei es aufgrund von Desinformation oder bösem Willen. Dann sagt sie: "Die Polen sind bereit, Europa bei schwierigen Entscheidungen zu unterstützen." Gefolgt von dem Bekenntnis: "Wir sind Teil Europas. Und das ist ein Wert." Unsere Väter und Großväter hätten Blut vergossen, damit wir heute Teil eines geeinten Europas sein könnten. "Wir haben uns all das erkämpft, und wir lassen uns das nicht wegnehmen." Sie klingt sehr entschlossen. Auch was ihr eigenes Programm in Polen angeht: Das werde sie nicht ändern, denn: "Wir tun das im Einklang mit dem Recht. Und unter Achtung der Europäischen Verträge."

Als erste Fraktion hat die Europäische Volkspartei das Wort. Doch ihr Vorsitzender Manfred Weber schweigt. Er verzichtet auf sein Rederecht. Vor der Debatte hat er noch gesagt: "Die neue Regierung versucht leider Gottes das Land zu spalten. In gute Polen und schlechte Polen." Er selbst wolle nicht in diese Falle gehen und der Pis-Regierung keinen Stoff für Propaganda liefern. Guy Verhofstadt von den Liberalen lobt zunächst Szydłos sachlichen Ton. Er erinnert an das Gleichgewicht der Gewalten, das System von Checks und Balances. Dies mache die Demokratie aus. "Sie sind erst kurz im Amt und wenden schon alle Tricks an, die ein Premierminister können muss. Sie antworten nicht auf unsere Kritik. Drei Mitglieder Ihrer Partei können jeden Beschluss im Verfassungsgerichtshof blockieren. Aber Sie gehen nicht darauf ein."

Am Ende ihrer Rede zitiert sie Papst Johannes Paul II

Wie Verhofstadt so vertraut auch Rebecca Harms von den Grünen auf das polnische Volk: "Die Bürger werden verhindern, dass Polen ein autoritärer Staat wird." Hans-Olaf Henkel (früher AfD, jetzt Alfa) fordert in der Debatte den Parlamentspräsidenten Martin Schulz auf, sich für seine Äußerungen gegenüber der neuen polnischen Regierung zu entschuldigen. Schulz hatte von einer "Putinisierung" gesprochen. Gabriele Zimmer von den Linken wiederum appelliert, Polen solle sich in der Flüchtlingskrise engagieren: "Wenn Sie sagen, Sie wollen Champion sein: Tun Sie das in der Frage der Migration."

Gegen Ende der Debatte zitiert Szydło noch Papst Johannes Paul II.: "Wir sollten keine Angst haben." Sie sei Europäerin, aber vor allen Dingen stolze Polin. "Und Polen verdient es nicht, dass es zensiert wird."

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