Zur Ankurbelung der Konjunktur:Steuerreform wird um ein Jahr vorgezogen

Die Bundesregierung hat sich darauf festgelegt, die übernächste Stufe der Steuerreform um ein Jahr vorzuziehen. Bürger und Unternehmen sollen so 2004 um bis zu 18 Milliarden Euro entlastet werden. Dies soll voraussichtlich über neue Schulden und Subventionsabbau finanziert werden.

Andreas Hoffmann und Robert Jacobi

(SZ vom 26.6.2003) Berlin - Zugleich legten Finanzminister Hans Eichel und Sozialministerin Ulla Schmidt ihren Haushaltsstreit bei, sie soll in ihrem Etat ein bis zwei Milliarden Euro zusätzlich sparen.

Die Fachbeamten des Finanzministers arbeiten noch an den Details der Gegenfinanzierung. Der grundsätzliche Beschluss ist aber nach Angaben hoher Regierungsbeamter bereits gefallen. Die Lücke im Etat soll nach anfänglichen Zögern auch durch neue Schulden gestopft werden.

Der Kanzler setzt aber darauf, dass sich das Vorziehen der letzten Steuerreformstufe vom Jahr 2005 auf 2004 positiv auf die Wirtschaftsentwicklung auswirkt und teilweise selbst finanziert.

Regierungssprecher Hans Langguth wollte die Entscheidung nicht offiziell bestätigen. Allerdings habe Schröder während der Kabinettssitzung am Mittwoch gesagt, es mache keinen Sinn, den Beschluss "weiter hinauszuzögern". Eichel werde zur Klausurtagung, die an diesem Freitag im brandenburgischen Neuhardenberg beginnt, eine Vorlage mitbringen, die "stimmig" und mit der Reformagenda 2010 "kompatibel" sei.

Widerstand der Länder

Nach aktueller Gesetzeslage sollte im nächsten Jahr der Eingangssteuersatz auf 17 Prozent und der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent sinken. Wird die für 2005 vorgesehene Stufe vorgezogen, betragen diese Sätze schon von Januar 2004 an nur noch 15 Prozent und 42 Prozent. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler würden Ledige mit einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro um 611 Euro entlastet.

Bei einem Einkommen von 50.000Euro steigt die Entlastung auf 1344 Euro. Verheiratete würden noch mehr Steuern sparen.

In den Haushalten von Bund, Länder und Gemeinden entsteht so eine einmalige Lücke von bis zu 18 Milliarden Euro, wovon der Bund rund acht Milliarden Euro tragen müsste. Dem Vernehmen nach soll die Summe über neue Schulden und Subventionsabbau finanziert werden.

Im Gespräch ist die Finanzhilfen für die Steinkohle und die Eigenheimzulage stärker zu kürzen. Zwar würde Deutschland so vermutlich erneut das Defizitkriterium des Stabilitätspakts verletzen, was aber wegen der erhofften konjunkturellen Wirkung hingenommen werden soll. Mehrere Länder kündigten jedoch an, die vorgezogene Steuerreform im Bundesrat zu blockieren.

"Neuverschuldungsorgie"

Auch Unionspolitiker erneuerten ihre Kritik, wonach das Vorhaben nicht finanzierbar sei. Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt begrüßte die Steuerentscheidung, warnte aber im SZ-Gespräch vor einer "Neuverschuldungsorgie".

Unterdessen legten Eichel und Ulla Schmidt (beide SPD) ihren Streit um den Etat 2004 bei. Nach SZ-Informationen sollen sie nun ein bis zwei Milliarden Euro in ihrem Ressort zusätzlich einsparen. Unklar ist wie. Auf diese Summe einigten sich beide in einem Gespräch im Kanzleramt ein. Zuvor hatte Eichel wegen des Streits die für Mittwoch geplanten Eckpunkte des Etats verschoben.

Die Einigung liegt unter den Forderung Eichels, der von Schmidt bis zu sieben Milliarden Euro verlangte. Dies lehnte Schmidt aber unter Hinweis auf die Finanznöte der Rentenkasse ab. Sie verwies auf Prognosen der Rentenversicherer. Danach könnte der Beitrag 2004 von 19,5 auf 19,8 oder gar 20 Prozent steigen. Das will Schmidt verhindern und benötigt dafür zwischen drei und fünf Milliarden Euro.

Nach SZ-Informationen will sie diese Summe über verschiedene Maßnahmen einsparen. So erwägt ihr Haus, die Rentenerhöhung 2004 zu verschieben oder von den Ruheständlern einen höheren Krankenkassenbeitrag zu erheben. Im Gespräch ist auch die Schwankungsreserve der Rentenversicherung weiter abzusenken. Ein Sprecher Schmidts räumte ein, dass diese Maßnahmen geprüft werden.

Medienberichte, wonach die Entscheidung bereits gefallen sei, dementierte er jedoch. Bis Ende der Woche solle der Haushalt in "trockenen Tüchern" sein, sagte ein Regierungssprecher.

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