Zum Tod von Giulio Andreotti:Italiens schwarzer Papst

Er gehörte mehr als 30 Regierungen der Nachkriegszeit an und prägte die italienische Politik wie kaum ein anderer. Giulio Andreotti war gefürchtet für Klientelismus, politische Absprachen und seinen unbedingten Willen zur Macht - was ihm Respekt und viele Feinde einbrachte. Jetzt starb der konservative Politiker im Alter von 94 Jahren.

"Ein Leben an der Macht", so lautet die Überschrift in der Online-Ausgabe des Mailänder Corriere della Sera, einer der größten Zeitungen Italiens.

Der Satz umreißt die Karriere des Giulio Andreotti ganz gut, denn tatsächlich war er eine der dominanten Figuren der italienischen Nachkriegspolitik. Der konservative Politiker, geboren 1919, gehörte seit 1945 sämtlichen Parlamenten an. Sieben Mal war er Regierungschef, acht Mal Verteidigungsminister, fünf Mal Außenminister, außerdem Wirtschafts-, Finanz-, Industrie-, Innen-, Europa- und Kulturminister. Es gibt kaum ein Amt, das er in den zahlreich wechselnden und häufig nur kurz amtierenden italienischen Regierungen nicht innehatte.

Jetzt ist Giulio Andreotti tot. Er starb am Montag im Alter von 94 Jahren in Rom, teilte seine Familie mit. Wie der Corriere unter Berufung auf Kreise im italienischen Präsidentenpalast berichtet, soll bereits morgen ein Staatsakt zu Ehren des ehemaligen Ministerpräsidenten abgehalten werden. Die eigentliche Beisetzung findet allerdings nur im Beisein der Familie statt.

"Macht", so hat Andreotti angeblich einmal gesagt, "verschleißt nur den, der sie nicht hat." Es war so etwas wie das Lebensmotto des charismatischen Politikers, der jahrzehntelang einer der wichtigsten Köpfe der Democrazia Cristiana, also der italienischen Christdemokraten, war - jener Partei, die in der Nachkriegszeit die Politik in Italien dominierte und die meiste Zeit auch den Regierungschef stellen konnte.

1947 wurde Andreotti mit 28 Jahren erstmals ins Parlament gewählt, 1954 war er erstmals Minister. Von da an begann sein stetiger Aufstieg. 1972 führte er seine erste Regierung. Schon damals galt: Wo die Macht war, da war Andreotti. Und das blieb noch Jahrzehnte so.

Mehrfach wurden ihm Verbindungen zur Mafia nachgesagt

Andreotti verkörpert wie kaum ein anderer Politiker das System der sogenannten Ersten Republik in Italien. Es war geprägt von Klientelismus, Vetternwirtschaft und von politischen Absprachen. Es gibt kaum einen Skandal, in dessen Zusammenhang Andreottis Name nicht genannt wird: Verstrickungen in die Ermordung des christdemokratischen Politikers Aldo Moro, Machenschaften mysteriöser Geheimlogen, dubiose Bankgeschäfte des Vatikans. "Außer für die Punischen Kriege", so sagt er einmal spöttisch in einem Fernsehinterview, "wird mir für ziemlich alles die Schuld zugeschoben."

Mehrfach wurden Andreotti außerdem Verbindungen zur Mafia nachgesagt, doch in sämtlichen deswegen angestrengten Prozessen konnte er sich einer Bestrafung entziehen. Entweder wurde er aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt oder die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität scheiterte. So wurde er zum Beispiel im Jahr 2003 nach jahrelangen Prozessen vom Verdacht der Zusammenarbeit mit der Mafia freigesprochen, nachdem ihn ein Gericht im Jahr zuvor noch zu 24 Jahren Haft verurteilt hatte.

Eines der wichtigsten politischen Anliegen Andreottis war Zeit seines Lebens die Isolierung der Kommunisten, die in Italien stark waren und in den siebziger Jahren teilweise Stimmenergebnisse von bis zu 30 Prozent erreichten. Andreotti sah sich dabei in Einklang mit der außenpolitischen Linie der USA, die eine Ausbreitung des Kommunismus in Südeuropa unbedingt verhindern wollten.

Im Zuge des Korruptionsskandals der frühen neunziger Jahre, in dem das gesamte etablierte italienische Parteisystem zerbrach, musste auch Andreotti sein Amt aufgeben. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung wurde er 1992 zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Auch in den letzten Jahren vor seinem Tod engagierte er sich noch in der Politik des Landes. So bewarb er sich 2006 für das Parteienbündnis des damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi um das Amt des Senatspräsidenten.

"La Volpe", zu deutsch: der Fuchs, so wurde Andreotti wegen seines politischen Geschicks häufig genannt. Seine Gegner nannten ihn auch häufig "Beelzebub" oder "schwarzer Papst", wegen seiner guten Verbindungen zum Vatikan.

Im vergangenen Jahr wurde Andreotti mehrfach mit Herzbeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert. Medienberichten zufolge litt er unter Herzrhythmusstörungen.

In einem Interview mit der Zeitung La Repubblica erklärte er im Jahr 2009, dass er, wenn er einmal sterben würde, "einige Geheimnisse mit ins Paradies nehmen" werde. Ins Paradies? "Ja, das glaube ich wirklich", sagte der gläubige Katholik. "Aber nur wegen der Güte Gottes, nicht weil ich es verdienen würde."

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