Zum Tod des Altkanzlers:Kohls Weggefährten erinnern sich

Helmut Kohl war nie alleine - er sammelte stets Menschen ums sich. Als Freund, Begleiter und Mentor konnte er fordernd und herrisch, aber auch charmant und einfühlsam sein.

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Angela Merkel

German Chancellor Angela Merkel receives diplomatic corps in the Chancellery in Berlin; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: REUTERS

Das Mädchen und der Alte - wäre ja Stoff genug für einen Roman. Die beiden aber haben Geschichte geschrieben, selbst wenn es nur Beziehungsgeschichte war. Er: Kanzler der Einheit, Förderer, politische Vaterfigur, Vorgänger. Sie: Schülerin, Protegé, Nachfolgerin. In diese Beziehungskiste eingebettet war die schnelle West-Karriere der protestantischen, ostdeutschen Frau, ihre Faszination für das politische Urvieh, ihr Fleiß und auch die Tränen, die sie an Kohls Kabinettstisch vergoss. Angela Merkel (Foto: Reuters) ist die beste Schülerin, die Helmut Kohl je hatte. Keiner hat einen vergleichbaren Instinkt für den richtigen Zeitpunkt, Dramaturgie, Mehrheiten entwickelt. Aussitzen? Schweigen? Zum richtigen Moment zupacken? Kann Merkel. Als sie es tat, am 22. Dezember 1999, in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen, war Kohl bereits angeschlagen. Ihr Trennungsaufruf an die CDU war gleichzeitig eine Verpflichtungserklärung für die Partei: auf die neue Vorsitzende. Kohl hat es hingenommen - ein Zeichen des Respekts.

Stefan Kornelius

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Wolfgang Schäuble

Germany's Finance Minister Wolfgang Schaeuble And France's Finance Minister Michel Sapin Attend Bunsdesbank Conference; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: Bloomberg

Wenn jemand im eigenen Selbstverständnis nicht geboren war für die Rolle des ewigen Kronprinzen, dann Helmut Kohls langjähriger Vertrauter, der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Kohls Ego mochte dem des Sonnenkönigs gleichen, aber auch das Selbstbewusstsein Schäubles ist - für manche sehr schmerzhaft - wohlbekannt. Spätestens 1984 wurde er als Chef des Kanzleramts eine der Säulen des Kohlschen Machtsystems. 1997 erklärte Kohl, Schäuble (Foto: Bloomberg) sei der richtige Mann für seine Nachfolge - irgendwann. Der Knick in der Karriere des 1942 geborenen Badeners kam 2000, als er wegen der Parteispendenaffäre zurücktrat. Auch die Freundschaft zu Kohl zerbrach damals. Unter vier Augen hat Schäuble den Altkanzler offenbar aufgefordert, die Namen der Spender offenzulegen. Seitdem gehört er zur Riege jener Weggefährten, mit denen Kohl sich überworfen hatte. Die beiden sind sich später wieder begegnet, aber zu einer richtigen Versöhnung ist es nie mehr gekommen.

Joachim Käppner

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Kurt Biedenkopf

S2 Kohl Weggefährten

Quelle: imago stock&people

Jahrelang funktionierte es gut zwischen Kurt Biedenkopf und Helmut Kohl. Der Professor und Manager fühlte sich dem gleichaltrigen Kohl zwar intellektuell eher überlegen, aber sie arbeiteten gemeinsam erfolgreich an Kohls frühem Aufstieg in Bonn. Kohl schlug als frisch gewählter Parteichef 1973 Biedenkopf (Foto: imago) als Generalesekretär vor, zusammen modernisierten sie die CDU. Ein Jahr später aber kam es zum Zerwürfnis, Biedenkopf wurden Ambitionen auf die Kanzlerschaft nachgesagt. Von nun an musste er sich gegen Kohl behaupten, als nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender, im Fraktionsvorstand im Bundestag und als unabhängige Stimme der CDU, die schon Mitte der Achtzigerjahre eine Annäherung an die Grünen betrieb. Erst im Zuge der Wiedervereinigung schaffte es Biedenkopf wieder in die erste Reihe und wurde mit Hilfe von Lothar Späth CDU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident in Sachsen - und blieb es bis 2002. Er hat bewiesen, dass man auch gegen Kohl noch etwas werden konnte in der CDU.

Roland Preuss

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Heiner Geißler

S2 Kohl Weggefährten

Quelle: imago stock&people

Auf dem Foto vom ersten Kabinett des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl steht schräg hinter dem Riesen ein drahtiger, blonder Mann: Heiner Geißler. Kohl hatte den Schwaben als findigen Sozialminister nach Mainz geholt, beide sind sie Jahrgang 1930, beide wollen sie die CDU und die Politik überhaupt verändern. Kohl wird Geißler groß machen. Geißler wird Kohl noch größer machen. Der scharfzüngige, intellektuelle, kreative Jesuitenschüler Geißler und Kohl, der Durchsetzer und Macher, sind für viele Jahre ein kongeniales Team: Geißler (Foto: imago), seit 1977 CDU-Generalsekretär, treibt die Auseinandersetzung mit der SPD und der Linken auf die Spitze ("fünfte Kolonne der anderen Seite") - alles, um Kohl ins Kanzleramt zu bringen. Der Bruch kommt 1989: Geißler hält die CDU für zu sehr von Kohl dominiert, Kohl wittert Verrat; er lässt Geißler fallen. Selten haben danach zwei Politiker, die sich einmal so nah waren, ihr Zerwürfnis so offen ausgetragen - mehr als 25 Jahre lang.

Matthias Drobinski

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Franz Josef Strauß

S2 Kohl Weggefährten

Quelle: imago stock&people

Selten hat ein Politiker seine Verachtung so brutal zum Ausdruck gebracht, wie es Franz Josef Strauß bei Helmut Kohl getan hat - und damit zugleich seinen wohl größten politischen Irrtum begangen. Es war nach der Bundestagswahl 1976, die die Union mit dem Spitzenkandidaten Kohl nur ganz knapp verloren hatte, als Strauß vor Vertretern der Jungen Union seiner CSU gewaltig Dampf abließ. Weil das Treffen in der damaligen Wienerwald-Zentrale in München stattfand, ist der Wutausbruch des CSU-Vorsitzenden, heimlich mitgeschnitten von einem Teilnehmer, als "Wienerwald-Rede" in die Geschichte eingegangen. Kohl sei "total unfähig", er werde niemals Kanzler werden, ihm fehle "alles dafür", wetterte Strauß (Foto: Imago). Es ist dann ganz anders gekommen, und Helmut Kohl hat es seinem Männerfeind später vielfach heimgezahlt. Als Ministerpräsident schickte Strauß unzählige Briefe nach Bonn, die mit "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Helmut", begannen. Kohl hat sie gerne im Papierkorb versenkt.

Peter Fahrenholz

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Richard von Weizsäcker

Richard von Weizsäcker gestorben; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: picture alliance / dpa

In Richard von Weizsäckers Memoiren taucht ein Name verdächtig selten auf: Helmut Kohl. Weizsäcker (1920 - 2015) galt in vielerlei Hinsicht als Gegenstück des Kanzlers: Er war eleganter, eloquenter, intellektueller, liberaler und vor allem beliebter als Helmut Kohl. Nur mächtiger, das war der einstige Berliner Regierende Bürgermeister und Bundespräsident (1984 - 1994) nicht, in dieser Disziplin ließ Kohl den Gegenspieler, den er selbst in die Politik geholt hatte, niemals auch nur in seine Nähe kommen. So blieb dem adeligen CDU-Herrn lediglich die Rolle des Gewissens der Kohl-Ära, eine Art Kanzler der Herzen. Von seiner berühmten Rede zum 40. Jahrestag des 8. Mai 1945 über den Nationalsozialismus als Ursache aller deutschen Not nach 1945 hat sich die konservative Geschichtspolitik nie mehr erholt. Schmerzhafter für Kohl war, dass ihm Weizsäcker (Foto: dpa) später Versäumnisse und Fehler im Prozess der deutschen Einheit vorwarf, vor allem ein überstürztes Tempo. Was blieb, waren zwei alte Herren, in Feindschaft verbunden.

Joachim Käppner

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Erich Ramstetter

Pfälzer Pfarrer traut Kohls Sohn; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: dpa/dpaweb

Die katholische Kirche ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Helmut Kohl, allerdings in einer Ausprägung, wie sie der junge Helmut gleich nach dem Krieg in Ludwigshafen kennengelernt hatte. Die Heimatgemeinde der Familie in Friesenheim wurde von Johannes Fink geleitet, später Gründungsvorsitzender der pfälzischen CDU. Kohl sog im Pfarrhaus in einem jungen Diskussionskreis wichtige Vorstellungen der christlichen Soziallehre, von Subsidiarität und Selbstverantwortung in sich auf. Erich Ramstetter (Foto: dpa) folgte später Fink als Pfarrer von Friesenheim und Stadtdekan von Ludwigshafen nach. Kohl pflegte mit ihm eine echte Freundschaft - eine der ganz wenigen in seinem Leben. Ramstetters Rolle wird von keinem Biografen wirklich ausgeleuchtet, er war der stille Begleiter Kohls. Als Familiengeistlicher traute er die Söhne und begrub Helmut Kohls erste Ehefrau Hannelore. In der Spendenaffäre war er Ratgeber - und wohl auch Beichtvater. Kaum einer wird Helmut Kohl so nah erlebt haben wie er.

Stefan Kornelius

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Eduard Ackermann

S2 Kohl Weggefährten

Quelle: Imago/dpa/Getty

Als Eduard Ackermann 1995 in den Ruhestand verabschiedet wurde, versammelte sich im Bonner Palais Schaumburg eine Festgesellschaft, die kein anderer Ministerialbeamte vor und nach ihm je erlebt hat: Bundespräsident, Kanzler, die Bundestagspräsidentin, viele Minister, Chefredakteure aus der ganzen Republik. Bescheiden hätte Ackermann (1928-2015) wohl gesagt: Er habe eben viele gekannt. Viele kennen - das war die Stellenbeschreibung des Leiters der Abteilung 5 für Kommunikation, Dokumentation und politische Planung im Kanzleramt. Tatsächlich war Ackermann (Foto: imago) Sprachrohr und Hörrohr in einem, Sensor und Testperson, Berater und Watschenmann. Ackermann kam als Sprecher der Unionsfraktion zu Kohl. Er blieb Sprecher und Deuter für eine kleine Schar Journalisten. Zudem war er einer der wichtigsten Informations-Zuträger für Kohl, dessen Hunger nach Klatsch und Neuigkeiten unersättlich war. Ackermann war das alte Bonn. Die neue Medienwelt ließ er nach Berlin ziehen. Er starb im Februar 2015.

Stefan Kornelius

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Rudolf Seiters

150 Jahre deutsches rotes Kreuz; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: picture alliance / dpa

Jeder Politiker, der nach außen glänzt, braucht jemanden, der innen für ihn die Arbeit macht. Helmut Kohl war der Kanzler der Einheit, Rudolf Seiters ihr Mechaniker. Erst ein halbes Jahr vor dem Mauerfall war er vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Union zum Kanzleramtsminister befördert worden. Nun handelte er mit der DDR-Regierung Reisedevisenfonds und Staatsverträge aus. Er stand neben Genscher, als der seinen berühmten Auftritt auf dem Prager Balkon hatte. Zu ihm sagte Kohl, als sie am 19. Dezember 1989 in Dresden landeten und schon am Flughafen ein Meer aus Schwarz-Rot-Gold plus einen versteinerten SED-Ministerpräsidenten sahen: "Die Sache ist gelaufen." Bis zum Schluss sprach Kohl gut über Seiters (Foto: DPA). Es tat ihm weh, dass er 1993 dessen Rücktritt als Innenminister akzeptiert hatte. Nach einem GSG 9-Einsatz gegen die RAF hatte es Berichte gegeben, dass dabei ein Terrorist vorsätzlich erschossen worden sei. Das stellte sich später aber als falsch heraus.

Detlef Esslinger

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Lothar Späth

S2 Kohl Weggefährten

Quelle: imago stock&people

Es gibt Ehrentitel, die sind nur auf Zeit eine Ehre, dann werden sie zur Last. Lothar Späth (1937-2016), der Spitznamen irgendwie anzog, galt einst als "Reservekanzler" der CDU hinter Helmut Kohl. 1978 war der umtriebige Schwabe Ministerpräsident in Stuttgart geworden, mit seinem Faible für Hightech weckte er Baden-Württemberg aus zufriedenem Schlaf. Doch 1989 verließ das "Cleverle" die Cleverness: Allzu zaghaft kam er aus der Reserve. Erst plante er eifrig den Kanzlersturz, dann traute er sich auf dem Bremer Parteitag nicht, gegen Kohl zu kandidieren. Als "Bremer Stadtmusikanten" verspottete Kohl die Putschisten. Der Bannstrahl des Kanzlers traf Späth so unerbittlich wie andere, jedoch nicht so dauerhaft. 1998 bat ihn Kohl sogar um Wahlkampfhilfe. Und das, obwohl Späth (Foto:imago) in seiner Zweitkarriere als Manager ("Mr. Industrie Ost") die Stichelei gegen den Kanzler pflegte. "Blühende Landschaften" hatte Kohl versprochen. Späth nannte sein Buch über die neuen Länder: "Blühende Phantasien und harte Realitäten".

Roman Deininger

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Rita Süssmuth

Rita Süssmuth Berlin Deutschland Europa iblnom03876223 jpg; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: imago/imagebroker

Ohne Helmut Kohl wäre sie nie in die Politik gekommen: Er hatte die Professorin, die erst 1981 in die Union eingetreten war, vier Jahre später zum Kennenlernen ins Kanzleramt geladen und ihr da gleich das Familienressort angeboten (das ein Jahr später um das neu geschaffene Frauenministerium erweitert wurde). Aber ohne eine Vorzeigeministerin wie Rita Süssmuth (Foto: imago) hätte Kohl eben auch auf Dauer die Zustimmung eines wichtigen Teils der Wählerschaft der CDU aufs Spiel gesetzt: der Frauen. Das sagte ihm sein Machtinstinkt. Für ihn war, wie Süssmuth es einmal formulierte, Frauenpolitik durchaus "eine entscheidende Zukunftsfrage". Ihre Positionen für eine Frauenquote und zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts gingen Kohl indes erkennbar zu weit. Wirklich ernst nahm er Süssmuth ohnehin nicht, zu unerfahren erschien sie ihm in der Politik. Das sollte sich rächen: Sie zählte zum Kreis der Frondeure, die ihn 1989 entmachten wollten. Ihr Verhältnis war zerrüttet. Endgültig.

Reymer Klüver

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Norbert Blüm

Frankfurter Buchmesse 2014 - Norbert Blüm; S2 Kohl Weggefährten

Quelle: picture alliance / dpa

Helmut Kohl war 16 Jahre lang Kanzler, Norbert Blüm war diese ganzen 16 Jahre lang Arbeitsminister - der Einzige, der die Epoche im Kabinett voll mitmachte. Normalerweise entsteht daraus eine Verbundenheit, die ein Leben lang hält. Aber auch zwischen Blüm und Kohl kam es zum Bruch. Im Zuge der Parteispendenaffäre hatte Blüm (Foto: dpa) lange mit sich gerungen, ob er loyal zum alten Chef bleiben sollte. Schließlich fand er, wichtiger als die Loyalität zu Kohl sei die zum Rechtsstaat, auch ein Kanzler dürfe sich nicht über das Gesetz stellen. Also stimmte Blüm am 18. Januar 2000, damals CDU-Vize, dafür, dass Kohl den Ehrenvorsitz der Partei ruhen lassen solle. Aus dessen Sicht war er damit ins Lager der Feinde gewechselt. Blüm ist ein Mensch, der keinem nötigen Streit aus dem Weg geht. Aber ihm liegt immer auch an Versöhnung. Es hätte ihm viel bedeutet, hätten er und Kohl wieder ihren Frieden miteinander gemacht. Aber Kohl wollte nicht. Es hat nie wieder auch nur ein Telefonat zwischen beiden gegeben.

Detlef Esslinger

© SZ.de/dpa/Imago/Getty
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