Zukunftstreffen von CDU und CSU:Die CSU hat Merkel geschadet - und sich selbst

Spitzentreffen CDU und CSU

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ist einer der lautstärksten Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel.

(Foto: dpa)
  • CDU und CSU treffen sich in München und wollen die Streitigkeiten beilegen.
  • Beim "Zukunftstreffen" wird die CSU Angela Merkel als Kanzlerkandidatin unterstützen.
  • Seit Herbst 2015 hatten Seehofer und Söder die Flüchtlingspolitik der CDU immer wieder scharf angegriffen.
  • Jetzt drohen Stimmenverluste: rechts an die AfD, auf der anderen Seite erstarkt die SPD mit Martin Schulz.

Von Oliver Das Gupta

Die jüngste Vorstandssitzung der CSU war für viele Anwesende eine unangenehme Veranstaltung. Die einen, darunter Ex-Parteichef Edmund Stoiber und die Hardliner Markus Söder und Hans-Peter Friedrich, mussten über ihren Schatten springen. Von den anderen dachte mancher: Hoffentlich raufen wir uns nicht zu spät zusammen.

Dabei war die Entscheidung eigentlich reine Formsache: Die CSU-Spitze einigte sich darauf, mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel in den Wahlkampf zu ziehen. Im Gegensatz zu vergangenen Bundestagswahlen ist das diesmal nicht selbstverständlich. In der Flüchtlingskrise haben sich die Führungen der Unionsparteien entzweit. Das liegt vor allem an den drastischen Attacken aus der CSU gegen Merkel.

Doch der Wahltermin rückt näher, und so soll nun wieder Harmonie herrschen. Deshalb hat CSU-Chef Horst Seehofer zu einem "Zukunftstreffen" nach München geladen, an diesem Sonntagnachmittag tagen die Parteispitzen.

Es gilt, Einigkeit und Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen. Seehofer wird Merkel loben und am Montag als Kanzlerkandidatin ausrufen. Man wird auf die große inhaltliche Übereinstimmung hinweisen und betonen, dass die CSU in den vergangenen Wahlkämpfen mit Betreuungsgeld und Pkw-Maut ja auch schon andere Positionen besetzt habe als die CDU. Nun ist es halt die Obergrenze für Flüchtlinge. Klingt einfach und schlüssig, doch die Union steckt in mehrfacher Hinsicht in der Klemme.

Ausrichtung des Wahlkampfes

Signifikant unterscheiden sich CDU und CSU in der Ausrichtung des Wahlkampfes. Die Christsozialen dringen auf einen traditionellen Lagerwahlkampf, der sich gegen eine rot-rot-grüne Republik wendet. Die CDU hingegen will sich auf die SPD als Gegnerin fokussieren und eine Koalitionsaussage vermeiden, wie die FAS berichtet.

Merkel und ihre Unterstützer wollen die Option Schwarz-Grün offenhalten. Dagegen sträubt sich die CSU, die sich die Grünen nicht als Koalitionspartner vorstellen können. Außerdem hält man sich am Diktum des seligen Franz Josef Strauß fest, wonach es in Bayern keine politische Kraft rechts von der CSU geben darf, also auch keine AfD. Wolle man die Rechtspopulisten eindämmen, dürfe man nicht links blinken, schon gar nicht grün - glaubt zumindest die CSU. In Umfragen liegt die AfD trotzdem bei zehn Prozent.

Beschädigung der Kanzlerin

Das Trommelfeuer auf die Kanzlerin wegen der Flüchtlingspolitik hat Spuren hinterlassen. Bei einem Teil der potentiellen CSU-Wählerschaft gilt sie als kaum noch wählbar. Entscheidend ist dabei nicht die Kritik an sich, es geht um Intensität und Wortwahl der Angriffe.

Seehofer hat mit Blick auf Merkel von der "Herrschaft des Unrechts" gesprochen. Söder stellt als Talkshow-Dauergast sicher, dass die "Obergrenze" immer noch als Streitpunkt wahrgenommen wird - obwohl längst viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen als 2015. Mögen sich Seehofer und Söder persönlich spinnefeind sein: Gemeinsam torpedieren sie effektiv die Autorität der Kanzlerin.

Die CSU-Spitze hat die Kritik an Merkel politisch legitimiert, aber inhaltlich so gut wie nichts erreicht. Merkel ist immer noch da - allerdings massiv beschädigt in der CSU-Wählerschaft. Nun, da Merkels Kanzlerkandidatur doch unterstützt wird, läuft die CSU Gefahr, ausgerechnet jene Wähler an die AfD zu verlieren, die sie mit ihrer Anti-Merkel-Linie halten wollte.

Diesem Dilemma wollten die Strategen bislang mit einem eigenen Spitzenkandidaten entgegenwirken, der die Anti-Merkel-Haltung personifiziert. Einer, den man nach Berlin an den Kabinettstisch setzt, damit er der Kanzlerin Paroli bietet. Söder hat sich als Merkel-Opponent positioniert, auch der bayerische Innenminister Joachim Hermann käme für den Job in Frage. Doch beide bevorzugen es, in München zu bleiben.

Mit Merkel, aber gegen Merkel, um den rechten Rand einzubinden. Es ist fraglich, ob eine solche Strategie funktioniert. In Nachbarländern, wo Konservative ähnlich agieren, um Rechtspopulisten zu stoppen, klappt es nicht - schöne Grüße aus Österreich und Frankreich.

Der Schulz-Effekt

Lange Zeit war die CSU in einer komfortablen Lage: Sie konnte auf Stimmen der Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik hoffen, die damit in Berlin Schlimmeres verhindern wollten. Doch auch Bayern, die den Kurs der Kanzlerin unterstützen, hätten wohl oder übel ihr Kreuz bei der CSU machen müssen - die Schwesterpartei können sie im Freistaat schließlich nicht wählen.

Seit Ende Januar hat sich die Lage verändert: Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vertritt in der Flüchtlingsfrage ähnliche Positionen wie Merkel, auch seine Europapolitik ist vergleichbar. Außerdem tritt er mit einer Leidenschaft auf, die der Kanzlerin abgeht. Das kommt an: Aktuelle Umfragen zeigen, dass die SPD mit Schulz von den Halbtoten erwacht. Bei Emnid ist die SPD von 23 auf 29 Prozent hochgeschnellt und liegt nur noch vier Punkte hinter der Union.

Damit muss die Union an zwei Fronten kämpfen: Rechts drohen Stimmenverluste an die AfD, auf der anderen Seite erstarken die Sozialdemokraten. Spätestens, seitdem sich diese auf Schulz festgelegt haben, sollte der CSU klargeworden sein, wie brenzlig die Lage auch für sie werden kann: In Berlin droht eine starke SPD und schürt Ängste vor einer linken Mehrheit, und die AfD wird man auch in Bayern nicht unter fünf Prozent halten können.

Nun muss die CSU mit einer Kandidatin in den Wahlkampf ziehen, die sie seit fast anderthalb Jahren konsequent schlecht geredet hat. AfD und SPD profitieren davon. Möglich, dass das "Zukunftstreffen" unionsintern eine Wende zum Guten wird. Möglich, dass sich CDU und CSU nun am Riemen reißen und das Gemeinsame betonen, statt die Unterschiede zu dramatisieren. Angesichts der Erfahrungen des letzten Jahres sollten Unionsanhänger nicht allzu viel Hoffnung haben.

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