Zukunftskonvent der SPD in Nürnberg:Becks letzte Chance

Morgen soll SPD-Chef Kurt Beck es allen zeigen und mit seiner Rede eine neue Aufbruchstimmung in der Partei erzeugen. Es hängt viel davon ab, ob ihm das gelingt. Er sollte sich besser anstrengen.

Thorsten Denkler, Berlin

Im Bücherregal hinter SPD-Generalsekretär Hubertus Heil steht der, der das Unheil über die Partei gebracht hat. Gerhard Schröder, Erfinder der Agenda 2010, lächelt auf dem DIN-A4 großen Foto sein Haifisch-Lächeln, während Heil in der YouTube-Video-Botschaft für den Zukunftskonvent 2008 am Samstag in Nürnberg wirbt.

Zukunftskonvent der SPD in Nürnberg: SPD-Chef Kurt Beck

SPD-Chef Kurt Beck

(Foto: Foto: Getty Images)

"Viele Leute fragen sich: Wie geht's eigentlich weiter in Deutschland", sagt Heil in dem Video, Hände in die Hüften gestemmt und des Jacketts entledigt. Doch viele Leute fragen sich vor allem: Wie geht's eigentlich weiter in der SPD?

Kurt Beck will/soll/muss darauf eine Antwort geben. Mit seiner Rede am Samstag soll er nichts Geringeres leisten, als die Menschen von der SPD, und die SPD von sich zu überzeugen. Im Willy-Brandt-Haus erwarten manche eine hervorragende Rede, nicht zu vergleichen mit dem Reinfall vom Hamburger Bundesparteitag Ende vergangenen Jahres. Damals galt als Höhepunkt Beckscher Rhetorik, wie er minutenlang darüber räsonierte, wie wichtig die Lottoeinnahmen für die Sportförderung seien.

Rede als Eignungstest

Es ist Becks vorerst letzte Chance, seine Eignung als Kanzlerkandidat unter Beweis zu stellen. Das hat er - so er das Amt will - bitter nötig.

In den Umfragen erreicht die Partei mit weit unter 30 Prozent gerade noch jene hartgesottenen Stammwähler, die jede Volte ihres Parteivorsitzenden ungerührt mitmachen. Die Mehrheit der Deutschen kann aber im Moment weder etwas mit der SPD und schon gar nicht mit ihrem Parteivorsitzenden anfangen. Seine Zustimmungswerte tendieren langsam gnadenlos gegen Null.

Das hat Gründe, vor allem hausgemachte. Spätestens seit der Hessen-Wahl hat Beck den Ruf weg, ein notorischer Umfaller zu sein. Erst darf nicht an der Agenda 2010 gerüttelt werden, dann verlängert er das Arbeitslosengeld I für Ältere. Erst will er nie und nimmer mit der Linkspartei zusammenarbeiten, dann nur im Bund nicht. Erst ist er gegen einen eigenen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, dann für Gesine Schwan.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla lästert bereits, Beck kippe auch dann noch um, wenn er bereits am Boden liege. Von Kanzlerin Angela Merkel ist der Satz überliefert, sie wisse nicht, ob sie morgens nicht lieber gleich bei SPD-Vize Andrea Nahles anrufen soll. Dort vermutet sie inzwischen offenbar das wahre Machtzentrum der SPD.

Diese Woche sollte zeigen, dass die SPD sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen kann. Erst wird Gesine Schwan als intellektuelle und erfrischende Kandidatin gegen Horst Köhler aus dem Hut gezaubert. Dann stellt Beck ein neues Steuern- und Abgaben-Modell vor, für das er ausnahmsweise sogar gelobt wird.

Die Furcht der Ratgeber

Den krönenden Abschluss der Woche soll Nürnberg bringen. Da geht es "um die Zukunft Deutschlands", so wollen es die Konvent-Organisatoren. Tatsächlich aber geht es um die Zukunft der SPD, um die Zukunft von Kurt Beck.

Die Rede des Parteivorsitzenden sei gut vorbereitet, ist aus der SPD-Zentrale zu hören. Alles stehe bereit für ein unüberhörbares Aufbruchsignal. Was jetzt noch schief gehen kann ist, dass Beck mal wieder nicht auf seine Berliner Ratgeber hört und auf eigene Faust seine Karteikarten voll schreibt. In Hamburg war das auch so.

Becks Rede wird im Anschluss nicht verhandelt, wie es auf einem Parteitag üblich wäre. Dabei gäbe es einigen Anlass zu ausführlichen Debatten. Wie etwa die SPD mit der Linken umgehen soll, konnte die Basis noch nicht breit mit ihrer Führung diskutieren.

Erwartet wird lediglich, dass Beck das heikle Thema kurz in seiner Rede anschneiden wird. Überraschende Erkenntnisse wird die Passage nicht bringen: Mit der Linken nicht im Bund, ist sein Credo seit der Hessen-Wahl. Zumindest nicht 2009. Weil es inhaltlich nicht passt. Und wenn es sein muss, soll ein Bundesparteitag diese Position gerne noch mal beschließen.

Sein Vor-Vorgänger im Parteiamt, Franz Müntefering, hatte letzteres in der Süddeutschen Zeitung gefordert. Auch wieder ein klassisches Beck-Manöver: Erst will er nicht, hat ja schon Hunderte Male versichert, dass er mit der Linkspartei im Bund nicht will. Dann die 180-Grad-Wende: Jetzt soll das doch der Parteitag noch mal formal beschließen.

Keine kritische Diskussion in Nürnberg

Ein kritische Debatte ist also nicht zu erwarten. Die Themen sind auf Einigkeit und Geschlossenheit getrimmt. Es stehen überhaupt nur jene Themen auf der Tagesordnung, die die SPD-Strategen als mögliche Gewinner-Themen ausgemacht haben. "Gute Arbeit" heißt so ein Thema, das seit Hamburg auch im Grundsatzprogramm der SPD verankert ist. Dazu gehören etwa die Komplexe Arbeitsbedingungen, Mindestlohn oder Arbeitszeiten.

Von den 20 Foren, in denen die Genossen am Nachmittag diskutieren dürfen, sind allein zwölf für Arbeit und Soziales vorgesehen. In den restlichen acht Foren soll es um Außen-, Umwelt-, oder Familienpolitik gehen. Es wird da eher um Details als um grundsätzliches gehen. Querschläger dürften es schwer haben, die noch zu erzeugende Jubellaune zu stören.

Die Aufgabe für die knapp 3000 angemeldeten Funktionäre aus den Landes- und Bezirksverbänden, Unterbezirks- und Ortsvereinsvorsitzenden und Aktiven aus SPD-Foren und Arbeitsgemeinschaften soll dabei keine geringere sein als die Chance zu nutzen, "Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung des sozialdemokratischen Regierungsprogramms 2009-2013". Die in Nürnberg erarbeiteten Vorschläge, so lockt die Parteiführung, könnten also Teil des Wahlprogramms werden. Ob Beck auch Teil des Wahlprogramms sein wird, muss sich dann noch zeigen.

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