Zukunft der SPD:Mit Münte in die Mitte

Franz Müntefering könnte der neue Hoffnungsträger der Partei werden und so einen gescheiterten Kurt Beck ersetzen. Wenn denn die Linke endlich zur Vernunft käme.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Unterschied war nicht zu übersehen. Hier der amtierende Parteichef, der mit einem einschläfernden Referat über brennende Dinge wie das deutsche Sparkassenwesen und die staatliche Lotterie den Saal konsequent in den Tiefschlaf redet. Dort der in Flammen stehende Vizekanzler und Arbeitsminister, der mit einer fulminanten Rede die Delegierten zum Kochen bringt. Geschehen vergangenen Herbst auf dem Bundesparteitag der SPD in Hamburg.

Zukunft der SPD: Die SPD braucht Franz Müntefering. Das haben viele in der Partei noch nicht begriffen.

Die SPD braucht Franz Müntefering. Das haben viele in der Partei noch nicht begriffen.

(Foto: Foto: dpa)

Seitdem hat sich für den einen viel, für den anderen wenig geändert. Franz Müntefering ist vom Amt zurückgetreten, er hat sich um seine schwerkranke Frau gekümmert, die vor zweieinhalb Wochen verstorben ist. Der andere, Kurt Beck, steckt nach einigen Pannen nach wie vor im Umfragekeller und fragt sich täglich, wie er da wieder rauskommen kann.

Nun werden die ersten Gerüchte gestreut, Franz Müntefering werde sich wieder aktiv in die Bundespolitik einbringen. Manche wünschen sich ihn zurück auf den Chefsessel der Partei. Seit er das Amt hat sausen lassen, weil einige linke Rechthaber seinen Wunschkandidaten für das Amt des Generalsekretärs nicht mittragen wollten, geht es mit der Partei stetig bergab. Sein Nachfolger Matthias Platzeck gab bald gesundheitsbedingt auf. Kurt Beck erwies sich dann als - ziemlich verbogener - Notnagel.

Franz Müntefering könnte in der Tat der Mann werden, der die SPD wieder nach vorne bringt. Er hat alles, was Beck nicht hat, aber ein Parteichef braucht: klare Standpunkte, Führungswillen, Durchsetzungsstärke. Und ein Ziel: Er will regieren.

Ob er und damit auch die Partei eine zweite Chance bekommen, hängt aber möglicherweise weniger von ihm ab, als von der Parteilinken.

Müntefering hat sich nie zum rechten oder linken Flügel bekannt. Er hat schlicht die Politik gemacht, die er für richtig hielt - sei es die Agenda 2010 oder die Rente mit 67. Für die Linke ist er damit ein Rechter.

Als gezielte Provokation muss ihm der Vorschlag aus der Linken vorkommen, er könne ja den Vorsitz der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung übernehmen. In der Regel sind das Altersruhesitze für verdiente Mitglieder der zweiten bis dritten Garnitur.

Stattdessen sind für Kurt Beck aus der linken Ecke der Partei lobende Worte zu hören. Der Linken geht es ja auch gut unter ihm. Er hat sie auf eine Art eingebunden, wie sie es unter Gerhard Schröder und auch unter Müntefering nicht mehr gekannt hatte. Sie hat plötzlich Einfluss; Becks linke Stellvertreterin Andrea Nahles gilt als heimliche Parteichefin.

Die beiden anderen, reformorientierten Stellvertreter, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, sind so sehr mit ihren Ministerämtern beschäftigt, dass sie dem Tatendrang der Abgeordneten Nahles kaum etwas entgegensetzen können. Die Parteirechte, unter Schröder noch maßgebend, ist abgemeldet.

Auch die Linke will in der Republik regieren. Sie will aber offensichtlich lieber mit Beck untergehen als unter Müntefering zweite Geige spielen. Sie merkt nicht, dass ihr längst alle Felle davonschwimmen - weil Treue zum Vorsitzenden in diesem Fall nahezu unweigerlich Opposition bedeutet.

Die Nibelungentreue zu Beck könnte den als Kanzlerkandidat schon gesetzten Frank-Walter Steinmeier beschädigen. Becks Sticheleien gegen die große Koalition treffen auch ihn. Dabei müssten Beck und die Linke schon jetzt beginnen, dem Außenminister in allen politischen Fragen freie Hand zu lassen. Nur so lässt sich die Chance erarbeiten, an einen Wahlsieg 2009 überhaupt denken zu dürfen.

Ein Franz Müntefering an Steinmeiers Seite wäre zwar nicht die Wunschkonstellation der Linken - aber es wäre ein schlagkräftiges Duo. Es könnte die Partei wieder auf den einzigen Weg führen, der Wahlerfolge verspricht - den der politischen Mitte.

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