Zschäpe und ihre Anwälte:Wie es im NSU-Prozess weitergehen kann

NSU Prozess

Die Angeklagte Beate Zschäpe (2.v.r.) zwischen ihren Anwälten Wolfgang Stahl (links), Anja Sturm und Wolfgang Heer.

(Foto: dpa)

Heute muss Beate Zschäpe begründen, warum sie ihren Anwälten das Vertrauen entzogen hat. Platzt nun der NSU-Prozess? Wie das Gericht das verhindern kann - und warum es eine besondere Fürsorgepflicht für die Angeklagte hat.

Von Heribert Prantl

Im Justizjargon heißt der Pflichtverteidiger "Pflichtl". Das klingt ein wenig despektierlich und herablassend, das klingt so, als ob da irgendein Anwalt vom Gericht zum Verteidiger bestellt wird, weil es so Brauch ist und das Gesetz es nun einmal so will.

"Pflichtl" - das klingt nach einer eigentlich überflüssigen Beigabe, nach einer Verzierung des Strafprozesses aus rechtsstaatlichen Gründen. Also: Hauptsache, es ist irgendein Verteidiger da, der irgendwas sagt und irgendwas macht. Gute Pflichtverteidiger fühlen sich nicht so und agieren nicht so; sie suchen und brauchen das Vertrauen des Menschen, den sie verteidigen. Und gute Richter - Manfred Götzl, der Vorsitzende Richter im Strafprozess gegen Beate Zschäpe gilt als guter Richter - denken nicht in Pflichtl-Kategorien. Sie wissen: Verteidigung ist kein notwendiges Übel.

Es ist umgekehrt: Ohne ordentliche Strafverteidigung ist der Strafprozess ein Übel; ein Prozess kann dann zur Justizfarce werden. Deshalb ist der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht nun in einer kritischen Phase. Und zwar auch und erst recht dann, wenn er in der bisherigen Besetzung, also mit den bisherigen Pflichtverteidigern, weiterginge - weil das Gericht fürchtet, dass sich sonst das Verfahren verzögern oder dass es gar platzen könnte und ganz von vorn aufgerollt werden müsste.

Wenn aber zwischen der Angeklagten und ihren drei Pflichtverteidigern kein Vertrauen mehr besteht, leidet die Verteidigung und damit der gesamte Strafprozess. Dieses Leiden ist nicht nur Gefühlssache und hat nicht nur Auswirkungen auf das Prozessklima. Es kann Auswirkungen darauf haben, ob das Urteil Bestand hat, das am Ende des Prozesses gefällt wird. Es gibt nämlich eine prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts für die Angeklagte; und zur Fürsorge gehört, dass sie einen rechtlichen Beistand hat, dem sie traut. Die Verletzung dieser richterlichen Fürsorgepflicht kann eine Revision begründen.

Der Vorsitzende Richter hat Beate Zschäpe aufgefordert, zu begründen, warum sie zu ihren bisherigen Anwälten kein Vertrauen mehr hat. Er hat ihr dafür eine sehr kurze Frist gesetzt. Beides ist heikel. Erstens die Begründungspflicht: Es geht zwar nicht ohne eine solche Begründung, weil das Gericht eine Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung braucht, ob es andere Verteidiger bestellen muss. Diese Darlegungen - die von der Angeklagten und ihren Pflichtverteidigern verlangt werden - greifen aber tief in den internen Bereich der Verteidigung, ins Anwaltsgeheimnis und die Schweigepflicht ein.

Das Gericht erfährt auf diesem Weg von den Strategien der Verteidigung. Das ist nicht gut, aber schwer zu ändern. Anders ist das mit der knappen Fristsetzung: Da sitzt die Angeklagte in ihrer Zelle in Stadelheim und muss Gründe formulieren, die den hohen Vorgaben der Rechtsprechung gerecht werden. Das ist ohne juristische Hilfe kaum möglich - aber diese Hilfe hat sie nicht, weil sie sich ja gegen ihre bisherigen Helfer wendet. Den Wachtmeister in Stadelheim oder auch einen Rechtspfleger wird man in dieser Situation kaum als adäquate juristische Hilfe betrachten können.

Ein Mediator, der zwischen der Angeklagten und ihren Verteidigern vermittelt

Welche Möglichkeiten könnte es geben? Erstens: Man gibt der Angeklagten Zschäpe nicht nur länger Zeit, ihre Bedenken zu formulieren, sondern ordnet ihr speziell zu diesem Zweck auch einen Anwalt bei. Zweitens: Wenn Zschäpes Bedenken gegen ihre bisherigen Pflichtverteidiger Gewicht haben, könnte das Gericht einen neuen, vierten Pflichtverteidiger bestellen, der das Vertrauen der Angeklagten hat, aber zugleich die bisherigen Pflichtverteidiger im Amt lassen, um die Kontinuität des Verfahrens zu sichern. Bei einer kompletten Auswechslung der Pflichtverteidigung besteht die Gefahr, dass sie sich auch in vierwöchiger Unterbrechung nicht in die umfangreiche Materie einarbeiten könnte - dann platzt der Prozess.

Drittens: Am besten wäre es, wenn das Vertrauen zwischen der Angeklagten und den bisherigen Pflichtverteidigern wieder hergestellt werden könnte - und das Gericht dafür einen anwaltlichen Mediator einschaltet. Ein besonderer Prozess kann besondere Mittel erfordern.

Beate Zschäpe hat bisher drei Pflichtverteidiger. Es handelte sich ursprünglich um ihre Wahlverteidiger - die Zahl dieser gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen. Das Gericht hat dann auf Antrag alle drei zu Pflichtverteidigern bestellt; das ist üblich, wenn es sich, wie hier, um einen Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung handelt - und die ungewöhnlich hohe Zahl von drei Pflichtverteidigern rechtfertigt sich mit dem Umfang und der Bedeutung der Sache.

Für die Pflichtverteidigung gilt die Beschränkung auf drei Verteidiger ohnehin nicht. Es könnte auch ein vierter oder gar ein fünfter bestellt werden. Die Stellung des Verteidigers im Verfahren kann man gar nicht überschätzen: Er hat selbständige Rechte, er kann eine andere Verteidigungstaktik verfolgen als die Angeklagte, er kann auch Erklärungen abgeben, die die Angeklagte vielleicht so gar nicht äußern will, oder Beweisanträge gegen ihren Willen stellen. Das zeigt, wie sensibel der Vorsitzende Richter seine Fürsorgepflicht für die Angeklagte wahrnehmen muss.

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