Zölibat und Missbrauch:Das Ende des elften Gebots

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Das Ende des Zölibats? Einst wurde man für diesen Vorschlag fast gelyncht. Aber in vielen Heiligengeschichten war eine Katastrophe bereits der Anlass zur Umkehr - warum nicht auch heute?

Heribert Prantl

Als vor bald tausend Jahren den Priestern die Ehelosigkeit verordnet wurde, wagten es in Deutschland nur drei Bischöfe, diese römischen Dekrete zu verkünden. Der Bischof von Passau wurde von seinem Klerus ums Haar gelyncht, als er das tat.

Das hat sich im Lauf der Zeit sehr geändert. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden diejenigen fast gelyncht, die den Zölibat aufheben wollten. Der Vatikan tat so, als sei die Pflicht zur Ehelosigkeit der Priester das elfte Gebot. Es wurde so getan, als sei der Zölibat heilige Pflicht. Nur Abtrünnige stellten das in Frage, Leute wie Martin Luther.

Das ist vorbei. Heute sind es die Treuesten der Treuen, die den Zwang zur Ehelosigkeit in Frage stellen. Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat das unlängst getan, als er sagte, die Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit sei theologisch nicht notwendig.

Pflichtzölibat für Priester aufheben?

Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hat sich dafür ausgesprochen, den Pflichtzölibat für die Priester aufzuheben. Und soeben hat auch Odilo Lechner, der frühere Abt der Benediktinerklöster St. Bonifaz und Andechs, dafür geworben; die Abschaffung des Zölibats sei etwas, so sagte er, "was der Kirche nottut und was die Gemeinden brauchen".

Das ist ein Satz, den die meisten Katholiken unterschreiben. Der verheiratete Priester gilt ihnen nicht mehr als lutherische Verirrung, sondern als kluge Option. Ginge es nach dem Kirchenvolk - es würde den Artikel 23 der Confessio Augustana von 1530 auch in das katholische Kirchenrecht schreiben: "Der Priester darf heiraten, weil Gottes Schöpfungsordnung die Ehe vorsieht."

Aber in der katholischen Kirche geht es nicht nach dem Kirchenvolk, sondern nach den Päpsten, und die haben sich bisher nicht beirren lassen: nicht davon, dass Jesus die Ehelosigkeit von seinen Jüngern nicht gefordert hat; nicht davon, dass Petrus, der "erste Papst" verheiratet war; und auch nicht davon, dass am Beginn der priesterlichen Ehelosigkeit vor tausend Jahren höchst irdische Beweggründe standen: Die Pfründe der Kirche sollte nicht durch Vererbung an Kinder beeinträchtigt werden. Von solchen Begründungen hat sich der Zölibat zwar gelöst - aber gelockert hat er sich nicht.

Die Mißbrauchs-Skandale sind ein GAU für die Kirche, eine globale Katastrophe. Diese Katastrophe funktioniert aber womöglich wie eine Zeitmaschine: Sie schüttelt und rüttelt die Kirche so, dass am Ende eine Erkenntnis steht, die es ohne Katastrophe nicht gegeben hätte. Wenn es theologisch nicht notwendig ist, ein Zölibats-Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Zölibats-Gesetz zu machen.

Die Lockerung des Pflichtzölibats wird zwar das Missbrauchs-Problem nicht lösen, aber es kann ein Beitrag sein zu seiner Linderung. In vielen Heiligengeschichten war eine Katastrophe der Anlass zur Umkehr. Warum soll es in der Geschichte der katholischen Kirche nicht auch so sein?

© SZ vom 20.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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