Zivil- und Katastrophenschutz:Ein Tischgebet für Planungsstäbe

Das Konzept des Bundesinnenministers überrumpelt die Bevölkerung und macht Angst. Es hält nicht einmal Krieg, Terror und Stromausfall auseinander.

Von Heribert Prantl

Wo aber Gefahr ist, heißt es, wächst das Rettende auch; leider wächst es nicht im Bundesinnenministerium. Das von Minister de Maizière vorgestellte "Konzept Zivile Verteidigung" ist eher ein Tischgebet für Planungsstäbe denn eine kluge Vorsorge und bürgerliche Handlungsanleitung für Notfälle.

Jedenfalls in der Art, wie es kommuniziert und präsentiert wird, ist es ein Hysterisierungskonzept. Es überrumpelt die Bevölkerung; es macht mehr Angst, als dass es Angst beseitigt; es sorgt mehr für Unsicherheit als für Sicherheit - schon deswegen, weil es Krieg, Terror und Katastrophe nicht deutlich genug auseinanderhält. Das Konzept liest sich da und dort wie die Vorbereitung zu einem neuen Notstandsgesetz, das so gestrickt ist, dass durch die Maschen die Bundeswehr ins Innere schlüpfen kann - womöglich gar mit einer neuen wehrpflichtbasierten Heimatschutztruppe. Wer ein wichtiges Projekt (und der Zivil- und Katastrophenschutz ist ein höchst wichtiges Projekt!) so rumpelig anfängt, der muss sich nicht wundern, wenn dann nichts daraus wird.

De Maizière überrumpelt die Bevölkerung; er macht Angst

Krieg, Terror und Stromausfall - alles eine einzige Katastrophe? So undifferenziert kann man an die Dinge nicht herangehen. Das wird nicht besser dadurch, dass in dem Konzept sehr differenziert dargelegt wird, wie viele Taschenlampen, Batterien und Konservendosen jedermann doch vorsichtshalber zu Hause horten solle. Macht mit, kauft ein, sorgt vor, jeder Haushalt ist ein kleiner Bunker: Das erinnert ein wenig an ein Zivilschutzkonzept vor dreißig Jahren, Bundesinnenminister war Friedrich Zimmermann, CSU. Das war zu Zeiten des Kalten Krieges, und viele Menschen hatten Angst davor, dass aus dem kalten ein heißer Krieg wird. Die Angst wurde damals durch Zimmermanns Konzept noch befördert: Hunderttausende von privaten Schutzräumen, also Bunker, wollte der Minister bauen lassen. Wer sein Einfamilienhaus plante, der sollte, staatlich gefördert, einen "Grundschutzraum" mit einplanen. Kritiker klagten damals: Ein solcher Zivilschutz sei Teil des Militärwesens und eine Vorausinvestition in einen Krieg. Man mache so den Krieg wahrscheinlicher. Es gab Demonstrationen, die Architekten weigerten sich per Zeitungsanzeige, Schutzräume zu planen. Das Zimmermann'sche Bohei war einem seriösen Zivilschutzkonzept abträglich. De Maizière sollte es ihm nicht nachmachen; kluge Vorsorge ist zu wichtig.

Als damals dann der Ostblock zusammenbrach, wurde das Bunker-Konzept obsolet; die vorhandenen Schutzräume wurden abgebrochen oder sonstwie aufgegeben, soweit sie überhaupt tauglich waren. Carl Friedrich von Weizsäcker, Atomphysiker und Philosoph, hatte sich in seinem Garten einen unterirdischen Atombunker errichtet, der eigentlich so ausgelegt war, auch einer Atombombe vom Hiroshima-Kaliber standzuhalten. Aber dann hielt er einem Wassereinbruch nicht stand und war unbrauchbar. Man lernt: Vorsorge für den Kriegs- und den Katastrophenfall benötigt ein brauchbares Konzept.

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