Zensus 2011:Aus dem Inneren der Republik

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76 Städte hatten im Mai 2011 mindestens 100.000 Einwohner: Im Bild Passanten auf einem Gehweg in Desden (Foto: picture alliance / dpa)

In Deutschland leben viel weniger Menschen als bislang angenommen. Das ist nicht das einzige überraschende Ergebnis des Zensus 2011. Warum ist der Anteil der Ausländer so niedrig? Wieso ist auch nach der Volkszählung nicht klar, wie viele Muslime in Deutschland leben? Und wo leben die Menschen in Wohnungen, die durchschnittlich größer sind als 100 Quadratmeter? Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Es ist die erste Volkszählung in Deutschland seit mehr als zwei Jahrzehnten. Zuletzt wurden die Einwohner 1987 in der damaligen Bundesrepublik und 1981 in der DDR gezählt. "Bei einem Register ist es ähnlich wie in einem Warenlager: Hin und wieder muss man eine Inventur machen. Das ist die Voraussetzung, dass wir wirklich korrekte Einwohnerzahlen bekommen", sagt Michael Bubik, fachlicher Leiter des Zensusprojekts in Baden-Württemberg. Neben den aktuellen Einwohnerzahlen bringt die Inventur eine ganze Reihe bemerkenswerter Fakten an die Öffentlichkeit .

Die wichtigsten Ergebnisse des Zensus 2011 im Überblick:

Einwohnerzahlen

Lange galt als sicher: In Deutschland leben 81,8 Millionen Menschen. Mit dieser Zahl rechneten die Ämter der Republik, das behaupteten die Statistiker. So stand es bis Freitag, 11:02 Uhr, beispielsweise im Online-Lexikon Wikipedia. Doch die Volkszählung ergab: Es sind deutlich weniger. Aktuell leben etwa 80,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik.

Deutschland hat vier Millionenstädte: Berlin, Hamburg, München und Köln. Die Hauptstadt hat allerdings fast 180.000 Einwohner weniger als bislang angenommen, auch Hamburg muss die Einwohnerzahl um knapp 83.000 nach unten korrigieren. Bielefeld dagegen darf sich über 3724 "zusätzliche" Einwohner freuen.

76 Städte hatten im Mai 2011 mindestens 100.000 Einwohner, wobei Siegen, Hildesheim, Salzgitter und Cottbus nach der aktuellen Zählung aus dieser Liste herausfallen. Prozentual betrachtet wurden bei den Großstädten die größten negativen Differenzen für Aachen (-8,5 Prozent), Mannheim (-7,5), Würzburg (-6,8), Freiburg im Breisgau (-6,6) sowie für Offenbach am Main und Osnabrück (-6,4) festgestellt. Die größte positive Abweichung gab es in Bielefeld.

Geschlecht

Frauen sind in Deutschland in der Überzahl: Etwa 41 Millionen weiblichen Einwohnern stehen etwas mehr als 39 Millionen Männer gegenüber. Besonders deutlich zeigt sich der Vorsprung der Frauen in der Gruppe der über 75-Jährigen.

Ausländer und Migranten

Nach den neuesten Zahlen stammt mittlerweile fast jeder Fünfte aus einer Zuwandererfamilie: 15 Millionen Einwohner des Landes haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft: Unter den 80,2 Millionen Einwohnern finden sich nämlich nur knapp 6,2 Millionen Ausländer - eine Quote von 7,7 Prozent. Und damit nahezu 1,1 Millionen weniger als bislang angenommen.

Die meisten Zuwanderer stammen aus der Türkei. Mit 17,3 Prozent aller Migranten stellen sie die größte Gruppe. Dahinter folgen Zuwanderer aus Polen (13,1 Prozent), Russland (8,7 Prozent), Kasachstan (8,2 Prozent) und Italien (5,3 Prozent).

Deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 7,7 Prozent lag der Ausländeranteil in den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen, aber auch in Hessen und Baden-Württemberg; in den neuen Bundesländern betrug er dagegen weniger als zwei Prozent. Den höchsten Migrantenanteil hat Hamburg mit 27,5 Prozent, den niedrigsten Thüringen mit 3,3 Prozent.

Alter

Was die Altersstruktur angeht, erlebten die Statistiker keine Überraschung. Die deutsche Bevölkerung wird immer älter. 21 Prozent waren 2011 älter als 65 Jahre. Die unter 18-Jährigen machten einen Anteil von 15,7 Prozent aus.

Neben den 18,2 Millionen Ehen gab es zum Stichtag knapp 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften zwischen homosexuellen Paaren, davon etwa 40 Prozent zwischen Frauen. Insgesamt lebten 5700 Kinder in Familien, deren Eltern eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen.

Religionszugehörigkeit

Auch nach der Volkszählung ist nicht klar, wie viele Muslime in Deutschland leben. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, erklärte, es sei davon auszugehen, dass die Frage nach der Religionszugehörigkeit am häufigsten von Juden, Muslimen, Buddhisten und Hinduisten nicht beantwortet worden sei. Der Zensus 2011 könne damit keine verlässlichen Ergebnisse darüber bereitstellen.

66,8 Prozent der Einwohner der Bundesrepublik sind Christen. 10,5 Prozent gehören keiner Religion an. Im Osten Deutschlands liegt der Anteil der Konfessionslosen mit etwa 33 Prozent deutlich über dem im Westen (sechs Prozent). 24,7 Millionen Deutsche sind Mitglied der katholischen Kirche. 24,3 Millionen Menschen gehören der evangelischen Kirche an.

Insgesamt fühlen sich 53,2 Millionen Deutsche dem Christentum zugehörig. 4,2 Millionen Bürger bekennen sich laut Zensus zu einer anderen Religion, Glaubenssrichtung oder Weltanschauung. Die Zahl derjenigen, die keiner Religion angehören, wird mit 8,3 Millionen angegeben.

In der Befragung bekannten sich nur 1,9 Prozent zum Islam. Etwa jeder Sechste (17,4 Prozent) hat den Statistikern zufolge die freiwillige Angabe zur Religionszugehörigkeit verweigert. Deshalb werde mit den Zensusergebnissen die Zugehörigkeit der Bevölkerung zu einer Religion oder Glaubensrichtung eher zu niedrig angegeben.

Für den Zensus 2011 wurden zehn Millionen zufällig ausgewählte Bürger zunächst gefragt, ob sie Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft sind. Dazu gehören die großen christlichen Kirchen. Diese Angabe war verpflichtend. Wer erklärte, er gehöre keiner Religionsgesellschaft an, wurde in einer zweiten Frage nach seinem religiösen Bekenntnis gefragt. Diese Angabe war freiwillig.

Wohnsituation

Die Statistiker zählten etwa 19 Millionen Gebäude mit Wohnraum und 41,3 Millionen Wohnungen. Damit gibt es in Deutschland 500.000 Wohnungen mehr als bislang angenommen.

Die im Schnitt größten Wohnungen gibt es in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Niedersachsen mit einer durchschnittlichen Größe von mehr als 100 Quadratmetern, der Bundesdurchschnitt beträgt 90,7 Quadratmeter. Wesentlich beengter wohnen die Menschen in Hamburg und Sachsen. Berlin ist das Bundesland mit der höchsten Siedlungsdichte. Dort stehen auch die kleinsten Wohnungen mit durchschnittlich 72,2 Quadratmetern.

Eine Mehrheit wohnt weiterhin zur Miete. Die Eigentümerquote kletterte in den vergangenen Jahren auf 45,8 Prozent - allerdings mit deutlichen regionalen Unterschieden: Im Saarland befinden sich 62,8 Prozent der Wohnungen im Besitz der Bewohner, in Berlin sind es lediglich 15,6 Prozent.

In Deutschland stehen 4,4 Prozent aller Wohnungen (ohne Wohnheime) leer. Allerdings gibt es beim Leerstand, regional betrachtet, große Unterschiede: So sind die Leerstandsquoten im Osten deutlich höher als im Westen. Die bundesweit höchste Leerstandsquote gibt es in Sachsen mit 9,9 Prozent, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 9,4 Prozent. Die niedrigsten Leerstandsquoten weisen Hamburg mit 1,5 Prozent und Schleswig-Holstein mit 2,7 Prozent auf.

Unter den Großstädten Deutschlands liegt die Leerstandsquote in Chemnitz, Leipzig und Halle bei mehr als zehn Prozent. Angespannt sind die Wohnungsmärkte in Jena, Münster, Hamburg und Oldenburg. Dort beträgt der Leerstand weniger als zwei Prozent und liegt damit bundesweit am niedrigsten.

Auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes können Sie sich Ihre persönliche Datenbank zusammenstellen.

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