Zensur nach Unruhen:Die Chinesische Mauer steht

Twitter ist blockiert, in Xinjiang funktioniert das Internet gar nicht mehr: Nach den Kämpfen setzt Peking auf Zensur - und will mit der "Großen Chinesischen Firewall" iranische Verhältnisse verhindern.

Jannis Brühl

Die Bilder der Proteste in Iran sind noch im Gedächtnis - offenbar auch der chinesischen Regierung. Seit dem Nachmittag (Ortszeit) blockiert sie den Kurznachrichtendienst Twitter, über den die Teheraner Opposition ihre Anhänger mobilisiert und die Welt auf dem Laufenden gehalten hat. In der Unruheprovinz Xinjiang funktioniert das Internet überhaupt nicht mehr.

Zensur nach Unruhen: Nach den blutigen Kämpfen in der Nacht hat sich die Lage in Urumqi wieder beruhigt - dank starker chinesischer Militärpräsenz.

Nach den blutigen Kämpfen in der Nacht hat sich die Lage in Urumqi wieder beruhigt - dank starker chinesischer Militärpräsenz.

(Foto: Foto: AP)

Die "Große Chinesische Firewall", wie die staatliche Zensur von Bloggern spöttisch genannt wird, steht. So will Peking offenbar den Nachrichtenfluss aus dem Nordwesten des Landes kontrollieren; auch will sie der muslimischen Bevölkerung wohl die Möglichkeit nehmen, sich ähnlich der iranischen Opposition zu organisieren.

"Tiananmen + Twitter = Teheran." Diese "Gleichung" machte während der Proteste gegen das Wahlergebnis in Iran die Runde im Internet. Blogger und Unterstützer der Opposition hofften, dass die Demonstrationen im 21. Jahrtausend dank der ungleich besseren Vernetzung über Twitter & Co. glücklicher für die Demonstranten enden würden als der chinesische Aufstand 1989.

Die ersten Nachrichten aus der entlegenen chinesischen Provinz drangen über Twitter in die Welt: Ein amerikanischer Professor soll während des Aufmarschs der Sicherheitskräfte in Urumqi Journalisten erstmals auf die explosive Situation aufmerksam gemacht haben.

"Ich habe mein Logo entgrünt"

Auch Gudrun Wacker von der Stiftung Wissenschaft und Politik hebt im Interview mit sueddeutsche.de die Bedeutung der neuen Technologien für Protestbewegungen hervor: "Es braucht für Demonstrationen keinen Aufruf aus dem Exil mehr. Auch dass Nachrichten über etablierte Medien zurückgehalten werden, nützt der chinesischen Regierung nicht mehr viel, die Informationen verbreitet sich rasend schnell über die neuen Kanäle."

Doch die chinesische Führung scheint ihre Lehren aus den Vorfällen in Iran gezogen zu haben. Sie würgte die Kommunikation auf Twitter innerhalb kürzester Zeit ab, nachdem die Zahl von 140 Toten weltweit die Runde gemacht hatte.

Auch der chinesische Twitter-Klon Fanfou.com ist betroffen: Die Seite funktioniert zwar noch, Begriffe wie "Urumqi", "Xinjiang" oder "Uiguren" können jedoch nicht gesucht werden.

Bereits vor dem zwanzigsten Jahrestag der Tiananmen-Proteste von 1989 hatte die chinesische Regierung mehrere Web-Dienste gesperrt. Seit dem 8. Juni war zumindest Twitter wieder zugänglich. Bis heute.

Auch viele Videos des Aufmarsches uigurischer Demonstranten, die in der Nacht im Netz zirkulierten, wurden laut dem britischen Guardian von den Zensoren entfernt. Dennoch finden sich noch einige verwackelte Videos auf Youtube, auf denen die Demonstration zu sehen ist. Wie genau es zur Gewalt kam, ist darauf aber nicht erkennbar.

Aufnahmen von angeblich während der Kämpfe schwer verletzten Menschen kursieren auf diversen Online-Fotoseiten; ob sie wirklich die Ereignisse der letzten Nacht zeigen, ist unklar.

Auch wenn die genauen Hintergründe der Unruhen noch unklar sind: Twitterer im Westen haben die Unruhen bereits als neues Lieblingsthema entdeckt. "China" und "Xinjiang" gehören zu den beliebtesten Kanälen. "Ich habe mein Logo entgrünt", schreibt ein deutscher Twitterer. Schließlich seien die iranischen Aufständischen nach den Ereignissen in China nicht mehr die einzigen unterstützenswerten Demonstranten.

Widersprüchliche Informationspolitik

Auch Suchmaschinen werden zensiert: Wer die Suchbegriffe "Urumqi" oder "Xinjiang" eingibt, erhält kein Ergebnis.

Wie die iranische Zensur lässt sich freilich auch die "Große Chinesische Firewall" umgehen. Viele gehen über Proxyserver online - doch in Xinjiang selbst ist auch das nicht mehr möglich.

Mehrere Einwohner Xinjiangs berichten, sie hätten seit Sonntagabend überhaupt keinen Zugang zum Internet mehr. In der Vergangenheit hatte die Pekinger Regierung in Tibet, das China seit 1951 besetzt hält, den Zugang zum Netz während Unruhen gesperrt.

Laut LA Times verbreiteten sich die Nachrichten vom Netzausfall in Xinjiang zuerst über Twitter und dessen chinesische Klone, bis auch diese blockiert wurden.

Doch die Informationspolitik der Mächtigen ist widersprüchlich. Während im Netz offensichtlich Zensur geübt wird, wird ausländischen Reportern versprochen, sie könnten noch heute nach Xianjiang reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Die Behörden würden sie dabei sogar unterstützen. Wie offen sich die Regierung wirklich mit den Unruhen umgeht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

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