Zeitgeschichte:Die Stellvertreter

Einer übte den Posten 20 Jahre lang aus, eine trug den Beinamen "Maria Hilf" und mehrere Inhaber des Amtes wurden später sogar Staatsoberhaupt: Wer seit Gründung der Bundesrepublik Vizepräsident im Bundestag war.

Der erste Vizepräsident des Deutschen Bundestags war, kraft seiner Persönlichkeit und seiner langen Amtszeit, wohl auch der einflussreichste: Carlo Schmid, einer der Mitverfasser des Grundgesetzes und des Godesberger Programms der SPD, vertrat seine Partei von 1949 bis 1966 und dann noch einmal von 1969 bis 1972 im Parlamentspräsidium, zusammen 20 Jahre. So ausdauernd war bisher noch keiner auf dem Posten.

Lange gehörte zusammen mit ihm auch Richard Jaeger von der CSU dem Gremium an. Er ist allerdings weniger aufgrund seiner Amtsführung, sondern mehr wegen seines unzeitgemäßen Eintretens für die Wiedereinführung der Todesstrafe in Erinnerung geblieben - was ihm den bösen Spitznamen "Kopf-ab-Jaeger" eintrug. Seit Gründung der Republik war (zumindest bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013) auch die FDP auf einen Vizepräsidenten-Posten abonniert. Von 1960 bis 1967 hatte ihn Thomas Dehler inne, der sperrige erste Justizminister und scharfzüngige Kritiker des ersten Bundeskanzlers, Konrad Adenauer (CDU). Nach Dehlers Tod übernahm der spätere Bundespräsident Walter Scheel für zwei Jahre das Amt, ehe er zunächst Außenminister in der ersten sozialliberalen Koalition wurde.

Das Bundestagspräsidium funktioniert offenbar ganz erfolgreich als eine Art Trainingscamp für Staatsoberhäupter. Auch Karl Carstens (er war von 1976 bis 1979 Bundestagspräsident) und Richard von Weizsäcker, der von 1979 bis 1981 Vizepräsident des Parlaments war, wurden später oberster Repräsentant der Bundesrepublik.

Die erste Frau im Bundestagspräsidium nominierte die CSU: Maria Probst bekleidete das Amt von 1965 bis zu ihrem Tod im Jahr 1967. Ihr Eintreten für soziale Belange hatte ihr den Beinamen "Maria Hilf" eingetragen. Erste Präsidentin des Bundestags wurde indes Annemarie Renger, als die Sozialdemokraten von 1972 bis 1976 stärkste Partei im Bundestag waren. Die längere Zeit allerdings, von 1976 bis 1990, diente Renger als Vizepräsidentin.

Die erste Grüne im Bundestagspräsidium war Antje Vollmer, die den Vize-Posten von 1994 bis 2005 bekleidete. Die Grünen saßen zwar schon in den Achtzigerjahren erstmals im Bundestag. Damals erachteten die anderen Parteien die Newcomer aber des Hohen Hauses für unwürdig und hielten sie aus dem Präsidium fern.

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