Zehn Jahre Umzug Bonn-Berlin:Vereinigtes Land, geteilte Regierung

Pünktlich zum Jahrestag des Umzugs der Regierung nach Berlin ist die Debatte um eine komplette Auflösung des Bonner Standorts neu entflammt.

Johann Osel

Pünktlich zum zehnten Jahrestag des Berlin-Umzugs von Bundestag und Regierung ist die Debatte um eine komplette Auflösung des Bonner Standorts neu entflammt. Sechs von 14 Ministerien, darunter Verteidigung, Gesundheit und Umwelt, haben ihren Erstsitz noch in der ehemaligen Bundeshauptstadt, hinzu kommen Außenstellen der übrigen Ressorts.

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(Foto: Graphik: Hanna Eiden, Quelle: Bund der Steuerzahler, Bundesinnenminsterium)

Aktuell arbeiten 8732 Beamte in Bonn, fast so viele wie in Berlin. "In Anbetracht der hohen Schuldenlast des Bundes hat ein einheitlicher Regierungssitz in Berlin nicht nur politische Symbolkraft, sondern auch eine finanzielle", sagt Karl Heinz Däke, Chef des Bundes der Steuerzahler.

Sein Verband schätzt die jährlichen Kosten für den doppelten Regierungssitz auf 23 Millionen Euro. Der Großteil davon entfällt auf das Pendeln und den Arbeitszeitverlust der Beamten sowie auf die zusätzlichen Büroflächen.

Die Forderung nach dem Komplettumzug stößt - wie schon bei den Diskussionen in den vergangenen zehn Jahren - auf gemischte Reaktionen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) bezeichnete die jetzige Lösung als "auf Dauer nicht praktikabel". "Das Land ist vereinigt, die Regierung zwischen Berlin und Bonn geteilt: Das ist nicht zukunftsfähig."

Ähnlich argumentiert seine Kollegin im Parlamentspräsidium, Petra Pau (Linke): "Ich werbe seit langem für einen Komplettumzug, nicht aber im Wahlkampfjahr." Derzeit hätten Sachargumente "gegenüber regionalen Emotionen wenig Chancen" - ein Seitenhieb auf die zahlreichen nordrhein-westfälischen Spitzenpolitiker.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte hingegen vor "Vereinfachungen". Bei der Entscheidung über den Umzug sei "jedem klar gewesen, dass die Verteilung der Regierungsaufgaben auf Bonn und Berlin zusätzliche Kosten verursacht". FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte, niemand solle Scheu "vor einer ehrlichen Kosten-Nutzen-Analyse" haben.

Ein Komplettumzug würde aber "über die Rationalitätskriterien hinaus gänzlich neue Bedingungen schaffen". Erst vor wenigen Monaten hat der Haushaltsausschuss des Bundestags über die Kosten des doppelten Regierungssitzes beraten. Grundlage war eine Schätzung des Finanzministeriums, wonach die jährlichen Kosten 2009 lediglich bei 8,8 Millionen Euro liegen. "Es gibt verschiedene Ansätze, was man als doppelte Kosten definiert. Im Grunde steht Aussage gegen Aussage", sagte ein Sprecher des Steuerzahler-Bundes.

Eines jedenfalls ist sicher: Dass für einen Komplettumzug in Berlin genügend Flächen vorhanden wären. In einer Antwort auf eine Anfrage im Berliner Senat heißt es: "Der Senat sieht sich zu einem kurzfristigen Angebot von Liegenschaften in der Lage."

Aufgezählt werden zahlreiche Grundstücke, zudem verfüge der Bund über umfangreiche eigene Flächen, "die zur Ansiedlung der Ministerien geeignet sind" - etwa am Spreeufer, am Humboldt-Hafen oder gegenüber dem Finanzministerium. Lokalpatriotische Argumente lassen sich nicht nur auf Seiten der Rheinländer finden. "Nichts gegen die schöne Stadt Bonn, aber Berlin ist der Ort des Zusammenwachsens von Ost und West", sagte Thierse, "hier sind die Probleme so nah, dass nur Ignoranten ihnen ausweichen können."

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