Zehn Jahre nach Massaker:Bosnier gedenken der Opfer von Srebrenica

Zum zehnten Jahrestag der Massaker werden 50.000 Besucher in Srebrenica erwartet. Der serbische Präsident Boris Tadic will sich vor den Opfern verneigen.

Von Bernhard Küppers

Angehörige schluchzten laut, die Zuschauer schwiegen: Eine Lastwagenkolonne hat am Wochenende Särge mit Opfern von Srebrenica durch die bosnische Hauptstadt Sarajewo gefahren. Die aus Massengräbern geborgenen und identifizierten Leichen muslimischer Jugendlicher und Männer werden am Montag auf einem Gedenkfriedhof in Srebrenica beigesetzt.

Dort wird - zum zehnten Jahrestag der Einnahme dieser Enklave durch die bosnischen Serben - der nachfolgenden Massaker an bis zu 8000 gefangenen Muslimen gedacht.

Hunderte Überlebende aus einem damaligen Trupp von 15000 bewaffneten und unbewaffneten Geflüchteten gingen gleichzeitig zu Fuß durch die Wälder zu der Stadt zurück auf den Wegen, die frei von Minen sind. Die Gruppe hatte es seinerzeit nur zur Hälfte über die Front nach Tuzla geschafft. Den symbolischen "Marsch des Todes und Weg des Lebens" begleiteten bosnisch-serbische Polizei und Hubschrauber der internationalen Friedenstruppe Eufor.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Der muslimische Bürgermeister von Srebrenica, Abdurahman Malkic, erwartet, dass 50.000 Menschen zu der Gedenkfeier auf dem Friedhof im Vorort Potocari kommen. Die Polizisten der bosnischen Serbenrepublik und die Eufor-Truppen haben starke Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Unter den Vertretern von 50 Staaten und internationalen Organisationen wird die Chefanklägerin des Haager Tribunals für Kriegsverbrechen, Carla Del Ponte, bewusst fehlen. Sie hat es der internationalen Gemeinschaft als "Schande" angerechnet, dass der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und sein Armeechef Ratko Mladic noch immer nicht gefasst sind.

Auf dem Gedenkfriedhof werden unter islamisch grünen Grabtafeln 600 weitere identifizierte Opfer beigesetzt - neben den bisher bestatteten 1300 Opfern. In einer Batteriefabrik gegenüber dem Friedhof hatte ein Bataillon holländischer Soldaten der UN-Sicherheitszone Srebrenica ihren Stützpunkt eingerichtet. Dort suchten Einwohner vergeblich Schutz.

Serbengeneral Mladic ließ nach der Eroberung Frauen und Kinder ins Gebiet der bosnischen Armee deportieren. Jugendliche und erwachsene Männer wurden von ihnen getrennt und hingerichtet. Die Überreste dieser Opfer und derjenigen, die aus der Fluchtkolonne gefangen genommen wurden, können meist nur per Erbgutvergleich mit Angehörigen identifiziert werden. Mit Baggern und Planierraupen hatten die Serben die Opfer zerstückelt und vermischt in Massengräbern verscharrt.

In Serbien fand eine Gegenveranstaltung zu dem Gedenktag statt: Im überfüllten Sava-Zentrum in der Hauptstadt Belgrad führten die nationalistischen Radikalen im Beisein des serbisch-orthodoxen Kirchenoberhaupts Pavle Aufnahmen verstümmelter Leichen vor - zum Beweis, dass das serbische Volk in den jugoslawischen Zerfallskriegen "am meisten gelitten" habe.

Nationalisten sehen Kampagne

Die serbischen Radikalen zeigten zudem den Dokumentarfilm "Die Wahrheit". Darin war eine Videoaufnahme zu sehen, bei der ein islamischer Söldner aus der bosnischen Armee angeblich vier gefangene serbische Soldaten massakriert. Die Aktivisten verlasen eine Botschaft ihres Vorsitzenden Vojislav Seselj aus der Haft beim Haager Kriegsverbrecher-Tribunal. Seselj wandte sich gegen eine "Kampagne, das serbische Volk als völkermörderisch und den serbischen Staat als Aggressor hinzustellen".

Bei der Gedenkfeier in Srebrenica will sich der serbische Präsident Boris Tadic vor den Opfern verneigen. Belgrad stellt die Massaker jedoch auf eine Ebene mit Kriegsverbrechen, die Muslime aus Srebrenica an Serben in umliegenden Dörfern begingen. Bisher ist nicht ermittelt, wer zwei Bomben beim Gedenkfriedhof anbrachte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: