Yukos-Affäre:Warten auf Gnade

In einem russischen Gefängniskrankenhaus wird Swetlana Bachmina möglicherweise ihr drittes Kind zur Welt bringen - obwohl viele Russen die Freilassung der ehemaligen Yukos-Anwältin fordern.

Frank Nienhuysen

So ist das manchmal, wenn man niemanden zum Geburtstag eingeladen hat - es kommen trotzdem Gäste. Swetlana Bachmina dürfte sich sehr gefreut haben, als sich vor wenigen Tagen mehrere Dutzend Menschen versammelten, um ihr zum 39. Geburtstag zu gratulieren. In dicke Jacken gehüllt trafen sie sich an einer Moskauer Metrostation. Aber sie feierten nicht - sie baten um Gnade. Mehr als 600 Kilometer weiter östlich liegt nämlich Swetlana Bachmina gerade in einem russischen Gefängniskrankenhaus, im achten Monat schwanger und voller Sorge, dass das Kind in Haft auf die Welt kommen muss.

Yukos-Affäre: Swetlana Bachmina mit

Swetlana Bachmina mit

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Opfer der Yukos-Affäre

Die Frau mit den rötlich-blonden Haaren war Anwältin des Ölkonzerns Yukos, als sie an einem Tag im Dezember 2004 um fünf Uhr früh verhaftet wurde. Zwei Jahre später wurde sie wegen Steuerbetrugs und Unterschlagung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, die schließlich auf sechseinhalb verkürzt wurden. Mehr als die Hälfte davon hat sie verbüßt, jetzt wandte sie sich mit einem Gnadengesuch direkt an Präsident Dmitrij Medwedjew.

Freunde von Bachmina halten sie für unschuldig und sehen in ihr ein Opfer der Affäre um den Yukos-Konzern, dessen ehemaliger Chef Michail Chodorkowskij bereits seit fünf Jahren in Haft sitzt. Bachmina wurde vorgeworfen, bei der Übernahme der Ölfirma Tomskneft durch Yukos Geld in Millionenhöhe unterschlagen zu haben, doch das gilt bis heute als strittig. Aber weniger um Recht geht es jetzt in diesem Fall. Es ist ein Test, inwiefern der russische Staat zu einer menschlichen Geste fähig ist.

Bereits mehrmals, zuletzt im September, hat ein Gericht eine vorzeitige Haftentlassung der Anwältin abgelehnt. Immer mehr Russen aber drängen nun Kremlchef Medwedjew zu einem schnellen Akt der Barmherzigkeit, allen voran Michail Gorbatschow. "Warum muss man sie hinter Gittern halten?" fragt der frühere sowjetische Staatspräsident und findet, dass der Präsident "in diesem Fall von seinem Recht auf Begnadigung Gebrauch machen sollte". Eine Art Unterstützerkomitee sammelt auf einer Internetseite eifrig elektronische Unterschriften für Bachmina, am Donnerstag stieg deren Zahl auf mehr als 60.000.

Auf ähnliche Solidarität hofft auch der frühere Yukos-Vizepräsident Wassilij Alexanjan, der trotz einer Aids-Erkrankung im Gefängnis bleiben muss, wie ein Moskauer Gericht gerade erst entschied. Da hat die hochschwangere Bachmina sogar noch bessere Aussichten. Die Zeitung Nowaja Gaseta druckte am Donnerstag ein anrührendes altes Familienfoto, auf dem die junge Frau vor der Verhaftung ihre beiden Söhne Fedja und Grischa im Arm hält. Die heute sieben und elf Jahre alten Kinder leben bei ihrem Vater in Moskau, der bei einem Gefängnisbesuch auch das dritte Kind zeugte.

Eine Kremlsprecherin bestätigte immerhin, dass Medwedjew "definitiv von dem Gnadengesuch weiß. Eine Entscheidung aber hat er noch nicht getroffen". Der Sprecher des russischen Föderationsrats dagegen glaubt die Antwort bereits zu kennen. "Swetlana Bachmina hat das Recht, vom Präsidenten Gnade zu erwarten", sagte Sergej Mironow und fügte gönnerhaft hinzu: "Denn ihre Schuld hat sie ja zugegeben."

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