Ypsilantis Linkskurs:SPD-Spitze sieht "erhebliche Risiken"

Parteichef Kurt Beck geht mit deutlichen Worten auf Distanz zum Kurs der hessischen SPD - und will Ypsilanti dennoch freie Hand beim Umgang mit der Linken lassen.

Die SPD-Parteispitze hat sich ungewöhnlich scharf von der Weichenstellung der hessischen SPD für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei distanziert. "Die jetzt vom hessischen Landesvorstand beschlossene mögliche Verfahrensweise ist mit erheblichen Risiken verbunden", erklärten Parteichef Kurt Beck und seine drei Stellvertreter am Donnerstag gemeinsam in Berlin.

Ypsilantis Linkskurs: Hat "ernsthafte Bedenken" gegen Ypsilantis Kurs in Hessen: SPD-Chef Kurt Beck.

Hat "ernsthafte Bedenken" gegen Ypsilantis Kurs in Hessen: SPD-Chef Kurt Beck.

(Foto: Foto: dpa)

Die engere Parteiführung habe der hessischen SPD ihre "ernsthaften Bedenken" in einem intensiven Gespräch in der vorigen Woche dargelegt. "Dieser interne Dialog kann jederzeit fortgesetzt werden", erklärten Beck und seine Stellvertreter Andrea Nahles, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier sowie Generalsekretär Hubertus Heil.

Die Parteiführung mahnte, bei den Entscheidungen in Hessen gehe es "auch um das Gesamtinteresse der SPD". Die hessischen Genossen trügen "auch eine Gesamtverantwortung für die SPD". Die Parteiführung machte aber auch klar, dass die Beschlusslage der SPD unverändert sei: "Entscheidungen über Koalitionen werden in den Ländern getroffen. Das gilt auch für Hessen."

Trotz der Bedenken der Bundes-SPD hatte der Landesvorstand in Hessen am Mittwochabend einen Fahrplan für eine - durch die Linkspartei geduldete - rot-grüne Minderheitsregierung beschlossen. Im Wahlkampf hatte Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti noch jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen.

Die SPD-Führung um Beck attackierte zugleich die CDU, deren Empörung sie als heuchlerisch zurückwies. "Die CDU hat zwei SED-hörige Blockparteien mit Vermögen und Mitgliedern bedenkenlos übernommen", erklärte die SPD-Spitze. Die SPD verbitte sich "Belehrungen über den Wert der Freiheit".

CDU und FDP hatten zuvor scharfe Kritik am Linkskurs der hessischen SPD geübt. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warf der Bundes-SPD Führungsschwäche vor: "Frau Ypsilanti tanzt der SPD-Führung auf der Nase herum", erklärte er in einer Mitteilung. "Der Marsch nach links geht weiter."

Hessens FDP-Landesvorsitzender Jörg-Uwe Hahn kritisierte in Wiesbaden, Ypsilanti laufe Gefahr, als Marionette in den Händen der Linken-Führer Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zu enden.

In Hessen fand sich seit der Landtagswahl im Januar keine Regierungsmehrheit, die CDU-Landesregierung ist geschäftsführend im Amt geblieben. Pofalla sagte in Berlin: "Die gesamte Bundesspitze der SPD, insbesondere die Herren Beck, Steinmeier und Steinbrück, spielt allenfalls noch eine Statistenrolle. Dieses Vorgehen wird die SPD noch teuer bezahlen müssen."

Pofalla befürchtet Folgen über Hessen hinaus: "Der Vorgang schadet dem Ansehen der Politik in Deutschland insgesamt." Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte in einem Interview der Mitteldeutschen Zeitung ein "Machtwort" der SPD-Spitze.

"Startsignal" für Koalitionsverhandlungen

Rückendeckung bekam Ypsilanti dagegen aus der eigenen Partei von den Jusos. "Wir unterstützen das Anliegen der hessischen SPD, für eine andere Politik in Hessen zu sorgen", sagte die Bundesvorsitzende Franziska Drohsel einer Mitteilung zufolge. Die Bundespartei habe festgelegt, dass die SPD-Landesverbände selbst über eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien entscheiden könnten.

Die hessische SPD-Spitze hatte bei ihrer Sitzung in Frankfurt unter anderem vier Regionalkonferenzen beschlossen. Dabei soll diskutiert werden, ob die Partei den Weg zu einer rot-grünen Minderheitsregierung gehen will. Dies sei "ein ergebnisoffener Prozess", betonte Ypsilanti. "Wir wollen auch die Stimmen zu Wort kommen lassen, die anderer Meinung sind."

Zudem verschob die hessische SPD ihren für Mitte September geplanten Landesparteitag auf den 4. Oktober. Dieser könnte das "Startsignal" für Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und Tolerierungsgespräche mit der Linken geben. Die Verschiebung bedeutet auch eine Rücksichtnahme auf die Bayern-SPD, die wegen des hessischen Linkskurses um Stimmen bei der Landtagswahl am 28. September fürchtet.

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