Wolfgang Schäuble im Krankenhaus:Lässt sich Deutschland aus der Horizontalen regieren?

Er gilt als pflichtbewusst über alle Maßen, als hart zu sich selbst. Zu hart? Finanzminister Wolfgang Schäuble muss erneut ins Krankenhaus - sofort wird über Nachfolger spekuliert.

Michael König

Man hatte ihn schon frischer erlebt, ausgeruhter, entspannter. Oder täuschte der Eindruck? Links neben ihm saß immerhin der stets braungebrannte Verkehrsminister Peter "Ramses" Ramsauer (CSU), rechts Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der auch wegen seines jungenhaften Charmes "Muttis Klügster" genannt wird. In dieser Gesellschaft darf man alt aussehen. Zumal, wenn man gerade seinen 68. Geburtstag gefeiert hat.

Finanzminister Schaeuble muss erneut ins Krankenhaus

Wolfgang Schäuble bei der Vorstellung des neuen Energiekonzeptes der Regierung am Dienstag vor der Bundespressekonferenz. Kurz darauf wurde bekannt, dass der Finanzminister erneut ins Krankenhaus muss.

(Foto: dapd)

Tatsächlich war der äußerliche Eindruck, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag bei der Vorstellung des Energiekonzepts der Regierung machte, schon ein Hinweis darauf, was anschließend folgte. Sein Ministerium teilte am Nachmittag mit, Schäuble müsse für vier Wochen ins Krankenhaus - zur stationären Behandlung. Seine Amtsgeschäfte werde er vom Krankenbett aus weiterführen. Die Kanzlerin sei informiert.

Koch oder Kampeter?

Schäuble selbst frotzelte, er werde sich "in die Horizontale begeben". Die Abgeordneten der Union sollten ihn "wohlwollend begleiten". In der Unionsfraktion erhielt er langanhaltenden Applaus. Die Botschaft an die Öffentlichkeit lautete: Bloß keine Panik. Auch in der Horizontalen könne man gut telefonieren, sagte Angela Merkel. Dass im politischen Berlin kurz darauf über eine Ablösung des geschwächten Ministers spekuliert wurde, dass sogar Namen genannt wurden, konnte die Kanzlerin damit freilich nicht verhindern.

Die Leipziger Volkszeitung berichtete, in der Union werde der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch als Nachfolger Schäubles ins Spiel gebracht. "Wenn Koch gefragt wird, sagt er als Dienst an der Partei bestimmt nicht nein", wird ein Mitglied des Fraktionsvorstandes der CDU zitiert - eine Aussage, die allerdings auch für viele andere Politiker gelten dürfte. Zumal Koch nicht unbedingt zur Riege der Merkel-Vertrauten gehört - noch weniger als Schäuble, der einmal sagte, er sei "nicht bequem, aber loyal".

Schäubles Adlatus von der SPD

Auch der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) wird als möglicher Nachfolger gehandelt. Der Ostwestfale gilt als ehrgeizig und alles andere als kamerascheu - ganz im Gegenteil zu Staatssekretär Jörg Asmussen, der Schäuble voraussichtlich bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) Anfang Oktober vertreten wird. Der gebürtige Flensburger trat in der Öffentlichkeit bislang kaum in Erscheinung. Insidern gilt er als Schäubles Adlatus - und das, obwohl Asmussen SPD-Mitglied ist.

Während es in der Union stellenweise rumort, scheint die Kanzlerin weiter von ihrem Finanzminister überzeugt zu sein. Schließlich sind Schäubles gesundheitliche Probleme hinlänglich bekannt: Seit einem Attentat im Jahr 1990 ist er querschnittsgelähmt. Wie viele Rollstuhlfahrer leidet er unter dem ständigen Sitzen - als Politiker ist er dazu in hohem Maße gezwungen. Im Januar war ihm ein neues Implantat eingesetzt worden, das bei Querschnittsgelähmten die Verdauung steuert. Ein Routineeingriff - doch die Wundheilung verlief schlecht. Mitten in der tobenden Finanzkrise fiel der zuständige Minister aus.

Entgegen allen Warnungen

Das habe ihn gewurmt, heißt es - so sehr, dass er ärztliche Warnungen ignorierte und früh wieder in den Dienst zurückkehrte. Zu früh, wie sich herausstellte. Über Ostern kam er wegen der Wunde erneut in Behandlung, im Mai musste er inmitten der dramatischen Verhandlungen über die Rettung des Euro in ein Brüsseler Krankenhaus gebracht werden, unter anderem weil er ein Medikament nicht vertragen hatte - Innenminister Thomas de Maizière sprang ein, um Deutschland zu vertreten.

Auch die Sommerpause nutzte Schäuble zur Heilung. Anfang August erschien er guterholt und unternehmungslustig - und mutete sich womöglich erneut zu viele Termine zu.

Auf der nächsten Seite: Während andere Politiker leugnen, was das Zeug hält, macht Schäuble Witze über seine Gesundheit.

Ein Witzchen darf immer sein

Der Finanzminister gilt als einer der fleißigsten Politiker Deutschlands. Sein Pflichtbewusstsein sei eisern, heißt es. Schäuble sei hart zu sich selbst. Dass er als Rollstuhlfahrer anfälliger ist als andere Politiker, will er nicht gelten lassen. Vorwürfen in diese Richtung begegnet er mit Offenheit. "Die Diskussion über meinen Gesundheitszustand war legitim", sagte er im Mai in einem Interview. Das Land könne es "nur für eine begrenzte Zeit ertragen, wenn der Finanzminister bei wichtigen Terminen fehlt".

Auch diesmal wird Schäuble wichtige Termine verpassen: Die Jahrestagung des IWF in der kommenden Woche, wo über weitere Reformen der Finanzmärkte diskutiert wird. Ende Oktober sollte er eigentlich nach Südkorea reisen, um den Finanzgipfel der wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 20) vorzubereiten. In Berlin ist die Haushaltsdebatte noch längst nicht ausgestanden.

"Erkältung" statt Herzinfarkt

Bei einem früheren Krankenhausaufenthalt sagte Schäuble einmal: "Im Augenblick ist es sogar von Vorteil für mich, hier zu sein. Die Kabinettskollegen tun sich schwer, Geld von mir zu verlangen." Ein Witzchen darf immer sein. Wo andere Politiker Krankheiten nach Kräften herunterspielten - bei SPD-Kanzler Willy Brandt wurde aus einem Herzinfarkt eine "fiebrige Erkältung", bei SPD-Verteidigungsminister Peter Struck aus einem Schlaganfall "Kreislaufprobleme" - legt Schäuble die Karten auf den Tisch.

"Ich selbst habe seinerzeit die Frage aufgeworfen, ob ein körperlich schwer behinderter Mensch politische Spitzenämter einnehmen kann, und habe sie durch mein Wirken in den letzten 20 Jahren beantwortet: Ja, das geht", sagte Schäuble im Mai der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Nicht wenige gehen im Regierungsviertel davon aus, dass der Minister bald wieder ähnlich markige Worte finden wird - sobald er aus der "Horizontalen" zurückkehrt ist. Sollte sich sein Zustand jedoch nicht verbessern, könnte es sein, dass Angela Merkel im selbstproklamierten "Herbst voller Entscheidungen" zunächst einmal eine Personalentscheidung fällen muss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: