Wolfgang Schäuble:"Die richtige Hauptstadt"

Finanzminister Schäuble wird Berliner Ehrenbürger

Wolfgang Schäuble (re.) kommt zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

1991 entscheidet sich, dass das Parlament an die Spree zieht. Zu verdanken ist das Wolfgang Schäuble. Nun wird er Ehrenbürger Berlins.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist mit seiner Laudatio auf Wolfgang Schäuble (CDU) fast durch, als er noch einen kleinen Einblick in ein privates Zwiegespräch gewährt. Es zeigt, dass es für ihn durchaus nicht selbstverständlich gewesen ist, dass er den Bundesfinanzminister an diesem Montag im Berliner Rathaus zum Ehrenbürger Berlins ernennen darf. Müller sagt, er habe es vorgezogen, den Kandidaten vorab anzurufen und zu fragen, ob er überhaupt gewillt sei, die Würdigung entgegenzunehmen. Wissen Sie, Herr Müller, habe Wolfgang Schäuble geantwortet, das würde mich sehr freuen und das würde ich gern annehmen. Im Übrigen, "Sie kriegen dafür keinen einzigen Euro mehr".

Trotz des ironischen Schlenkers auf die chronisch überschuldete Bundeshauptstadt nimmt man Schäuble ab, dass er sich über die Würdigung freut. Er trägt einen dunklen Anzug, seine Frau ist an seiner Seite, er hat engste Vertraute eingeladen. Als er die Urkunde in den Händen hält, braucht er keine Minute, bis er zum Kern seiner Freude kommt. Er spricht von einem bewegenden Moment und der außergewöhnlichen Ehre, in dieser Stadt Ehrenbürger zu werden, die so faszinierend sei. Vor allem aber stehe inzwischen fest: "Berlin ist die richtige Hauptstadt für unser Land." So knapp die Entscheidung damals ausgefallen sei, so unbestritten sei sie heute, erinnert Schäuble an die legendäre Abstimmung über den Sitz des Parlaments im wiedervereinigten Deutschland.

Es ist am späten Abend des 20. Juni 1991, als die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) nach zwölfstündiger Debatte im Bonner Wasserwerk das Ergebnis bekannt gibt. Die Berlin-Befürworter siegen knapp mit 338 von 660 abgegebenen Stimmen. Das Parlament soll vom Rhein an die Spree ziehen.

Dass Berlin siegt, ist dem bewegenden Auftritt des Badeners Schäuble zu verdanken, der mit seinem leidenschaftlichen Appell für Berlin den entscheidenden Umschwung bewirkt. Heute gehe es nicht um Bonn oder Berlin, hatte er gesagt, sondern "um unsere Zukunft im vereinten Deutschland, das seine innere Einheit erst noch finden muss". 25 Jahre später wird Schäuble dafür zum Ehrenbürger ernannt.

Müller sagt, Schäuble habe 1991 durchgesetzt, was er schon im Einigungsvertrag 1990 hatte festlegen wollen - Berlin als Sitz von Regierung und Parlament. Dass Schäuble auch gern Regierender Bürgermeister geworden wäre, bleibt unerwähnt. Wer weiß, ob die SPD dann noch im Roten Rathaus regierte. Schäuble spricht lieber davon, dass der Bund "seine Hauptstadt" nicht im Stich lassen werde. Er freue sich, dass es bald wieder vier Millionen Einwohner gebe und dass unter jungen Israelis Berlin die Attraktion Nummer eins sei. "Nach all dem Elend grenzt das an ein Wunder." Dann folgt einer seiner berühmten Schachtelsätze: Stolz sei er, "dass ich mich in die Reihe derer einreihen kann, die sagen, ich bin stolz, ein Berliner zu sein".

Nach einer knappen Stunden ziehen Gratulanten in langer Reihe an dem 74-Jährigen vorbei, Schäuble schüttelt alle Hände, und für einen Moment sieht es so aus, als sitze da bereits ein würdiger Nachfolger für den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck.

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