Wohnungsmarkt:Frohe Kunde aus Zürich

In der Schweiz sinken die Mieten - nach Jahren des Booms.

Von Charlotte Theile

Es sind Nachrichten, wie man sie sich in deutschen Großstädten kaum vorstellen kann: Fast jeder, der suche, bekomme auch eine Wohnung; selbst "Zuzügler aus dem Ausland" würden ganz unproblematisch eine Bleibe finden, hie und da stünden Mietobjekte gar "monatelang leer" - was sich in den vergangenen Monaten in der Schweiz abgespielt hat, ist nicht weniger als der Beginn einer Zeitenwende.

Seit Jahren kannte der Markt, besonders in Städten wie Zürich oder Genf, nur eine Richtung: aufwärts. Die Mieten legten jedes Jahr kräftig zu, wer seinen Mietvertrag schon lange hatte, tat gut daran, nie wieder auszuziehen. Wer einen neuen Vertrag unterschrieb, musste damit leben, einige Hundert Franken mehr zu zahlen als der Vormieter - umgerechnet 3000 Euro für eine 3,5-Zimmer-Wohnung sind in Zürich heute keine Seltenheit.

Fredy Hasenmaile, Immobilienfachmann der Zürcher Bank Credit Suisse, hat in den vergangenen Jahren beobachtet, wie die hohen Renditen auf dem Wohnungsmarkt seine Stadt verändert haben: Fast überall wurde gebaut. Den Bericht, den das schweizerische Bundesamt für Wohnungswesen in diesen Tagen veröffentlicht hat, hält er noch für untertrieben. Der Wohnungsmarkt sei nicht "das erste Mal seit dem Jahr 2008 wieder im Gleichgewicht", wie es heißt, er sei schon darüber hinaus. Das Angebot übersteige inzwischen die Nachfrage, Vermieter brauchen länger, um ihre Objekte vermieten zu können.

Während das Bundesamt von "Entspannung" und einer "guten Versorgung" der Bevölkerung mit Wohnraum schreibt, befürchtet Hasenmaile eher "anhaltend sinkende Mietpreise". Im Luxussegment ist das schon zu beobachten - in Zürich etwa gibt es viele teure Lofts, zugeschnitten auf Millionenerben und hoch bezahlte Unternehmenslenker. Einige von ihnen leben zwar in der Stadt. Doch seit der Schweizer Franken Anfang 2015 von der Nationalbank freigegeben wurde und in der Folge stark anstieg, sind die Lofts selbst Top-Verdienern zu teuer geworden. "Der Zenit der Zahlungsbereitschaft ist erreicht", schrieb die Neue Zürcher Zeitung im Februar dieses Jahres.

Die Folge: In Luxus-Wohnanlagen kosten einzelne Wohnungen zwei Drittel des ursprünglichen Preises. Billig ist das immer noch nicht. Doch auch bei den erschwinglichen Wohnungen deutet sich Entspannung an. Genossenschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen haben zuletzt einiges zum Bauboom beigetragen. Bei ihnen liegt der Fokus auf bezahlbaren Wohnungen. Lässt sich eine ähnliche Entwicklung auch für Deutschland vorhersehen? Bisher ist der Anstieg der Mietpreise ungebrochen, die 2015 eingeführte Preisbremse wirkt nicht, der Zuzug in die Städte ist größer als angenommen.

Fredy Hasenmaile sagt, die Schweiz sei dem deutschen Markt im Zyklus etwa vier Jahre voraus. Doch wenn mit Wohnungen viel Geld verdient werden könne, sei es nur eine Frage der Zeit, bis das entsprechende Angebot bereitgestellt werde. Wann das in Deutschland so weit sein wird, darauf will sich keiner der Experten festlegen. Die Entwicklung in der Schweiz aber zeigt: Auch wenn die deutschen Großstädte weiter so beliebt bleiben - es gibt einen Zenit, und der wird irgendwann erreicht werden.

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