Wohnungen:Bleiberecht

Wenn Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigen wollen, müssen sie künftig mit Hürden rechnen. Der Bundesgerichtshof hat zwei folgenreiche Grundsatzurteile gesprochen - auch um Missbrauch vorzubeugen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wohnungen: Ding, dong. „Hier ist Ihr Abgeordneter“. Parteien suchen sehr gezielt nach potenziellen Wählern. Im Bild: Hochhausklingelschild in Berlin-Mitte.

Ding, dong. „Hier ist Ihr Abgeordneter“. Parteien suchen sehr gezielt nach potenziellen Wählern. Im Bild: Hochhausklingelschild in Berlin-Mitte.

(Foto: Regina Schmeken)

Wer die Ankündigung des Bundesgerichtshofs (BGH) für diesen Mittwoch gelesen hatte, der war auf ein Randthema des Mietrechts eingestimmt. Am Ende wurde daraus ein Grundsatzurteil zu einem der heißesten Konflikte zwischen Vermieter und Mieter - zur Kündigung wegen "Eigenbedarfs". Und anders als in vielen früheren Urteilen ging die Sache dieses Mal zugunsten der Mieter aus.

In dem Fall geht es um eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin, die seit 40 Jahren vom selben Mieter bewohnt wird. 2008 hat eine neue Eigentümerin die Wohnung ersteigert, nun soll der Mann raus - weil der Ehemann der Vermieterin die 27 Quadratmeter als Archiv benötigt, um in den überquellenden Aktenregalen seines Büros Platz zu schaffen. Der BGH war bei der Kündigung wegen beruflicher Nutzungsinteressen bisher sehr großzügig, vielleicht auch zu großzügig. So jedenfalls konnte man die Worte von Karin Milger verstehen, Vorsitzende des Mietrechtssenats: Die unteren Instanzen hätten die BGH-Rechtsprechung hier wohl etwas missverstanden - was auch am Senat selbst gelegen haben könne.

Vermieter müssen jetzt etwa nachweisen, dass ihnen erhebliche finanzielle Einbußen entstünden

Jedenfalls vollzieht der BGH mit dem Urteil eine deutliche Abkehr von der bisherigen Linie. Zwar werden Vermieter auch in Zukunft Kündigungen aussprechen können, wenn sie die Räume beruflich nutzen wollen - allerdings unter deutlich strengeren Voraussetzungen als bisher. Wenn das bloße Geschäftsinteresse des Vermieters gegen die Wohnbelange des Mieters stehen, dann setzt das Recht zur Kündigung einen "Nachteil von einigem Gewicht" voraus. Das ist, rechtlich gesehen, eine deutlich höhere Hürde als nach den bisherigen Formeln wie "berechtigtes Interesse" oder "ernsthafter Nutzungsentschluss".

Mit anderen Worten: Wer aus einer vermieteten Wohnung ein Büro für sich selbst machen will, der muss zum Beispiel nachweisen, dass ihm andernfalls erhebliche wirtschaftliche Einbußen entstünden. Ein weiterer triftiger Grund wäre, wenn der Vermieter die Räume benötigt, um sein Büro näher am Eigenheim zu platzieren und so Familie und Beruf besser in Einklang zu bringen. Auch gesundheitliche Gründe akzeptiert der BGH. (Az: VIII ZR 45/16)

Während der BGH damit also Wohn- und Geschäftsinteressen in eine neue - mieterfreundlichere - Balance bringt, versucht er mit einem zweiten Urteil, den offenbar zunehmenden missbräuchlichen Umgang mit Eigenbedarfskündigungen einzudämmen. Auslöser ist ein Fall aus Koblenz: Der Bewohner sollte seine Vier-Zimmer-Wohnung räumen, weil der Vermieter die Räume angeblich für einen neuen Hausmeister benötigte. Nach langem Gezerre gab der Mieter nach - um hinterher festzustellen, dass nicht der Hausmeister, sondern eine Familie eingezogen war. Er klagte auf Schadenersatz wegen des Umzugs sowie als Ausgleich für die höheren Miete in seiner neuen Wohnung. (Az: VIII ZR 44/16)

Der BGH, der schon in früheren Entscheidungen ein gewisses Unbehagen an vorgeschobenen Eigenbedarfskündigungen erkennen ließ, hat darauf nun mit strengen Beweispflichten für den Vermieter reagiert. Wenn sich herausstellt, dass der angekündigte Neumieter doch nicht einzieht, dann treffe den Vermieter eine "besondere Darlegungslast". Soll heißen: Er muss eine wirklich stimmige und plausible Geschichte präsentieren, warum der angebliche Wohnbedarf, der zur Kündigung führte, doch nicht umgesetzt wurde. Gelingt dem Vermieter dieser Nachweis nicht, dann kann das teuer werden; im Fall der Koblenzer Vier-Zimmer-Wohnung forderte der Mieter fast 26 000 Euro.

Die Geschichte des Vermieters fand der BGH wenig überzeugend. Ende Oktober 2011 war der Mieter ausgezogen, Anfang November will der Vermieter erfahren haben, dass der Hausmeister die Wohnung im dritten Stock gar nicht wolle. Er leide seit Jahren an Kniebeschwerden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: