Wladyslaw Bartoszewski:Erika Steinbachs Herzensfeind

Ein Katholik, der Juden rettet. Ein Nazi-Opfer, das in Deutschland für Aussöhnung wirbt. Ein Diplomat, der poltert. Wladyslaw Bartoszewskis Leben ist von Widersprüchen und der Bereitschaft zu widersprechen geprägt.

Am Donnerstagabend hat Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach noch einmal nachgelegt. Nun tat sie auch dem Millionenpublikum von Maybrit Illner kund, worüber sie die Deutschen schon im Frühstücksfernsehen informiert wissen wollte: Polens Deutschland-Beauftrager Wladyslaw Bartoszewski habe nun mal "einen schlechten Charakter". Steinbachs Ausfall wurde von einer Woge öffentlicher Empörung begleitet, selbst CDU-Parteikollegen waren erzürnt. Nur einer nahm die Auslassungen gelassen: der Beschimpfte selber. Die Ansichten Steinbachs seien ihm egal, war der Kommentar, den der 88-Jährige in die Hitze der deutschen Debatte warf.

Bartoszewski, former Polish Foreign Minister and survivor of the Nazis' Auschwitz death camp pose for photographers in Berlin

Wladyslaw Bartoszewski überlebte schwer krank das Konzentrationslager Auschwitz. Hier ist er vor einem Plakat des Lagers zu sehen.

(Foto: Reuters)

Steinbachs Angriff galt einen Mann, der einiges aushalten kann, vieles aushalten musste. Noch nicht einmal 20 Jahre alt war Bartoszewski, als die deutschen Besatzer ihn in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppten. Ein halbes Jahr war er dem Grauen ausgesetzt, wurde schwer krank und schließlich entlassen - um baldmöglichst gegen Hitler-Deutschland zu kämpfen. Bartoszewski, strenggläubiger Katholik, setzte sich im Untergrund für die Rettung Zehntausender Juden ein. Gemeinsam mit Gleichgesinnten verschaffte er den Verfolgten gefälschte Dokumente.

Mit ähnlicher Entschlossenheit trat der Pole nach 1945 gegen das kommunistische Regime seiner Heimat auf. Der Einsatz kostete den inzwischen als Publizisten arbeitenden Bartoszewski erneut die Freiheit. Zwischen 1946 und 1954 verbrachte er insgesamt sechseinhalb Jahre in Gefangenschaft. Nach Stalins Tod rehabilitiert, schloss sich Bartoszewski um 1980 dem Aufstand der Solidarność an. Die Staatsmacht trieb ihn schließlich außer Landes. Dort vollzog er eine Wende, für die er großen Respekt erntete. Der von den Nazis verfolgte Pole ging nach Deutschland. Der Kämpfer verschrieb sich der Versöhnung. In den achtziger Jahren unterrichtete er in Bayern Geschichte als Gastprofessor, immer in dem Bemühen, das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen zu verbessern.

Nach dem Umbruch in Polen kehrte Bartoszewski in seine Heimat zurück und begann eine Karriere als Diplomat. 1989 wurde er Botschafter in Wien, 1995 und 2000/2001 hatte er zweimal das Amt des Außenministers inne. Seit 2007 ist er Staatssekretär in der Regierung des rechtsliberalen Donald Tusk und dort als Deutschland-Berater tätig. Dennoch: Wohlbedachtes Wägen der Worte ist seine Stärke nicht.

Der Mann, den Freunde seiner schnellen Sprechweise wegen "Maschinengewehr" nennen, und dem sie bescheinigten, dass er mitunter "explodiert", geriet heftig mit Erika Steinbach aneinander. Seinen Unmut dürfte hervorgerufen haben, dass Steinbach 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze stimmte. Dennoch bezeichnete er die Deutsche, als sie 1998 den Vertriebenenvorsitz antrat, als rationale Person, mit der man reden solle. Doch spätestens seit Erika Steinbachs Name als Mitglied im Beirat der Berliner Vertriebenenstiftung gehandelt wurde, wurde der Ton rauer. Eine Berufung der Vertriebenenchefin wäre so, als ob der Vatikan den Holocaust-Leugner Richard Williamson als Nuntius nach Israel schicken würde, polterte der Pole vor eineinhalb Jahren und löste Entrüstung bis in die obersten Politiketagen aus.

Im direkten Kontakt scheint dagegen - wenn man den Äußerungen Steinbachs glauben darf - Funkstille zu herrschen, hatte sich die CDU-Politikerin doch gerade darüber erbost, dass Bartoszewski ihre Briefe nie beantworte. Der 88-Jährige hat dafür eine einfache Erklärung: Er wisse die Meinung von 41 Millionen deutschen Frauen sehr zu schätzen, allein die Ansichten Steinbachs gehörten nicht dazu.

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