Wirtschaftswachstum:Genug gebaut

Wirtschaftswachstum: Chinas Städte und das Straßennetz sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen: Blick auf Guangzhou im Süden des Landes.

Chinas Städte und das Straßennetz sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen: Blick auf Guangzhou im Süden des Landes.

(Foto: AFP)

Jahrelang hat Peking Milliarden in Straßen, Flughäfen und Wohnhäuser investiert, doch jetzt verliert die Wirtschaft an Schwung.

Von Marcel Grzanna

Finanzspritzen für die Wirtschaft, Stützkäufe an der Börse und jetzt auch noch die Abwertung der Landeswährung Yuan - seit Monaten kämpft die bislang erfolgsverwöhnte chinesische Wirtschaft mit Problemen. Die allein regierende Kommunistische Partei steuert gegen, denn nur ausreichend Wachstum sichert den Autokraten ihre Macht. Die wichtigste Antworten zu Chinas Krise im Überblick:

Warum schwächelt Chinas Wirtschaft?

Grob gesagt, weil es inzwischen genug Straßen, Flughäfen, Wohnhäuser und Einkaufszentren in China gibt. Jahrzehntelang bezahlte der Staat aus der Haushaltskasse den Aufbau des Landes. Das kurbelte die Wirtschaftsleistung an und schuf Arbeitsplätze. Jetzt ist der Bedarf gedeckt und es mangelt an Alternativen, um die Konjunktur anderweitig in Schwung zu halten. Ein Grund dafür ist, dass die Vetternwirtschaft zwischen Banken und Staatsunternehmen private Unternehmen aus dem Markt drängt und somit keinen Wettbewerb zulässt. So siecht die Wirtschaft dahin. Peking will das ändern, weil es die Bedeutung des Reformprozesses für den Erhalt des Machtmonopols der Partei erkannt hat. Doch die Erneuerer stoßen auf Widerstand von starken Interessengruppen, die lieber in die eigene Tasche wirtschaften. Der Druck auf die Regierung nimmt zu, zumal seit geraumer Zeit auch noch Chinas Billigarbeiter lautstark mehr Lohn fordern. Nur wenn die Arbeiter das System weiter mittragen, hat die Partei eine Zukunft. Also steigen die Löhne. Das aber erhöht die Produktionskosten, trübt die Investitionsfreude der Unternehmen und mündet in einen noch größeren Reformdruck.

Was hat das Börsenchaos der vergangenen Wochen damit zu tun?

Chinas Wirtschaft konnte deshalb so stark wachsen, weil die Banken großzügig Kredite an Kommunen und staatliche Unternehmen vergeben haben. Sie kümmerte meist wenig, ob ein sinnvoller Geschäftsplan hinter einer Investition steckte. Die Staatskasse galt als Bürge für jeden Unsinn. Durch diesen Filz haben sich riesige Schuldenberge angehäuft. Peking kam deshalb auf die Idee, die Aktienkurse mit ein paar Manövern künstlich nach oben zu treiben. Die Höhe der Schulden von Firmen und Kommunen verloren angesichts der steigenden Aktienkurse an Dramatik. Doch eigentlich waren die Aktien weniger wert als dafür gezahlt wurde, eine klassische Blase also. Als ein unbekannter Akteur auf die Idee kam, diese Blase könnte platzen und vorsichtshalber große Aktienmengen verkaufte, löste das eine regelrechte Panik aus. Die Kurse sackten ab. Zahlreiche ahnungslose Kleinanleger verloren ihr Geld. Weil die Regierung befürchtete, dass die Wertverluste neue Schuldenberge hinterlassen würden, griff sie energisch in die Kursentwicklung ein, um die Märkte zu stabilisieren.

Warum hat die Zentralbank die Landeswährung jetzt abgewertet?

Die Exporteure bekommen damit bessere Rahmenbedingungen. Bei den ohnehin geringen Margen, mit denen viele chinesische Unternehmen arbeiten müssen, war der hohe Yuan-Kurs eine zusätzliche Last. Jetzt können die Firmen auf größere Nachfrage aus dem Ausland hoffen, weil ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger werden. Das belebt die Industrieproduktion und damit die gesamte Konjunktur. Die Produktion wird jedoch für jene Firmen teurer, die Rohstoffe oder Komponenten aus dem Ausland benötigen, weil die Preise für eingeführte Waren zwangsläufig steigen. Allerdings dürfte die Nachfrage nach heimischen Produkten wieder anziehen, weil die importierten Waren auch für chinesische Konsumenten teurer werden.

Die Zentralbank hat am Dienstag von einer einmaligen Abwertung gesprochen, aber am Mittwoch erneut den Kurs deutlich gesenkt. Wie glaubwürdig kann sie noch agieren?

Die Zentralbank definiert beide Abwertungen als gebündelte Aktion und damit als "einmalig". Zudem hat die Bank ihren Handlungsspielraum erweitert, um schrittweise weitere Abwertungen zu rechtfertigen. Bisher hatte die Bank grundsätzlich den Wechselkurs zum Dollar bestimmt, oft aus politischen Gründen entgegen den Tendenzen des Marktes. Künftig will sie sich mehr an der Entwicklung des Marktes orientieren und stärker mit Bandbreiten arbeiten. Wenn die schwachen Wirtschaftsdaten der Volksrepublik in den kommenden Tagen den Druck auf den Yuan also weiter erhöhen sollten, müsste die Zentralbank gemäß ihrer neuen Leitlinie stets einen Kurs wählen, der eine weitere Abwertung zuließe. Im Umkehrschluss bedeutet das, sie könnte marktwirtschaftliche Kräfte nutzen, um die heimischen Exporteure durch eine schwächere Landeswährung zu unterstützen.

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