Wirtschaftsrat der CDU:Breitseite für Merkel

Vielleicht sollte sich der Wirtschaftsrat der CDU in Wirtschaftsrat der FDP umbenennen. Zumindest für seine Mitglieder hat die CDU abgewirtschaftet.

Thorsten Denkler, Berlin

Kurt Lauk versucht zu retten, was zu retten ist und lobt die "ungeheure" Arbeit der Kanzlerin in der Griechenland-Krise auf der europäischen Ebene. "Das müssen Sie sich mal vorstellen", sagt der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, lugt über seine Halbbrille hervor und hebt den Zeigefinger. "Alleine gegen 26." Pause.

Es nützt nichts. Was hängen bleibt von dieser Pressekonferenz zur Sicht der Unternehmer in der CDU auf die schwarz-gelbe Bundesregierung, ist ein Wort: Desaster.

Keine Rede mehr vom Wunschbündnis

Der Wirtschaftsrat hat das Umfraginstitut TNS Emnid beauftragt, die eigene Mitgliedschaft über ihre Wahrnehmung von der neuen Regierung zu befragen. Die erste schlichte Frage lautet: "Wie beurteilen Sie den Start der neuen CDU/CSU/FDP-Bundesregierung?" Die Antworten müssen ernüchternd sein für Regierungschefin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP). Beide haben schließlich immer von einer Wunschkoalition gesprochen.

Es wäre keine Überraschung, wenn nur eine Minderheit der Befragten ein positives Verhältnis zu dieser Traumkoalition entwickelt hätte. Doch dass offenbar niemand, mit anderen Worten, kein einziger von 2459 Befragten mit "sehr gut" auf die Frage nach dem Start antwortete, ist schon eine ziemliche Breitseite. 85 Prozent der Befragten sagen stattdessen, der Start sei "eher schlecht" bis "schlecht" verlaufen.

Von Wunschbündnis kann wohl keine Rede mehr sein: Nur sieben Prozent der befragten Unternehmer sagen, die "bürgerliche Koalition hebt sich positiv von der großen Koalition ab". Dafür attestieren 65 Prozent der Regierung, zu wenig wirtschaftspolitisches Profil zu zeigen.

Der Wirtschaftsrat der falschen Partei?

Im Fokus der Kritik steht die eigene Partei: Über die Hälfte sieht eine "zunehmende Sozialdemokratisierung" der Union. Geradezu vernichtend aber ist der Wert, den die Unternehmer in der CDU ihrer Union in punkto "wirtschaftspolitischer Sachverstand" zubilligen. Den sehen in der Union nur noch 19 Prozent der Befragten.

Der Wirtschaftsrat ist offenbar in der falschen Partei verankert. Er müsste sich umgehend der FDP anschließen. Auffällig ist nämlich, dass sich der Forderungenkatalog des Wirtschaftsrates um Präsident Kurt Lauk liest wie bei der FDP abgeschrieben.

Zwar sehen die Befragten die Hauptverantwortlichen für das schlechte Erscheinungsbild der Koalition in FDP und CSU. Doch wenn es um Kopfpauschale, Kürzungen im Sozialwesen, einfaches Steuersystem oder die Abschaffung des Mittelstandsbauches geht, bei dem Bezieher mittlerer Einkommen überproportional hohe Steuern zahlen, da liegt der Rat voll auf FDP-Linie. Nicht umsonst haben bei der Wahl viele Unionswähler zur FDP rübergemacht, in der Hoffnung, dort könnten sich ihre wirtschaftsliberalen Träume erfüllen.

Bei Kürzungen fährt der Rat groß, nein ganz groß auf. Vier Milliarden Euro bei Hartz IV, 14 Milliarden Euro, wenn der ermäßigte Mehrwertsteuersatz abgeschafft und flächendeckend auf 19 Prozent angehoben wird. Umsatzsteuerbetrug bekämpfen bringt weitere 15 Milliarden. Subventionen weg und zwar, wie Lauk sagt, "am besten mit der Rasenmähermethode", spült noch mal zwölf Milliarden in die Kassen. 26 Milliarden können durch ein effizienteres Beschaffungswesen von Bund, Ländern und Kommunen zusammenkommen. Das da noch keiner dran gedacht hat.

"Große Steuerreform ist nicht darstellbar"

Sparfähige Milliarden, wohin das Auge reicht also. Alles in allem kommt der CDU-Wirtschaftsrat auf 100 Milliarden Euro, die die öffentlichen Haushalte zu viel ausgeben.

Wenn es so einfach wäre, wäre Lauk sicher ein guter Kanzlerkandidat. Doch welche Leistung, welche Subvention konkret er abschaffen will, das sagt Lauk nicht. Er denkt da lieber in "großen Paketen" die geschnürt werden müssen. Sonst verzettele man sich im Klein-Klein.

Vielleicht um sich doch etwas von der FDP abzugrenzen, wettert Lauk noch kurz aber ungeschickt gegen Steuersenkungen. Lauk: "Wir haben seit vielen Jahren über unsere Verhältnisse gelebt. In dieser Situation ist eine große Steuerreform mit Entlastungen von 40 bis 60 Milliarden Euro nicht darstellbar." Recht hat er. Nur: In der Höhe fordert das im Moment gar keiner. Tatsächlich geht es um höchstens 19 Milliarden Euro. Wie der Wirtschaftsrat dazu steht, lässt Lauk offen.

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