Wirtschaft:Siemens streicht Tausende Stellen

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Trotz Milliardengewinnen: Das Münchner Unternehmen schließt Werke in Görlitz und Leipzig. Die IG Metall spricht von einem "breit angelegten Angriff auf die Arbeitnehmer"

Von Caspar Busse und Thomas Fromm, Berlin

Siemens will in der Kraftwerks- und in der Antriebssparte weltweit 6900 Jobs streichen, die Hälfte davon in Deutschland. Die Turbinen-Werke in Sachsen, in Görlitz und in Leipzig, mit insgesamt 920 Arbeitsplätzen sollen komplett geschlossen werden. Auch der Standort Offenbach mit 700 Stellen könnte von den Sparmaßnahmen betroffen sein, das Werk in Erfurt könnte Siemens verkaufen. "Die Einschnitte sind notwendig, um unser Know-how bei der Kraftwerkstechnologie, bei Generatoren und bei großen elektrischen Motoren nachhaltig wettbewerbsfähig halten zu können", sagte Personalchefin Janina Kugel, die die Pläne am Donnerstag den Arbeitnehmervertretern im Wirtschaftsausschuss vorstellte. Es brenne "lichterloh"; in Europa sei der Markt "kaum noch vorhanden".

Möglichst viele der Betroffenen sollen laut Kugel auf die 3200 freien Stellen im Konzern vermittelt werden. Man bemühe sich, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, könne diese aber auch nicht ausschließen. Dies werde am Ende davon abhängen, wie viele Betroffene freiwillige Angebote annehmen. "Wir werden diese Maßnahmen sorgfältig, umsichtig und langfristig anlegen", sagte die Managerin. Der Plan soll in den nächsten Jahren umgesetzt werden; eine Einigung mit der Arbeitnehmerseite werde bis Herbst kommenden Jahres angestrebt. Ob die allerdings zustande kommt, war am Donnerstag mehr als fraglich. Die IG Metall hatte schon im Vorfeld Widerstand angekündigt.

Über die Sparpläne war seit Wochen spekuliert worden. Die Betriebsräte hatten damit gedroht, die Einschnitte nicht hinzunehmen. "Die IG Metall bewertet diese Pläne als breit angelegten Angriff auf die Arbeitnehmerseite und weist sie rundweg zurück", sagte Siemens-Aufsichtsrat und IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner. Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung sei "angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel". Die Pläne des Managements kämen "nicht einmal als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Betracht". Für ein Unternehmen wie Siemens grenze "diese Mischung aus Tatenlosigkeit und Einfallsarmut an einen Offenbarungseid des Managements", kritisierte Kerner.

Die Arbeitnehmerseite beruft sich auf eine seit etwa zehn Jahren geltende Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung bei Siemens, diese schließe betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen aus. "Ein Bruch oder eine Kündigung wäre nach unserer Auffassung mit der Absicht gleichzusetzen, die lange Phase konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zu beenden", hieß es am Donnerstag bei der IG Metall.

Kritik kam nach Bekanntwerden der Pläne auch aus der Politik. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete die angekündigte Schließung von zwei Siemens-Standorten im Freistaat als "unverantwortlich". Er habe "überhaupt kein Verständnis für diese Entscheidungen, die jegliche regionale Verantwortung eines großen deutschen Konzerns vermissen lassen". Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zeigte sich "wütend und empört" über die Entscheidung. Es könne nicht sein, dass trotz der Rekordgewinne des Unternehmens die Verantwortung "für die gesamte Industrieregion aufs Spiel gesetzt wird". Er forderte Siemens auf, die "Entscheidung gegen Sachsen" zu revidieren. Auch Tillich will mit dem Konzern über Alternativen für die beiden sächsischen Standorte reden.

Die geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) appellierte an Siemens, fair mit den Mitarbeitern umzugehen.

Siemens leidet im Kraftwerkgeschäft, weil angesichts der Energiewende immer weniger Großkraftwerke gebaut werden. Aber auch im Geschäft mit erneuerbaren Energien hat Siemens Probleme: Die fusionierte Windanlagen-Tochter Siemens Gamesa hat bereits den Abbau von 6000 Arbeitsplätzen angekündigt.

Weltweit sind bei Siemens rund 350 000 Menschen beschäftigt. Derzeit wird das Unternehmen grundlegend umgebaut, unter anderem ist ein Börsengang der Medizintechnik-Sparte geplant. Das Zuggeschäft wird derzeit mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammengelegt.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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