Wirtschaft:E-Autos gefährden Zehntausende Jobs in Deutschland

Jede achte Stelle in der Kfz-Industrie könnte durch die neue Technik wegfallen, weil die Motoren viel leichter zu bauen sind.

Von Caspar Busse und Max Hägler

Die Umstellung auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge wird in den kommenden Jahren in Deutschland mindestens 75 000 Jobs kosten. Das ist das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im Auftrag der IG Metall. Dabei seien 25 000 durch Elektroantriebe neu entstehende Arbeitsplätze bereits eingerechnet. "Je nach Betrieb und Region können die Folgen beträchtlich sein", erklärte Institutschef Oliver Riedel. Die Studie geht davon aus, dass im Jahr 2030 der Anteil von Elektroautos bei 25 Prozent liegt. Sollte der Wandel hin zu E-Autos schneller gehen, was einige Hersteller annehmen, seien sogar bis zu 109 000 Jobs bedroht.

Insgesamt sind in der deutschen Automobilproduktion derzeit 840 000 Menschen beschäftigt, davon alleine 210 000 im Bereich Antriebstechnik. Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann erklärte, die Gewerkschaft wolle mit der Studie keine Angst schüren, aber Unternehmen und Politik aufrütteln, frühzeitig gegenzusteuern. Am schwersten betroffen könnten demnach kleine Zulieferbetriebe in strukturschwachen Regionen sein. Die Unternehmen müssten deshalb eine Qualifizierungsoffensive starten, forderte Hofmann, "damit die Beschäftigten in diesem Wandel nicht unter die Räder kommen". Gefordert wird von Arbeitnehmervertretern auch, dass neue Technologien, etwa zur Entwicklung und Produktion von Batterietechnik, in Deutschland angesiedelt werden. Dies dürfe nicht Herstellern aus China, Korea oder Japan überlassen werden. Die Studie ist mit Unterstützung der großen Autobauer und wichtiger Zulieferbetriebe zustande gekommen.

Elektroautos sind deutlich weniger komplex als herkömmlich betriebene Fahrzeuge. Sie haben keinen komplizierten Verbrennungsmotor mehr, keinen Stromgenerator und meist nur noch ein sehr kleines Getriebe. Komponenten wie Elektromotoren sind deshalb auch weit simpler herzustellen. Ein Elektroantrieb hat laut VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh nur ein Sechstel so viele Teile wie ein Benzin- oder Dieselantrieb.

Fahrbatterien, deren meist noch unzureichende Leistung so oft diskutiert wird, werden in hochautomatisierten Fabriken hergestellt, in denen Menschen meist nur noch Überwachungsaufgaben haben. Nicht explizit untersucht wurden die Auswirkungen auf alle anderen Produktionsbereiche. Man könnte davon ausgehen, dass bei Nebenteilen eines Verbrennungsmotors der Bedarf an Mitarbeitern wesentlich stärker zurückgeht, so die Studie. Andere Experten weisen aber oft darauf hin, dass etwa bei mobilen und digitalen Dienstleistungen für Elektromobilität auch andere neue Jobs entstehen können.

"Wir werden neue Geschäftsfelder und Angebote entwickeln und die Mitarbeiter weiterqualifizieren: Den Mechatroniker gab es früher auch noch nicht", sagte Bernhard Mattes, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Die Politik müsse, so der VDA, der sich auch an der Studie beteiligte, Klimaschutz und Beschäftigungssicherung "gleichermaßen" verfolgen.

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