Wirtschaft:Der Absturz

Wirtschaft: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Weltweit purzeln die Aktienkurse, das Pfund sackt ab, Börsianer erinnern sich an die Lehman-Krise. Auch der deutsche Dax büßte zum Handelsbeginn zehn Prozent ein.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Finanzmärkte haben in ihrer Geschichte schon viele Krisen erlebt, und fast immer hatten die Katastrophen eine Gemeinsamkeit: Sie kamen überraschend, stürzten die Börsen ins Chaos und lösten hektische Betriebsamkeit bei Regierungen und Notenbanken aus. Das Kursbeben nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 etwa traf die Welt wie ein Schock. Niemand war darauf vorbereitet. Auch das Platzen der Internetblase im Jahr 2000 oder der "Schwarze Montag" von 1987 kamen völlig überraschend.

In dieser Reihe der Finanzcrashs stellt die Volksabstimmung der Briten über den Austritt aus der EU einen Sonderfall dar. Schließlich konnten sich Investoren, Bankenaufseher und Notenbanker seit Monaten auf den Termin einstellen. Das Versprechen der Bank of England, man werde notfalls 250 Milliarden Pfund zur Verfügung stellen, um die Banken liquide zu halten, lag am Freitag längst in der Schublade.

Dennoch kam es zur großen Panik. Die Börsenkurse gaben so stark nach wie seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 nicht mehr. Das britische Pfund verlor im Vergleich zum US-Dollar zehn Prozent und stürzte auf den niedrigsten Stand seit 1985. Der deutsche Börsenindex Dax büßte zum Handelsbeginn ebenfalls zehn Prozent ein. Das war einer der stärksten Einbrüche in seiner Geschichte.

Warum diese Panik? Die Anleger kannten die beiden Szenarien: Entweder Großbritannien bleibt Mitglied der EU - oder das Land geht. Das sind eigentlich klare Alternativen. Man kann sein Geld entsprechend anlegen. Doch Börsianer sind Spekulanten. In den letzten Tagen hatten sie viele Aktien gekauft. Sie waren fest überzeugt, dass die Briten für den Verbleib in der EU stimmen würden, und vertrauten dabei auf die Wettquoten der britischen Buchmacher. Die Wette ging schief. Nach dem Brexit-Votum drückten die Händler am Computer ihre Verkaufstasten. Das ist ein wichtiger Grund für die Turbulenzen - aber nicht der entscheidende.

Der Brexit könnte die Finanzmärkte auf Jahre hinaus schwächen, weil niemand weiß, wie die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien künftig aussehen werden. Die Börsen arbeiten mit Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung. Doch genau diese Vorhersagen sind nun noch schwieriger geworden. Die Finanzmärkte bleiben deshalb vorsichtig. Das merkt man daran, dass die Anleger zehnjährige Bundesanleihen kaufen. Das tun sie immer, wenn sie das Schlimmste befürchten. Deutsche Staatsschulden gelten den Investoren als "sicherer Hafen".

Dabei liegt die Rendite dieser Wertpapiere jetzt bei minus 0,17 Prozent. Wer dem Bundesfinanzminister Geld leiht, legt also noch drauf. Doch in diesen unsicheren Zeiten nimmt man den Verlust in Kauf. Wie ernst die Lage ist, lässt sich auch am Goldpreis ablesen. Auch das Edelmetall ist in Krisenzeiten beliebt. Der Preis stieg mit 1358 Dollar je Feinunze auf den höchsten Stand seit Sommer 2014.

Die Turbulenzen an den Börsen dürften in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen. Es ist schwer, sich in dieser Situation für Aktien oder Anleihen zu entscheiden. Die Politik bestimmt jetzt die Kurse an den Börsen.

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