Windenergie:Rotoren im Funkfeuer

Flugzeug hinter Windrad

Konkurrenten der Lüfte: Windkraftanlagen können die Funksignale stören, die ältere Flugzeuge zur Orientierung empfangen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Weil die Deutsche Flugsicherung Sorge um das Funktionieren ihrer Funkanlagen hat, dürfen Hunderte Windräder nicht errichtet werden. Nun ist ein Kleinkrieg entbrannt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Als bei Klaus Klinckhamer der Brief eintrudelte, waren die Bagger längst bei der Arbeit. Sieben von neun Fundamenten waren schon gegossen. Für das erste Windrad stand schon ein Turm. Heute ragt er wie ein Mahnmal aus dem platten Land, nur wenige Kilometer von der Ostsee entfernt. "Uns hat das voll erwischt", sagt Klinckhamer. "Und wenn das so weitergeht, kriegen die uns auch noch kaputt."

Dies ist die Geschichte eines Kleinkrieges, in dem Interessen und Behörden aufeinanderprallen, der Millionen verschluckt hat und in dem mittlerweile alle Mittel recht sind. Sie führt hinein in eine Welt der Formeln und "Winkelfehler", von abstrakter Sicherheit und realer Skurrilität. Es ist ein Kampf für und gegen Windmühlen, zwischen Landwirten und Investoren auf der einen, der Deutschen Flugsicherung und ihrem Bundesamt auf der anderen Seite. Bisher gibt es nur Verlierer.

Klaus Klinckhamer etwa hatte alles beisammen, Baugenehmigung, Baufirmen, Verträge. Das war Anfang März 2013. Einen guten Monat später legte die Flugsicherung ihr Veto ein. Der erste Turm stand da schon. Neun große Windräder sollten elf ältere ersetzen, der Wind weht gut, hier zwischen Kiel und Fehmarn. Nur der Flugsicherung war das zu viel. Nicht weit entfernt, in Wangels, wollte der Landwirt Christian Prinz zu Waldeck 30 Millionen Euro in einen Windpark stecken. Alle Genehmigungen waren da, die Baufirmen waren bestellt. Doch ein dürres Sätzchen vereitelte das Vorhaben. Die Deutsche Flugsicherung, kurz DFS, erwarte "zusätzliche Störbeiträge, die aufgrund der bestehenden Situation nicht akzeptabel sind". Es werde empfohlen, der Errichtung zu widersprechen. Das zuständige Bundesamt folgte aufs Wort. "Worauf diese Einschätzung fußt, haben wir bis heute nicht erfahren", sagt Waldeck. "Das behandelt die DFS wie ein Staatsgeheimnis."

Die staatseigene Flugsicherungsfirma argumentiert mit der Sicherheit in der Luft. Flugzeuge, die nicht mit modernstem Gerät ausgerüstet sind, navigieren mithilfe sogenannter Drehfunkfeuer. Vergleichbar den Lichtzeichen der Leuchttürme senden sie Funksignale aus, mit denen Flugzeuge ihre Position bestimmen können. Da wäre es schlecht, wenn ein Windrad das Signal ablenkt. Und wo viele Windräder stehen, gebe es viel Ablenkung, heißt bei der DFS.

Es ist eine der Hypothesen, die seit Monaten hin- und hergewogen wird. Beim Funkfeuer Michaelsdorf, just jenem, das die Pläne der Herren Klinckhamer und Waldeck vereitelt, unternahmen Gutachter Messflüge. Anschließend schrieben sie, sie hätten "keinen wahrnehmbaren Winkelfehler" gefunden. An der Haltung der Flugsicherung änderte das nichts.

Um Funkfeuer-Anlagen besteht ein Schutzradius von 15 Kilometern

Sie stützt sich dabei auf Empfehlungen der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO. 2009 empfahl sie einen Schutzradius von 15 Kilometern rund um die Funkfeuer, sicher ist sicher. Innerhalb dieses Radius solle geprüft werden, ob es Konflikte zwischen Rotoren und Signalen gibt. Mehrere Dutzend Anlagen hätten diese Prüfung in den letzten Monaten überstanden, meldet das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Doch als der Branchenverband BWE kürzlich seine Mitglieder nach Funkfeuer-Problemen befragte, meldeten sie 799 vereitelte Windräder - mit der Gesamtleistung zweier Atomkraftwerke. Darunter zum Beispiel zwei Windräder bei Düsseldorf, elf Kilometer vom Funkfeuer des Flughafens entfernt. Sie dürfen nicht aufgebaut werden - obwohl zwischen Funkfeuer und Bauplatz eine ganze Rheinbrücke und diverse Gebäude aufragen.

International ist die Debatte längst im Gange, auch bei der ICAO. Großbritannien, Frankreich, Belgien haben die strenge Regel schon abgemildert, sie stellen auch den 15-Kilometer-Radius infrage. Nicht so die Deutsche Flugsicherung. Ausweislich interner Protokolle von ICAO-Sitzungen setzte sie sich im Januar sogar für dessen Erhaltung ein - mit Hinweis auch auf Gerichtsverfahren in Deutschland. Änderungen der Regel "könnten Einfluss auf das Ergebnis dieser Fälle haben". Hierzulande aber verweist die DFS weiter wacker auf die Regeln der ICAO. "An diese Vorgaben haben wir uns zu halten", erklärt eine Sprecherin.

Längst beschäftigt der Streit auch das Bundesverkehrsministerium, den Dienstherrn der Flugaufsichtsbehörde BAF. Unlängst erhielt Minister Alexander Dobrindt (CSU) dort einen deftigen Brief vom schleswig-holsteinischen Energieminister Robert Habeck, einem Grünen. "Die vorgebrachte Argumentation, die Untersuchungen seien noch nicht weitreichend genug und die Messergebnisse reichten noch nicht aus, kann ich nicht länger nachvollziehen", schrieb Habeck. Der Bund müsse sich für ein neues Bewertungsverfahren einsetzen. Dobrindt antwortete zwar ausführlich, aber hinhaltend: Er könne nachvollziehen, "dass der wissenschaftliche Austausch (. . .) zu lange dauert". Aber es gebe eben noch offene Fragen. "Aufgrund der bestehenden Komplexität der Materie wird diese Beurteilung noch etwas Zeit in Anspruch nehmen."

Windmüller Klinckhamer, seit vielen Jahren CDU-Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, hofft nun auf ein Treffen mit Dobrindt; Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen will ihm dabei helfen. Andere gehen radikalere Wege: Sie kaufen Grundstücke, auf denen Funkfeuer stehen, und kündigen dann den Pachtvertrag. Doch gebracht hat das außer weiterer Polarisierung wenig - die Baustopps währen fort. In Michaelsdorf scheiterte die Operation Räumung, erst 2021 läuft der Pachtvertrag aus. Fliegern allerdings kann das einerlei sein. Das dortige Funkfeuer, so warnt die Piloteninfo Notice to airmen, ist ohnehin nur eingeschränkt nutzbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: